VDI Publikation 18. Nov 2021 Von VDI Lesezeit: ca. 2 Minuten

Energieflexible Fabriken sind Schlüssel für die Energiewende

Statt die Volatilität erneuerbarer Energien allein durch Speichertechnik und fossile Grundlastkraftwerke abzusichern, könnte die Industrie Strom flexibler abnehmen.

Fabriken der Zukunft könnten ihre Produktion dann hochfahren, wenn etwa aufgrund der Wetterlage viel Energie zur Verfügung steht und bei Windflaute oder bewölktem Himmel ihre Prozesse verlangsamen.
Foto: PantherMedia / malpetr

Deutschland will bis 2045 Klimaneutralität erreichen und die Stromversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umstellen. Das setzt ein Energiesystem voraus, das mit der zunehmenden Volatilität umgehen kann.

Die große Herausforderung liegt in der schwankenden Stromproduktion der regenerativen Erzeugung. Leistung und Energiemengen aus Windturbinen und Solaranlagen fluktuieren, beispielsweise durch kurzfristige Wetterveränderungen oder auch abhängig von der Jahreszeit.

Um dieses Energiesystem im Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch zu halten, müssen die Speicherkapazitäten und das Netz ausgebaut, die verschiedenen Sektoren intelligent gekoppelt und insbesondere Verbraucher flexibler werden, um mit sich verändernden Versorgungslagen zurechtzukommen. So sind energieflexible Fabriken ein wichtiger Schlüssel zum Gelingen der Energiewende.

Dezentrale und erzeugungsorientierte Verbrauchssteuerung

Die höhere Flexibilität auf Verbraucherseite würde einen Umbau ermöglichen, weg von einer zentralen, verbrauchsorientierten Energieerzeugung hin zu einer dezentralen, erzeugungsorientierten Verbrauchssteuerung. So könnten geplante Investitionen in die Stromerzeugungssysteme und die Netz­infrastruktur reduziert werden.

Die Industrie würde sich auf die volatile Versorgungslage einrichten und mehr und mehr dazu übergehen, sich dem Energieangebot flexibel anzupassen. Der bis dato stabile Faktor Energie wird somit zu einer variablen Planungsgröße im flexiblen Produktionsbetrieb. Die Industrie muss sich befähigen, Strom vermehrt dann zu nutzen, wenn er reichlich vorhanden und damit kostengünstig ist, sowie entsprechend weniger abzunehmen, wenn er knapp und teuer gehandelt wird.

Wie das gelingen kann, zeigt die VDI-Publikation „Energieflexibel in die Zukunft – Wie Fabriken zum Gelingen der Energiewende beitragen können“ anhand vieler praktischer Beispiele aus verschiedenen Branchen.

Hier wird ein systematischer Prozess mit sechs Schritten vorgestellt

– Analyse des Flexibilitätspotenzials: zum Beispiel Prüfung der Art der Anlagensteuerung, Prozessrelevanz und zeitlichen Entkopplung auf ihre Eignung für einen energieflexiblen Betrieb

– Konzeption und Planung der priorisierten Maßnahmen im Detail: Datenerhebung zu Lastgängen, Analyse und Messungen individueller Anlagenparameter, um die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Energieflexibilitätsmaßnahmen zu bestimmen.

– Praktische Umsetzung und Implementierung: Der energieflexible Betrieb wird mit Testläufen, Analysen und Sicherheitsüberprüfungen validiert, bevor die Fabrik in den operativen energieflexiblen Betrieb übergehen kann.

– Abstimmung aller Anlagen und Systeme, sodass die (logistischen) Zielgrößen der Produktion eingehalten werden.

– Controlling und Monitoring von Flexibilität, Analyse hinsichtlich Erbringungsgrad und -qualität. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse können im folgenden Schritt der Betriebsoptimierung weitere Verbesserungen im Bereich der Flexibilisierung erreicht werden.

– Dieses theoretisch ermittelte Potenzial kann anschließend in eine weitere Iteration der Konzeption und Planung einfließen und so der energieflexible Betrieb kontinuierlich optimiert werden.

Dieser sechsstufige Prozess dient der Unterstützung der energetischen Flexibilisierung von Industrieprozessen unter technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Gesichtspunkten. Er ist ein kontinuierlicher Prozess der Verbesserung. Neben der erstmaligen Identifikation und Hebung von Flexibilitätspotenzialen sind die schrittweise Erweiterung und ein erneutes Durchlaufen der initialen Potenzialanalyse sinnvoll, um kontinuierliche Verbesserungen zu erreichen.

Die energetische Flexibilisierung ist dabei als eigenständiges und interdisziplinäres Projekt innerhalb eines Industrieunternehmens einzuordnen. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Vermarktung von Flexibilität eröffnen sich für Industrieunternehmen verschiedene Perspektiven, um Kosten zu senken und/oder Vermarktungserlöse durch Energieflexibilität zu maximieren.

Änderungsbedarf bei bestehenden regulatorischen Rahmenbedingungen

Die Vermarktungsmöglichkeiten sowie die Darstellung und Diskussion bestehender Vermarktungshemmnisse zeigen dabei auf, wie Industrieunternehmen unterschiedliche Möglichkeiten bereits heute erfolgreich nutzen können. Gleichzeitig gibt es wesentliche Änderungsbedarfe in den bestehenden regulatorischen Rahmenbedingungen.

Die Use Cases zeigen, auf welchen Wegen und unter welchen Voraussetzungen die Vermarktung von Flexibilität erfolgreich gelingen kann. Die Anwendungsbeispiele stammen aus mittelständischen Unternehmen des Anlagenbaus, aus der energieintensiven Grundstoff- und Metallindustrie, aus der Landtechnik, aus der Lebensmittelindustrie, aus der Prozess- und Petroindustrie, aus der Papierindustrie und aus der Logistik.

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