Gescheiterte Verkehrsprojekte 24. Jun 2021 Von Frederike Wittkopp Lesezeit: ca. 3 Minuten

Transrapid und Co. differenziert betrachten

Faktor Mensch: Der VDI-Fachbeirat Verkehr und Umfeld hat sich den Gründen gescheiterter innovativer Verkehrsprojekte gewidmet.

Die Mobilität von morgen braucht Ideen. Manche Innovationen scheitern allerdings.
Foto: panthermedia.net/F. Salimi

Wenn es um Verkehrsinnovationen geht, gibt es viele Ideen für eine mobile Welt, um Bewegung energieeffizienter, emissionsärmer und sicherer umzusetzten, ohne dass sich eine bestimmte Gruppe Verkehrsteilnehmer einschränken muss oder eingeschränkt fühlt. Es gibt vermeintlich gute Ideen, Güter innerhalb der Stadt effizienter von einem Ort zum anderen zu transportieren, zum Beispiel mittels Güterstraßenbahnen. Auch Konzepte wie der Transrapid, der Cargolifter, die Swissmetro, oder die H-Bahnen gelten als gescheitert. Oder doch nicht?

Wann ist gescheitert eigentlich so richtig gescheitert?

Der Fachbeirat Verkehr und Umfeld des Vereins Deutscher Ingenieure hatte das Ziel, in seiner neuesten Diskussion keine verkehrshistorische Betrachtung in Sachen Scheitern vorzunehmen, sondern zu schauen, welche Lehren aus diesen gescheiterten Verkehrsinnovationen gezogen werden können. Solche Lehren können dann von anderen Akteuren genutzt werden, um zukünftige Projekte, die für eine erfolgreiche Verkehrswende gebraucht werden, besser aufzusetzen.

In die Technik der Magnetschwebebahn wurden große Hoffnungen gesetzt. Sie sollte vor allem Flüge auf den Kurz- und Mittelstrecken überflüssig machen. Die Gründe für das vermeintliche Scheitern des Transrapid sind schnell gefunden: Die Technologie war nicht ins Gesamtsystem integriert, es mangelte an Anknüpfungspunkten zu der bereits bestehenden Infrastruktur. In Städten ist die Einbindung neuer Infrastrukturen schon aus baulicher Perspektive nicht einfach. Fläche müsste für den Bau frei gemacht werden. Aber dennoch ist der Transrapid an sich nicht gescheitert, denn in Schanghai wird er eingesetzt. Die Flächenthematik ist sicherlich auch ein Grund, warum diverse Straßenbahnprojekte in Bürgerentscheiden scheitern. Auch hier muss die Hürde der Neueinführung überwunden und neue Infrastruktur in Bestands­städte integriert werden.

Scheitern in zwei Phasen

Das Gegenargument in diesem Falle ist das 3,0-l-Auto. Die Infrastruktur ist vorhanden. Kaufen – geschweige denn Fahren – wollte das Auto aber kaum jemand.

Für ein besseres Verständnis des Scheiterns teilt der Fachbeirat die Definition vom Scheitern in zwei Phasen auf: den Bau und den Betrieb einer Verkehrsinnovation, wenn man allein die technische Seite betrachtet. Gescheitert wären nach dieser Auffassung die Verkehrsinnovationen, die gar nicht erst in die Realität umgesetzt wurden. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in seinem defizitären Betrieb wäre demnach aber auch gescheitert, nur die wenigsten würden jedoch der Aussage „Der ÖPNV ist gescheitert“ auch zustimmen. Aber auch eine nicht-technische Sichtweise ist beim Scheitern relevant: die Erwartungshaltung verschiedener Parteien.

Losgelöst von den Kosten-Nutzen-Qualitätsaspekten der Infrastrukturinnovationen betrachtet der Fachbeirat auch das, was unterwegs an Problemen auftritt. Viele Ideen und Verkehrsinnovationen scheitern, weil in der systemischen Perspektive das Umfeld nicht mitbedacht worden ist. Zum Beispiel, weil der Faktor Mensch nicht mit einbezogen wurde oder einfach die Rahmenbe­dingungen im Betrieb nicht gestimmt haben.

Neu sind nicht nur Fahrzeuge sondern auch Geschäftsmodelle

Verkehrsinnovationen beinhalten nicht immer neuartige Fahrzeuge, sondern auch Geschäftsmodelle, zum Beispiel die On-Demand-Verkehre. Diese scheitern nicht nur an ihrem Geschäftsmodell, sondern gegebenenfalls auch an mangelnder Nachfrage. Wirtschaftlich sind On-Demand-Verkehre nicht abgebildet, da sie entweder durch Konzerne querfinanziert oder durch den ÖPNV bestellt sind. Denkt man nun die Zukunft weiter, stellt sich heraus, dass On-Demand-Verkehre wirtschaftlich kein eigenes Modell sein, aber als sinnvoller Beitrag im ÖPNV betrachtet werden können und über diesen Ansatz finanziert werden. Wären diese Geschäftsmodelle dann gescheitert? Als privates Modell vielleicht. So wie Ubers Geschäftsmodell an den Regularien in Deutschland gescheitert ist, andererseits Taxen aber akzeptiert und genutzt werden. Führt man dieses Gedankenexperiment weiter, könnten diese Geschäftsmodelle in 20 Jahren mit autonom fahrenden Autos auch wieder privatwirtschaftlich sinnvoll sein. Dieses Experiment zeigt, dass die Schlussfolgerung aus einer Technikfolgenabschätzung, aber auch aus Systemberücksichtigungen wichtig sind, wenn man über die Einführung neuer Verkehrsinnovationen entscheidet.

Expertenumfrage geplant

In Zukunft will der Fachbeirat Verkehr und Umfeld sich mit der Wechselwirkungsebene dieser Infrastrukturinnovationen befassen, mit dem Hinweis darauf, dass Technikfolgenabschätzungen versäumt wurden oder weil die Akzeptanz nicht da war. Als nächsten Schritt plant der Fachbeirat eine Expertenumfrage zu diesem Thema. Die Auswertung, welche innovativen Projekte Verkehrsexperten als gescheitert betrachten, soll noch 2021 erfolgen.

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