Der Standort Deutschland hat für hoch qualifizierte Fachkräfte, Unternehmer und Start-ups an Attraktivität verloren
Während Fachkräfte aus dem Ausland über schlechte Passung von Kompetenzprofilen an Jobprofile sowie schleppende Digitalisierung und hohe bürokratische Hürden hierzulande klagen, sind Studierende aus dem Ausland von den hiesigen Hochschulen begeistert.
Deutschland gehört nicht zu den zehn OECD-Staaten mit den attraktivsten Rahmenbedingungen für hoch qualifizierte Fachkräfte, Unternehmerinnen und Start-up-Gründer aus dem Ausland. Das gilt allerdings nicht für Studierende, die im Land im internationalen Vergleich beste Möglichkeiten finden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der OECD, die mit Unterstützung der Bertelsmann Stiftung erstellt wurde.
Die Studie „OECD Indicators of Talent Attractiveness“ analysiert für alle 38 OECD-Länder die Rahmenbedingungen, die für qualifizierte Migrantinnen und Migranten attraktiv sind. Diese beziehen sich auf sieben Dimensionen: Qualität der beruflichen Chancen, Einkommen und Steuern, Zukunftsaussichten, Möglichkeiten für Familienmitglieder, das Kompetenzumfeld sowie Diversität und Lebensqualität. Mögliche Hürden bei der Visaerteilung werden auch berücksichtigt.
Arbeit: Andere Länder haben beim Wettbewerb um Talente aufgeholt
„Der internationale Vergleich zeigt deutlich, was Deutschland tun muss, um die für unser Land so wichtige Fachkräftemigration noch besser zu gestalten“, sagt Ralph Heck, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung.
Blockchain sichert Zeugnisse, KI sucht geeignete Talente
Bei hoch qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland ist Deutschland in den vergangenen drei Jahren in der Beliebtheit vom zwölften Platz 2019 auf den 15. Platz zurückgefallen. Die OECD-Staaten Neuseeland, Schweden, Schweiz, Australien und Norwegen sind am attraktivsten. Die Bedingungen in Deutschland haben sich zwar gegenüber 2019 nicht verschlechtert, aber andere Länder haben stark aufgeholt.
Verbessern sollten sich in der Bundesrepublik laut Studie die Chancen ausländischer Akademikerinnen und Akademiker, hoch qualifizierte Jobs entsprechend ihrer Kompetenzprofile zu besetzen, die zögerliche Einbürgerungspraxis und die schleppende Digitalisierung.
Bei Unternehmerinnen und Unternehmern aus dem Ausland sind Schweden, die Schweiz, Kanada, Norwegen und Neuseeland an der Spitze. Deutschland fällt im internationalen Wettbewerb zurück und belegt gegenüber dem sechsten Platz im Jahr 2019 jetzt nur noch den 13. Platz. Auch hier spielt die schleppende Digitalisierung eine Rolle. Außerdem fordert Deutschland anders als besser platzierte Länder weiter ein Mindestkapital und die gesellschaftliche Akzeptanz von Migrantinnen und Migranten ist geringer ausgeprägt.
Die Rahmenbedingungen für Start-up-Gründerinnen und -Gründer wurden 2023 zum ersten Mal untersucht. Die attraktivsten Länder sind Kanada, USA, Frankreich, Großbritannien und Irland. Deutschland bleibt zurück und belegt auch in dieser Kategorie nur den zwölften Platz. Die Gründe: geringere berufliche Chancen, vergleichsweise wenige Erfinderinnen und Erfinder sowie fehlende maßgeschneiderte Visa, um unternehmerische Toptalente für ein durchaus attraktives Start-up-Ökosystem zu gewinnen.
Für Studierende aus dem Ausland ist die Bundesrepublik hinter den USA zweitattraktivstes Land
Generell schneidet Deutschland bei der Digitalisierung der Visaverfahren nicht gut ab, was die Attraktivität mindert. Außerdem erhält es einen Punkteabzug wegen abgelehnter Visaanträge von hoch qualifizierten Fachkräften.
Besonders attraktiv ist Deutschland hingegen für internationale Studierende. Hier ist die Bundesrepublik hinter den USA auf Platz zwei vor Großbritannien, Norwegen und Australien im internationalen Wettbewerb um Talente herausragend platziert. 2019 lag Deutschland in dieser Kategorie auf dem dritten Platz. Die Bundesrepublik kann mit exzellenten Universitäten, geringeren Kosten für das Studium und guten Arbeits- und Bleibemöglichkeiten während und nach dem Studium punkten.
Fachkräfte aus dem Ausland sind nicht die erste Wahl
„Deutschland ist mittlerweile ein offenes und attraktives Land für qualifizierte Einwanderung“, so Ulrich Kober, Migrationsexperte der Bertelsmann Stiftung. „Aber bei Visaerteilung, Digitalisierung, Einbürgerung oder im Umgang mit Vielfalt besteht Handlungsbedarf, wie der vergleichsweise geringe Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten und die Zurückhaltung der Unternehmen bei der Anwerbung im Ausland zeigen.“