Arbeiten in einer Männerdomäne
„Frau Architekt“ in Frankfurt wirft ein Schlaglicht auf den mühsamen Prozess der Emanzipation in der Branche.
Vor mehr als 100 Jahren brachen die ersten Frauen auf, um die Architektur zu erobern. Doch bis heute hat sich an der Vormachtstellung der Männer in diesem Beruf wenig geändert. Für die Kuratoren im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt (DAM) war das Motivation genug, eine Ausstellung nur über Architektinnen zu konzipieren. Während sich bei Ausstellungen um männliches Schaffen alles ums Werk dreht und die Biografie eher beiläufig erwähnt wird, nähert sich bei der Ausstellung „Frau Architekt“ der Besucher über die Biografie der Frauen dem Werk. In 22 historischen Porträts mit Modellen, Entwürfen, Fotos und Arbeitsmaterialien mit dem Fokus auf deutsche Architektinnen wird gezeigt, welche Widerstände Frauen bis heute überwinden müssen, um ihrem Traumberuf nachzugehen.
Frankfurt – nicht nur für Frauen
Frau Architekt. Bis 8. 3. 18, DAM (Deutsches Architekturmuseum), Schaumannkai 43. Di – So 11 Uhr bis 18 Uhr, Mi bis 20 Uhr
Anerkennung zu verwehren – dieses Motiv zieht sich durch viele der Biografien. Entwürfe von Marlene Moeschke-Pölzig wurden in den 1930er-Jahren von ihrem Mann Hans Pölzig als die seinen ausgegeben. Ilse Dullin-Grund, eine der bekanntesten Stadtarchitektinnen der DDR, wurde 1965 zur Einweihung des von ihr gebauten Hauses der Kultur und Bildung in Neubrandenburg nicht eingeladen. Ähnlich erging es Gertrud Schille. Die 1940 Geborene war von 1976 bis 1987 projektleitende Architektin für Carl-Zeiss Jena. Sie entwarf und baute schlüsselfertige Planetarien. Als ihr Meisterwerk gilt das Planetarium in Tripolis von 1979, dessen Modell aber den Namen eines ihrer Kollegen trägt. Wie Schille bei der Vernissage zu dieser Ausstellung erzählte, sei ihr Name darunter freizukratzen.
Die ersten Interessentinnen für den Beruf durften offiziell gar nicht studieren. Sie griffen zu Tricks und beschritten Umwege. Die 1875 geborene Emilie Winkelmann schrieb sich beispielsweise als Gasthörerin an der Technischen Hochschule Hannover ein, kleidete sich wie ein Mann und soll als Student Emil in den Seminaren aufgetreten sein. Winkelmann eröffnete 1907 in Berlin als erste Frau ein eigenes Architekturbüro. Berlin-Charlottenburg, ein Stadtteil, in dem heute noch einige ihrer Wohnhäuser stehen, verweist in seinen Archiven stolz darauf, dass im Architekturbüro Winkelmann zeitweise bis zu 15 technische Zeichner beschäftigt waren. Trotz des Erfolgs behielt sie ihren männlichen Habitus bei und um nicht sofort als Frau identifiziert zu werden, signierte sie nur mit ihren Initialen.
Ihre Zeitgenossin Therese Mogger verließ mit radikaler Entschlossenheit den ihr von der Familie vorgezeichneten Weg. Um 1900 verwendete sie ihr Erbe aus der familieneigenen Brauerei, um wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen. Sie ließ sich scheiden, gab ihre drei Söhne in ein Internat und begann in München als Gasthörerin im Fach Architektur ihr Studium. 1911 ging sie nach Düsseldorf und baute dort den Stadtteil Gerresheim mit auf. Sie realisierte in den 1920er- und 1930er-Jahren Kindertagesstätten, Vereinsheime und Wohnbauten. Mogger war auch so erfolgreich, weil sie neue Vermarktungsstrategien verfolgte: Sie inserierte in den lokalen Zeitungen und bewarb ihren Entwurf für ein Einfamilienhaus für 14 000 Reichsmark. Mogger gelang es 1920 laut den Recherchen des DAM als erster Frau in den Bund Deutscher Architekten aufgenommen zu werden.
Selbst so bekannte Architektinnen wie Margarete Schütte-Lihotzky waren Aushängeschilder für Architekturbüros, die von Männern geführt wurden. Sie ist einem breiten Publikum durch den Urtyp der heutigen Einbauküche, der sogenannten Frankfurter Küche von 1926, bekannt. Schütte-Lihotzky fertigte für ihre Küche akribische Wegestudien an, errechnete je nach Körpergröße individuelle Arbeitshöhen und bedachte alles bis zur fliegenabweisenden Farbe. Als sie ihren Kollegen heiratete, wurde ihr die Anerkennung für diese Arbeit verwehrt. Sie musste das Architekturbüro verlassen. Man wünschte keine Doppelverdiener.
Noch immer sind Frauen in der Architektur weniger bekannt als Männer. Das liege, erklärt Budde, vor allem daran, dass Frauen mehr partizipativ planten und bauten und stärker vom Menschen und der Nutzung her konzipieren würden. Allerdings bestätigt die Ausstellung Ausnahmen von der Regel. Dazu zählt die Stahlbauerin Verena Dietrich, die ab 1982 mit ihrem Architekturbüro in Köln auch Stadienteile und Brücken baute.
Ingeborg Kuhler, die 1990 den Wettbewerb für das Museum Technik und Arbeit mit angeschlossenen SWR-Studio in Mannheim gewann und realisierte, gehört ebenso dazu wie die 1963 geborene Gesine Weinmiller mit ihrem preisgekrönten Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Weinmiller hat ihre eigenen Erfahrungen mit der Rollenverteilung: Als sie sich bei der Preisverleihung als Zweitplatzierte im Wettbewerb zum Umbau des Reichstages mit dem Gewinner Norman Foster unterhielt, habe ein Gast zu Foster gesagt, er freue sich, dass Foster „seine reizende Sekretärin“ mitgebracht habe. cer