START-UP 10. Jul 2019 Kai Weller Lesezeit: ca. 4 Minuten

Zahl studentischer Ingenieurbüros wächst

Studenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg haben ein Ingenieurbüro gegründet. Bisher ist das Modell wenig verbreitet. Aber es könnte Schule machen. Denn die Studenten lernen die Arbeitswelt kennen – und Auftraggeber hoch engagierte Fachkräfte.

Das Erlanger Ingenieurbüro FutureIng bei der Arbeit: Co-Geschäftsführer Lars Boolzen diskutiert mit Informatiker Omer Maqsood, dem Konstruktionsexperten Andreas Jaumann und Geschäftsführungskollegen Stefan Eckart.
Foto: pudding.paul.productions

„Wir wollen den Übergang vom Studium in die Praxis verbessern“, so das erklärte Ziel von Stefan Eckart. Gemeinsam mit seinem Mitstreiter Lars Boolzen hat der Zwanzigjährige im Mai dieses Jahres das Ingenieurbüro FutureING in Erlangen gegründet: Studenten führen das Unternehmen und ausschließlich Studenten arbeiten an den Projekten. Erste Aufträge sind erledigt, das Werben um weitere Kunden läuft an. Eckart ist überzeugt, auch Aufträge von großen Unternehmen zu bekommen. „Studenten denken noch nicht in eingefahrenen Strukturen und können deswegen oft neue Lösungen anbieten“, beschreibt er das Verkaufsargument. „Und sie bringen das aktuellste Know-how aus der Universität mit.“

Studentische Ingenieurbüros in Deutschland

-Es gibt derzeit eine Handvoll studentischer Ingenieurbüros in Deutschland.

-„Studentec“ in Karlsruhe war 2009 das erste reine Studentenprojekt: Das Büro ist als Verein organisiert und hat derzeit etwa 30 Mitglieder.

– 2010 startete „Stud­ING“, Braunschweig, an dessen Strukturen sich 2014 „FutureING“, Erlangen, orientierte.

– Das „Studentische Ingenieurbüro Hannover“ ist eine Einrichtung der FH Hannover, die Projektteams werden hier von Professoren begleitet.

– 2013 erhielt „Easing“ in Bremen eine Steuernummer – die Gründer starten nach ihrer Bachelor-Prüfung gerade wieder frisch mit der Kundenakquise.

– In anderen Disziplinen sind studentische Beratungsfirmen schon weit verbreitet. Schon Mitte der 80er-Jahre gründeten Wirtschaftswissenschaftler die ersten studentischen Unternehmensberatungen, 1992 gründeten sieben von ihnen den Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen e.V. (BDSU). Heute hat der BDSU deutschlandweit 31 Mitglieder.   kw

Als die Idee zur Gründung im letzten Jahr reifte, passte das Konzept in kein Raster der Beratungsstellen für Gründer. Welche Rechtsform eignet sich für solch ein Projekt? Wie lässt sich der Übergang von einer Studentengeneration zur nächsten organisieren? Und wie gewinnt man als Student das Vertrauen von Kunden?

Antworten fanden sie in Braunschweig. Dort liefert seit 2010 die Firma StudING den Beweis, dass Studenten ein Ingenieurbüro führen können. Von vier Studenten gegründet ist der Dienstleister inzwischen fest am Markt etabliert. Etwa 35 Nachwuchsakademiker sind regelmäßig aktiv, als Geschäftsführer, im Vertrieb, im Marketing und bei der Arbeit an den Projekten. 20 weitere potenzielle Mitarbeiter gehören zum losen Netzwerk. Durchschnittlich arbeiten die Studenten an drei Projekten gleichzeitig.

„Wir haben viele Tipps von den Braunschweigern erhalten. Sie haben uns z. B. auch darin bestärkt, eine UG zu gründen“, so Eckart. Die Gründung einer solchen Unternehmergesellschaft ist vergleichsweise günstig und bietet Haftungssicherheit. Auch für Infrastruktur-Probleme war in Braunschweig schon die Lösung gefunden: Zwischen StudING und der TU Braunschweig besteht ein Kooperationsvertrag. Dieser ermöglicht den Studenten, Equipment der Hochschule zu mieten.

Um Gewinnausschüttungen geht es den Studenten nicht. Alle Gesellschafter von StudING haben eine Verzichtserklärung unterschrieben, mit der sie auf Kapitalentnahmen verzichten. Eine solche will auch Eckart aufsetzen: So ist gesichert, dass FutureING ein studentisches Projekt bleibt.

Christian Wagner-Boysen, Geschäftsführer der zweiten Generation bei StudING, erklärt: „Wer sich dem Ende seines Studiums nähert, lernt einen Nachfolger an, damit der Übergang reibungslos funktioniert.“ Er macht den Job seit Februar 2013 und führt selber schon den Nächsten an die Aufgabe heran.

Für verschiedene Fachbereiche innerhalb des Ingenieurbüros sind in Braunschweig Kompetenzteams verantwortlich. Es gibt Spezialisten etwa für Energietechnik, Antriebstechnik oder IT. Ähnlich ist es in Erlangen. Das Leistungsportfolio ergibt sich aus den Studiengängen, die an den jeweiligen Universitäten angeboten werden. Es ist also weit gefächert.

Die Studenten erstellen Konstruktionspläne mit CAD-Software, programmieren Websites mit Java, bieten Energieberatung für private Kunden an und vieles mehr. Ein Kunde von StudING ist das Braunschweiger Unternehmen Drive-CarSharing. StudING montiert die für das Carsharing nötige Hardware in die Autos und konfiguriert und repariert die Geräte. Im Gegenzug steht als Teil der Honorierung immer ein Auto aus der Flotte vor der Tür von StudING – der Firmenwagen der Studenten.

Studenten, die für eines der Büros arbeiten, wollen mit der Arbeitswelt in Kontakt kommen und Erfahrungen sammeln. „Ich lerne, wie ich als Unternehmer auftreten kann“, so Wagner-Boysen.

Einer der Gründer von StudING, Kevin Hermanns, promoviert inzwischen in Darmstadt. Er hat sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, berät als Alumni aber noch die aktuelle Geschäftsführung. „Derzeit geht es darum, die Strukturen, die wir aufgebaut haben, abzusichern“, sagt er. So unterstützt er Studenten in Darmstadt, einen eigenen Ableger von StudING aufzubauen. Die Studenten bilden zunächst ihr eigenes Kompetenzteam, das als Außenstelle von StudING eigene Aufträge übernehmen kann. Nach und nach können dann in Darmstadt eigene Strukturen wachsen. „Ausgründungen unter dem Dach von StudING hätten den Vorteil, dass sich so eine starke Marke etablieren kann“, so Wagner-Boysen. Hermanns geht noch weiter: „Am Ende könnte StudING in eine Stiftung überführt werden, unter dessen Dach sich dann weitere studentische Ingenieurbüros gründen können.“

Die Erlanger Eckart und Boolzen sind einen anderen Weg gegangen. Sie haben sich für eine eigene Marke entschieden. Eckart könnte sich daher eher vorstellen, dass ab einer gewissen Zahl studentischer Ingenieurbüros ein Dachverband die Interessen vertritt. In welcher Form auch immer: Alle Beteiligten sind sich einig, dass das Modell Schule machen wird. Schon jetzt ist Eckart in Kontakt mit Kommilitonen in anderen Städten, die ähnliche Projekte planen.

Haben die Studenten ihre Kunden einmal von der Qualität ihrer Arbeit überzeugt, liegen weitere Vorteile für potenzielle Auftraggeber klar auf der Hand: Imagegewinn unter Studenten und Vorteile beim Recruiting engagierter Mitarbeiter.

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