Software erobert das Automobil
Das Auto mutiert vom Fahrzeug zum Lebensraum. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Internet. Automobilhersteller suchen deshalb Mitarbeiter mit Softwarekompetenz. Neben Ingenieuren haben auch Mathematiker und Physiker gute Chancen.
Der ständige Informationsaustausch zwischen Fahrzeug, Passagieren und Außenwelt wird das Autofahren in naher Zukunft deutlich verändern. Die Verbindung mit dem Internet eröffnet neue Dimensionen des Info- und Entertainments: Im Stau kann ein Fahrzeug beispielsweise als „Automobil-Lounge“ oder Büro genutzt werden. Auch das automatisierte Fahren ist keine Science Fiction mehr und wird schrittweise als Fortführung der Fahrer-Assistenzsysteme Wirklichkeit.
Aus Sicht von Alfons Pfaller, Leiter der Entwicklung Infotainment bei Audi, bietet die Automobilindustrie wie keine andere Branche eine große Bandbreite an Aufgaben auf dem Gebiet der Softwaretechnik. Anfangs diente Software vor allem dazu, mechatronische Elemente im Fahrzeug anzusteuern oder das Radio laufen zu lassen. „Heute bilden leistungsfähige Multiprozessorsysteme mit System-on-Chip-Technologien die Basis für viele Innovationen“, sagt Pfaller. Software, so der Audi-Entwicklungsleiter, ist „mittlerweile absolute Kernkompetenz für Automobilhersteller“.
Robert Bosch, einer der großen Zulieferer für Fahrzeughersteller, will in diesem Jahr weltweit 12 000 Akademiker einstellen, davon 1200 in Deutschland. Besonders gesucht werden Ingenieure mit Know-how in der Softwaretechnik. „Mittlerweile ist fast jedes System, das wir im Auto haben, elektronisch gesteuert, der Motor schon sehr lange, die Bremsregelung, die Lenkung kommen jetzt dazu und auch die Infotainment-Systeme sowie die Vernetzung des Autos mit dem Internet“, berichtet Stephan Kraus, Sprecher Mobility Solutions bei Robert Bosch.
Das Verschmelzen der Smartphone-Tablet-Welt mit der automobilen Welt erfordert jedoch Fertigkeiten, die auch in anderen Branchen genauso stark nachgefragt werden. „Jemanden zu finden, der sich beispielsweise im Bereich Video im Auto gut auskennt, ist im Moment nicht so einfach“, konstatiert Stephan Kraus.
Die Zahl der Steuergeräte im Auto ist ständig gewachsen. Jetzt ist die Industrie bestrebt, diese Geräte ihren jeweiligen Aufgaben entsprechend zusammenzufassen, etwa Antriebs- oder Bremsregelung. Das sei eine Herausforderung für die Software, denn diese Verschlankung reduziere ja nicht die Vielfalt der zu steuernden Aufgaben. Die Steuergeräte selbst seien immer stärker untereinander vernetzt. Folgerichtig nehme auch die Komplexität des Fahrzeugnetzwerkes und der Softwaresysteme zu, erläutert Andreas Kirschbaum von Continental, Geschäftsbereich Vehicle Dynamics.
Software soll das Fahren bequemer machen, aber auch für Sicherheit sorgen. „Viele Funktionen während des Fahrbetriebs müssen so sicher umgesetzt sein, dass sie in allen kritischen Situationen auch das tun, was sie tun sollen“, sagt Axel Barkow, Bereichsleiter Elektrik/Elektronik am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen. Hinzu kommt die Datensicherheit. „Das Thema Security im Sinne von Datensicherheit wird die Automobilindustrie in den nächsten Jahren sehr beschäftigten. Unter anderem deshalb wird es einen verstärkten Bedarf an gut ausgebildeten Ingenieuren geben.“
Auch Quereinsteiger sind gefragt, wenn es um die Konstruktion und Entwicklung vernetzter Automobile geht. Wie beispielsweise Audi-Entwicklungsleiter Pfaller, der wie viele seiner Kollegen aus der Halbleiterindustrie oder aus der Telekommunikationsindustrie kommt. Mathematiker und Physiker finden ebenfalls ihren Platz, wenn sie Software-Kompetenz mitbringen.
Bei Continental beschäftigen sich derzeit rund 11 000 Mitarbeiter mit Software, darunter Elektrotechnik- und Maschinenbauingenieure mit Kompetenzen in der Mechatronik oder Regelungstechniker. „Der entscheidende Wertschöpfungsanteil im Fahrzeug wird in Zukunft von der Software abhängen. Ich kann junge Leute nur ermutigen, in diesen hoch spannenden Bereich zu gehen, auch wenn es eine sehr stressige Branche mit großem Termindruck ist“, konstatiert Andreas Kirschbaum.