Antriebstechnik 07. Mrz 2014 Markus Henrichs Lesezeit: ca. 8 Minuten

„Das Elektroauto ist kein Umweltschützer“

Glaubt nicht an die Zukunft von Elektroautos, sondern „ausschließlich an Naturgesetze“: Der Wiener Motorenentwickler und Berater Fritz Indra.
Foto: J. Bürgermeister

VDI nachrichten: Herr Professor Indra, Sie haben Ihr halbes Leben lang Verbrennungsmotoren konstruiert. Darunter so Meilensteine der Motorentechnik wie den „C20XE“ für Opel, der mit einem Wirkungsgrad von 37 % als der effizienteste Ottomotor seiner Zeit gilt. Werden Leute wie Sie in Zukunft arbeitslos sein, weil unsere Autos statt fossilem Kraftstoff nur noch Strom tanken?

Indra: (lacht) Ich will’s nicht hoffen. Und ich gehe nicht davon aus. Im Gegenteil: Der Verbrennungsmotor wird für die nächsten 100 bis 300 Jahre konkurrenzlos bleiben.

Was macht Sie da so sicher?

Die Tatsache, dass es mindestens 100 Jahre lang Erdöl geben wird und weitere 200 Jahre Erdgas. Und dafür ist der Verbrennungsmotor ideal geeignet.

Inwiefern?

Einer seiner großen Vorteile ist, dass er mit ganz viel verschiedenen Kraftstoffen arbeiten kann – egal, ob flüssig oder gasförmig. Und wenn’s dann eines Tages kein Erdgas mehr gibt und auch kein Erdöl, dann gibt es die Idee, dass wir uns den Kraftstoff selber machen. Selbst dann fahren wir also noch mit dem Verbrennungsmotor.

Das klingt unorthodox. Speziell in einer Zeit, in der alternative Antriebe in aller Munde sind…

Ich bin halt nach wie vor ein streng gläubiger Ingenieur. Ich glaube nicht an Wunder, sondern an Naturgesetze. Statt Absichtserklärungen von Politikern vertraue ich lieber auf Zahlen und Messwerte. Und die sprechen eine eindeutige Sprache.

Gegen die E-Mobilität?

Unbedingt. Seriöse Berechnungen belegen eindeutig, dass das Elektroauto in Deutschland eine 1,6-mal so schlechte CO2-Bilanz hat wie ein vergleichbares Fahrzeug mit modernem Verbrennungsmotor. Sehen Sie: Der Strom, der die E-Motoren antreibt, kommt ja nicht vom lieben Gott, sondern der muss irgendwo hergestellt werden. Und ein Großteil dieser Stromproduzenten werden immer kalorische Kraftwerke sein. Und dann entsteht das CO2 eben nicht im Auto, sondern im Kraftwerk. Aber dem Klima, der Umwelt, ist es völlig wurscht, wo das CO2 herkommt! Wir müssen schlichtweg vermeiden, das CO2 zu machen. Und das gelingt uns am besten, wenn wir den heutigen Verbrennungsmotor, der sich sowieso laufend verbessert, noch weiter verbessern.

Das heißt im Umkehrschluss?

Das Elektroauto leistet keinen Beitrag zum Umweltschutz. Das ist so und wird immer so bleiben. Außerdem kann es kein normaler Mensch bezahlen, weil die E-Mobilität für das, was sie bietet, viel zu teurer ist.

Am Ende wird also der Markt entscheiden?

Aber natürlich. Der Kunde hat sich doch schon längst entschieden. Die österreichische Kfz-Zulassungsstatistik z. B. belegt, dass vom viel gepriesenen Opel Ampera im Jahr 2012 insgesamt 165 Stück und 2013 gerade noch 42 Stück verkauft wurden. Der Autofahrer kauft halt lieber einen VW Golf oder Opel Astra mit effizientem Verbrenner, fährt damit 20 000 km pro Jahr, im Sommer wie im Winter, vollbesetzt oder allein, mit Gepäck oder nicht – und er wird nichts von dem aufgeben, was er heute hat.

Trübe Aussichten für alle E-Auto-Fans…

Aber die Wahrheit. Es ist halt einfach so, dass der Autokunde brutal ist.

Wieso brutal?

Weil der Kunde den Ingenieur für Ideen, die zu kompliziert gedacht sind und sich für ihn nicht rechnen, gnadenlos abstraft. Dazu kommt dann natürlich noch die Angst als emotionale Komponente.

Angst wovor?

Die Angst des Fahrers vorm Liegenbleiben. Das ist die größte Angst, die der Autofahrer überhaupt haben kann.

Sie spielen auf das nach wie vor ungelöste Reichweitenproblem bei E-Autos an…

Exakt. Stellen Sie sich das Szenario doch mal bildlich vor: In einen Stau zu kommen, im Sommer bei +40 oC im Winter bei –20 oC, bei Schneefall, und Sie können aus Sorge um die Reichweite noch nicht mal die Heizung oder die Klimaanlage anstellen. Der Kunde wird die vielen Annehmlichkeiten, die ihm das Auto heute bietet, nicht aufgeben wollen. Warum auch? Sie kaufen ja auch keinen Kühlschrank, der doppelt so teuer ist als ihr bisheriger und viel weniger kann.

Hm. Da ist was dran. Wenn man das zu Ende denkt, dann wäre die E-Mobilität, in die so viel Entwicklungsaufwand gesteckt wurde, am Ende also eine Totgeburt? Ein Irrweg?

Das ist natürlich ein Irrweg! Im Gegenteil: Es ist immer wieder erstaunlich, dass sie wiederkommt. Die Elektromobilität stirbt ja nicht zum ersten Mal, sie stirbt jetzt zum vierten oder fünften Mal. Wie meinen Sie das? Eines der allerersten Autos im vorvorherigen Jahrhundert fuhr ja schon elektrisch. Aber als dann der Verbrennungsmotor erfunden war, war das natürlich schnell wieder weg vom Fenster.

Wer erweckt die E-Mobilität dann immer wieder zum Leben?

Es ist viel die Politik dran Schuld. Die verschwendet viele, viele Fördergelder, weil sie glaubt, dass morgen einer aufwacht, der die Batterie erfindet, die jetzt plötzlich die zehnfache Reichweite ermöglicht. Aber das wird’s natürlich nicht geben. Denn man kennt ja alle Elemente, man weiß, was womit wie reagiert. Und die Reichweite ist und bleibt ein Riesenproblem. Zu effizienten Verbrennern gibt es daher auf absehbare Zeit keine Alternative. Davon bin ich überzeugt!

Eine These, die sie unlängst auf dem Motorenkongress in Baden-Baden vehement vertreten haben. Das werden nicht alle Entwickler und Entscheider im Plenum gerne gehört haben…

Mag sein. Aber ich hab halt die Freiheit mir genommen, weil ich ja nicht mehr in einer Großfirma tätig bin und nicht das sagen muss, was der Vorstandsvorsitzende gesagt hat oder gerne hört.

Verstehe. Aber gegen die Reichweitenangst kann man doch konstruktionstechnisch etwas machen: Range-Extender-Konzepte, Plug-in-Hybride…

Der Plug-in-Hybrid? Das ist die größte Umweltlüge überhaupt.

Wieso das denn? 

Weil der Normzyklus aufgrund seiner Berechnungsweise die realen Verbrauchswerte auf der Straße nicht annähernd wiedergibt. Ganz abgesehen davon sind Plug-in- und Voll-Hybride eine „Vergewaltigung der Physik“, wie ich einmal gesagt habe. Zumal sie viel zu kompliziert konstruiert sind.

Dennoch wird die Idee inzwischen auch von den deutschen Premiumherstellern mit viel Ehrgeiz verfolgt. Eben erst hat z.  B. BMW vor Journalisten seine Pläne zum X5 Plug-in-Hybrid vorgestellt: Die Münchner wollen als erster deutscher Autobauer dieses Konzept zur Marktreife und in Großserie in die obere Fahrzeugklasse bringen.

Ich glaube nicht, dass das in großem Umfang passieren wird. In meinen Augen ist das in erster Linie Marketing.

Marketing? Das müssen Sie erklären.

Schauen Sie: Der erste Marketingerfolg dieser Art ist Toyota mit dem Prius geglückt. Die haben dafür so viel Applaus von den Medien bekommen, dass die überhaupt kein Werbebudget mehr gebraucht haben, sondern es fast 1:1 als Entwicklungsbudget hernehmen können. Und ein ähnlicher „Coup“ ist jetzt BMW gelungen.

Alles ein großer Marketing- und Medien-Hype also? Aber sie werden doch nicht ernsthaft bestreiten wollen, dass z. B. Elektrosportwagen wie etwa der Tesla Model  S faszinierende Fahrzeuge sind?

Tue ich auch nicht. Freilich machen diese Autos Spaß. Sie sind aber absolut etwas für die Reichen, die schon drei, vier andere Autos in der Garage haben, wo sie über eine Steckdose oder Wallbox aufladen können.

Ein teures Technik-Spielzeug für gut betuchte Geldverbrenner also?

… das aber eben auch mit vielen Gefahren verbunden ist. Diese Autos brennen ja auch ganz gerne, wie man weiß. Man transportiert halt immer eine kleine Bombe mit sich herum.

In jüngster Zeit sind bei Tesla gerade einmal drei solcher Fälle in den USA bekannt geworden. Jetzt übertreiben Sie aber.

(augenzwinkernd) Ein bisserl vielleicht. Aber ich möchte damit auf die ernsten Gefahren hinweisen, die mit der E-Mobilität verbunden sind. Ein noch viel größerer Hemmschuh für deren Verbreitung ist aber der Wiederverkaufswert dieser Autos.

Wieso, wo liegt das Problem?

Nun, es ist doch so: Wenn die Batterie dann wirklich kaputt ist, was zwischen fünf und acht Jahre dauern kann, dann kostet die neue Batterie so viel Geld, wie das eigentliche Auto noch wert ist. Das ist eine totale Verunsicherung des möglichen Käufers. Aber das muss man ihm auch sagen! Man darf ihn nicht in sein Unglück laufen lassen.

Zurück zum Beispiel BMW. Die Münchner haben Medienberichten zufolge insgesamt 3 Mrd. € in die E-Mobilität, die Carbon-Fertigung und den Aufbau der Elektro-Submarke „i“ gesteckt. Die können und müssen doch auch rechnen? Wie kann es sein, dass eine ganze Branche auf dem Holzweg ist?

Wie gesagt: Das meiste davon ist Marketing. Stecken Sie in den i3 einen modernen Verbrenner…

Und?

…Sie haben das 3-l-Auto! Ich sage Ihnen: Der BMW i3 wäre ein tolles Auto für jeden Verbrennungsmotorentwickler. Der würde alles rausschmeißen, was da drin ist an Batterie, Elektronik und E-Motoren, und einen effizienten Verbrenner einbauen mit dem notwendigen Getriebe. Dann wäre es wahrscheinlich ein 70-g-CO2/km Auto, was einem Verbrauch von unter 3 l auf 100 km entspricht. Das wär der richtige Weg.

Also hat E-Mobilität in Ihren Augen doch etwas Gutes?

(blinzelt irritiert) Und das wäre?

Der Innovationsschub, der davon ausgeht und inzwischen auf die gesamte Branche ausstrahlt: Der Werkstoff Carbon, neue Klebetechniken, Leichtbaukonzepte, usw. Davon kann die Fahrzeugentwicklung als Ganzes doch nur profitieren, oder?

Sicher, der Entwicklungsdruck an sich ist positiv. Aber seien wir ehrlich: Der meiste Druck geht heute vom Gesetzgeber aus – in Form von immer neuen CO2-Vorgaben und der Verteilung – oder oftmals auch: Vergeudung – von Fördergeldern. Und hier hat die Politik meiner Meinung nach eindeutig versagt.

Wieso versagt?

Es ist ganz erstaunlich, dass zunächst einmal die deutsche Bundesregierung das so massiv gesponsert hat und so viel Geld verteilt hat, wie noch nie für eine Antriebstechnik. Allein die EU hat 5 Mrd. € für sogenannte „Green Cars“ gespendet. Bis die ersten kritischen Stimmen aufkamen und die Frau Merkel hergegangen ist und das eigene Umweltministerium gefragt hat. Da sitzen zum Glück ja noch studierte Physiker und andere Leute, die die Physik verstehen. Am Ende gab es große Schlagzeilen in den Zeitungen: „Das Elektroauto ist kein Umweltschützer“. Dabei liegt das doch in der Natur der Sache.

Fassen wir zusammen: Batterieelektrische Antriebe sind teure Totgeburten. Plug-in-Hybride zu kompliziert konstruiert und ökologisch gesehen Augenwischerei. Gibt es eine Alternative zu den gegenwärtigen alternativen Antrieben?

(schmunzelt) Ich weiß keine. Sagen Sie’s mir!

Wasserstoff?

Wasserstoff! Die Idee ist interessant, aber sie wird sich nie durchsetzen. Soll ich Ihnen auch sagen, warum?

Ich bitte darum.

Weil kein normaler Mensch sie bezahlen kann. Außerdem: Der Aufbau eines flächendeckenden Wasserstofftankstellennetzes ist eine Illusion. Auch, weil man Wasserstoff nur so schwer verteilen kann. Das ist ein ganz leichtes, flüssiges Gas. Man wird es nie im ganz großen Maßstab über viele Kilometer hinweg transportieren können. Und die Idee, Wasserstoff vor Ort an der Tankstelle aus Strom zu erzeugen, hat zwar Charme, ist aber natürlich noch unwirtschaftlicher, weil dort die Herstellung mit noch schlechterem Wirkungsgrad behaftet ist, als wenn man das großindustriell macht. Das ist auch nicht das Wahre.

Was also tun?

Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Autos zu verbessern, die in großen Volumina gebaut werden und die, die Leute auch kaufen. Die konstruktivistischen Maßnahmen in diese Richtung sind noch lange nicht ausgeschöpft.

Was heißt das konkret? In Zahlen?

Es ist ja schon Unglaubliches passiert in letzter Zeit. Schauen Sie sich doch nur mal den Anstieg der Literleistungen bei entsprechender Effizienzsteigerung an: Zuletzt hatten wir alle zehn Jahre eine CO2-Reduzierung um rund 11 %, trotz deutlich höherer Fahrzeuggewichte. Hier schlummert noch viel Potenzial: Ich gehe davon aus, dass in den nächsten 45 Jahren ein Rückgang der CO2-Emissionen und des entsprechenden Verbrauchs um weitere 30 % machbar ist.

Woher sollen diese –30 % kommen?

Durch das Zusammenspiel verschiedenster Maßnahmen: Etwa durch weniger Zylinder oder deren zeitweilige Deaktivierung, durch die Verwendung von 48-V-Generatoren anstelle der Lichtmaschine, durch weitere Reduzierung von thermodynamischen Verlusten und anderen. Allen voran aber durch die Turboaufladung. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg.

Also verabschieden wir uns besser nicht vom altvertrauten Motorengeräusch. Und verlassen uns darauf, dass uns dieses so schnell nicht verlassen wird?

Ja, das wird uns begleiten und zwar noch viele, viele Jahre lang. Es wäre nur schön gewesen, wenn wir die vielen Entwicklungsgelder für die E-Mobilität in die noch schnellere Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors gesteckt hätten. Dann hätten wir für die Umwelt viel, viel mehr tun können als mit den paar Elektroautos, die wir heute haben.

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