ELEKTROSMOG 08. Jul 2019 Heinz Wraneschitz Lesezeit: ca. 3 Minuten

Bislang kein Mindestabstand

Über den nötigen Abstand von Überlandleitungen zu Wohngebieten streiten das Bundesamt für Strahlenschutz und die Bundesnetzagentur.

Beim Verlegen neuer Überlandleitungen sollte zum Schutz des Menschen vor Elektrosmog ein Mindestabstand eingehalten werden.
Foto: Amprion GmbH

Die elektronische Welt habe eigene Gesetze. „Totale Technik geht immer ins Totalitäre“, schreibt der Journalist und Autor Manfred Poser in seinem neuen Buch „Elektrosmog“ (Crotona-Verlag Amerang). „Protokolle geben den Firmen Kontrolle über die Arbeitsabläufe und über ihre Mitarbeiter, die gezwungen sind, sich selbst zu kontrollieren. Beratung wird zum Abhaken von Fragen, die ein Computer festgelegt hat.“ Man muss Posers Ansichten nicht gutheißen. Aber seine Einschätzung von Technikgläubigkeit ist auf die Höchstspannungsleitungen zu übertragen, die zurzeit kreuz und quer durchs Land geplant werden. Ob über oder unter der Erde – es herrscht reiner Formalismus.

Da nützt es wenig, wenn das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter rigide Abstandsregeln fordert. Dessen Direktor Michael Thieme will „Siedlungsflächen, soweit der Strahlenschutz bzw. die menschliche Gesundheit betrachtet werden, für die Prüfung räumlich erweitert behandeln“. Denn die Strahlung von Stromleitungen könne „auch aus einiger Entfernung“ wirken. Thieme schlägt deshalb den Vorsorgegedanken vor sowie die Orientierung an den Vorgaben des Gesetzes zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG).

Konkret bedeutet das für Thieme: Der Abstand müsse größer sein als die „Einwirkungsbereiche von Höchstspannungsfreileitungen“. Die definiert er bei Gleich- wie Drehstrom mit „bis zu 400 m“ und damit in Übereinstimmung mit dem EnLAG. Werde das von Anfang an eingehalten, entfalle später die aufwendige Einzelfallprüfung, so Thieme.

Die BfS-Stellungnahme ist eine von 128, die bei der Genehmigungsbehörde für Gleich- und Drehstromtrassen, der Bundesnetzagentur (BNetzA), im Rahmen der künftigen Bedarfsermittlung für den Netzausbau eingegangen sind. Die Antworten stammen von Ministerien, Bundes- und Landesbehörden, Verbänden, Kommunen, Landkreisen und umweltbezogenen Vereinigungen.

Strahlenschutz ist Gesundheitsschutz. Fachliches Know-how ficht hier die BNetzA aber offenbar nicht an. „Die Pufferung von Siedlungsbereichen erscheint im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung (SUP) zum Bundesbedarfsplan nicht sachgerecht und wird auf der Ebene der Bundesbedarfsplanung nicht weiter betrachtet“, schreibt die BNetzA in ihrer „Bedarfsermittlung 2017-2030“ vom April 2017.

Und dann werden mehrere Stellungnahmen ausgekontert, die gefordert hatten, „Abstandsregelungen für das Schutzgut Mensch“ aufzunehmen. Die BNetzA tut das, indem sie sich auf die 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) beruft. Dort seien Anforderungen zum Schutz vor elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern geregelt. „Und darin sind auch Grenzwerte für Höchstspannungsleitungen festgelegt, die zwingend eingehalten werden müssen.“ Die BImSchV entspreche dem heutigen technischen und wissenschaftlichen Stand – ein klarer Tiefschlag für das BfS und alle anderen Einwender.

Dabei muss die Bundesnetzagentur zugeben: „Bislang gibt es keine bundesweit geltenden Mindestabstände für Stromleitungen zu Wohngebäuden.“ So sei zwar unzulässig, Freileitungen in weniger als 400 m Abstand zu Wohngebäuden zu errichten. Das Verbot gelte aber nur für Gebäude „im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im unbeplanten Innenbereich im Sinne von § 34 Baugesetzbuch BauGB, falls diese Gebiete vorwiegend dem Wohnen dienen“. Im „Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB“ ist dagegen der halbe Mindestabstand erlaubt, also gerade mal 200 m zu Wohngebäuden. Das gilt aber nur bei Leitungen über der Erde: In diesem Bereich könnten also Höchstspannungsgleichstromerdkabel verlegt werden. Eine generelle Mindestabstandsregel gebe es nicht, so die BNetzA.

Und auch das EnLAG bewertet die Netzagentur anders als das Bundesamt für Strahlenschutz. Das Gesetz zielt nicht auf den Schutz vor elektromagnetischer Strahlung. Es regelt lediglich technisch und wirtschaftlich effiziente Teilabschnitte, auf denen neu zu bauende Höchstspannungsleitungen erdverkabelt werden, wenn die Leitung in weniger als 200 bzw. 400 m Abstand zu Wohngebäuden errichtet werden soll.

Damit postuliert die BNetzA: „Die im EnLAG normierten Abstände stellen keine Mindestabstände dar.“ Was das BfS anders wertet. Die Agentur geht aber sogar noch weiter: „Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zur Teilverkabelung. Gründe für die gewählten Abstände oder gar eine wissenschaftliche Herleitung sind in der Begründung des Gesetzesentwurfs zum EnLAG nicht enthalten.“ Da haben Politiker den vom Leitungsbau Betroffenen gerade in Bayern anderes versprochen.

Ein Sprecher der BNetzA legt in einem Schreiben an die VDI nachrichten noch nach: „Es lassen sich keine pauschalen Kriterien festlegen, anhand derer der Wohnumfeldschutz eindeutig bemessen werden kann.“ Zwar müssten sich Übertragungsnetzbetreiber, die die Leitungen bauen sollen, in den Verfahrensschritten Bundesfachplanung und Planfeststellung an Recht und Gesetz halten. Weil aber in der Planfeststellung „eine konkrete Abstandsregelung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, kann die BNetzA den Übertragungsnetzbetreibern diese nicht vorgeben“.

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