Arbeitsmarkt Windkraft: „Am Ende wird es nicht reichen!“
Die Windbranche hat Rückenwind. Zu spüren war er jüngst auf der Leitmesse Windenergy Hamburg. Erwartungsfroh waren alle, zufrieden dagegen so gut wie niemand. Das liegt vor allem an fehlenden Fachleuten. Und an konkurrierenden Branchen.
„Wir brauchen viel mehr Leute“, ruft Joyce von Marschall ins Publikum. Jahrelang hat die Juristin im Auftrag von Großkanzleien der Windbranche zugearbeitet – und dann die Seiten gewechselt. Seit Juni leitet von Marschall für den Energieriesen RWE das Business Development für Offshore-Windprojekte in Deutschland. Mit ihrer Expertise rund um Ausschreibungen und Genehmigungsverfahren soll sie den Essenern helfen, mehr Windräder in die deutsche See zu pflanzen und aus dem aktuellen Offshore-Portfolio mit einer Leistung von 2,4 GW in Europa bis 2030 eines mit 8 GW zu machen. Von Marschall ist eine Quereinsteigerin wie so viele andere auch in der noch immer jungen Branche. Viele haben ihre ersten Sporen in der Automobil-, in der Luft- und Raumfahrt oder in der Öl- und Gasindustrie verdient und ihre Expertise mitgenommen.
Von Marschall sprüht vor Optimismus und mit ihr die gesamte Windindustrie. Fast 77 % der Unternehmen schätzen die aktuelle Marktentwicklung positiv ein, nur 11,5 % sind negativ gestimmt. Noch vor drei Jahren war die allgemeine Attitüde spiegelverkehrt. Damals waren weniger als 4 % der Betriebe erwartungsfroh und über 74 % pessimistisch. Zu diesen Ergebnissen kommt die alljährliche Umfrage der IG Metall Küste unter Betriebsräten der Windindustrie, die zusammen 28 Betriebe und mehr als 25 000 Beschäftigte repräsentieren. Mehr als 50 % der Unternehmen rechnen demnach für die nächsten Monate mit einer steigenden Auftragslage, speziell im Offshore-Bereich. Zentrale Wachstumsbereiche sind Service und Projektmanagement für Windprojekte, aber auch Elektrokomponenten, Fundamente, Turbinen und Generatoren.
Arbeitsmarkt: Nach einem Beschäftigungshoch kam der Beschäftigungsabbau
Nicht ganz so vielversprechend sind die unmittelbaren Wachstumsaussichten für Spezialschiffe, Türme, Wälzlager und insbesondere Rotorblätter. So schloss der Hamburger Windmühlenbauer Nordex Mitte des Jahres sein Rotorblattwerk in Rostock. Damit ist nun auch das letzte Werk für die Fertigung von Rotorblättern in Deutschland dicht, die Produktion wird nach Indien verlagert.
Frauenpower für die weltweite Energiewende
Ein Jobmotor war die notorisch margenschwache Windenergiebranche in den vergangenen Jahren nicht – ganz im Gegenteil. Nach Angaben des Bundesverbands Windenergie (BWE) wuchs die Zahl der Beschäftigten in der Windindustrie zwar von 46 000 im Jahr 2002 auf 160 200 im Jahr 2016, um dann aber innerhalb von zwei Jahren wieder auf 121 700 Beschäftigte einzubrechen. Auch danach ging der Jobabbau in vielen Betrieben weiter. Speziell in der Produktion fallen Stellen weg. Insgesamt stieg die Zahl grüner Vollzeitarbeitsplätze mit Umweltschutzbezug nach Angaben des Statistischen Bundesamts von 2019 auf 2020 um 6000 und damit um 2 % auf 311 000. Ein Fünftel davon ist im Maschinenbau tätig. Doch speziell hier war der Trend zuletzt rückläufig, im Maschinenbau sank die Zahl grüner Arbeitsplätze in einem Jahr um 9500 und damit um über 12 %.
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