Studie: Nachfrage nach Ingenieuren und IT-Fachleuten schrumpft
Die Personalberatung Hays verzeichnet einen deutlichen Rückgang der Stellengesuche.
Die deutsche Wirtschaft fährt ihre Fachkräftenachfrage zurück. Das geht aus dem Fachkräfte-Index der Personalberatung Hays hervor. Die starke Zurückhaltung bei Investitionen ist der wesentliche Grund dafür. Nachdem die Zahl der zu besetzenden Neupositionen im ersten Quartal 2023 noch einen deutlichen Schub erfahren hatte, gab es im zweiten Jahresviertel einen Nachfragerückgang. Dieser Negativtrend setzt sich nun auch im dritten Quartal 2023 fort. Der Hays-Fachkräfte-Index rutscht um 19 Prozentpunkte nach unten und liegt nun mit 109 % auf dem niedrigsten Wert bei der Fachkräftenachfrage seit Ende 2021.
Schwächelnde Weltwirtschaft verhindert Erholung der Industriekonjunktur
Besonders stark fällt der Rückgang bei Managern für Employer Branding (–98 PP auf 285 %), für HR (–57 PP auf 154 %) sowie bei den Recruitern (–55 PP auf 291 %) aus. Gleichzeitig verrät der Blick auf die Prozentwerte, dass bei diesen Berufsgruppen in den letzten beiden Jahren eine enorme Steigerung in der Nachfrage verzeichnet wurde. Recruiter-Stellen lagen beispielsweise bei 617 %. Die aktuellen Werte bewegen sich trotz des deutlichen Rückgangs also immer noch auf einem hohen Nachfrageniveau. „Zum einen zeigt der Index, dass sich Unternehmen aufgrund der negativen Vorzeichen der Wirtschaft mit ihren Neueinstellungen generell zurückhalten. Zum anderen fokussieren sich insbesondere kapitalmarktorientierte Unternehmen im dritten Quartal auf die Sicherung der Geschäftsergebnisse. Die Mitarbeitergewinnung ist nachgelagert, Mitarbeiterbindung steht im Fokus“, so Florian Wagner, Department Manager HR Interim & Projects. „Auf Kandidatenseite sehen wir aktuell zwar eine konstant hohe Wechselbereitschaft, aber eine defensive Bewerbungspraxis. Sie sind aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage vorsichtig beim tatsächlichen Arbeitgeberwechsel.“
Abwärtstrend ist auch bei Life Science zu beobachten – Ausnahme Data-Scientists
Bei den äußerst begehrten IT-Experten, dem zahlenmäßigen Spitzenreiter des Fachkräfte-Index, markiert das dritte Quartal 2023 eine Zäsur. Mit 126 % beziehungsweise knapp 96 000 ausgeschriebenen Stellen und einem positionsübergreifenden Rückgang von –22 Prozentpunkten unterschreitet die Nachfrage das erste Mal seit über zwei Jahren die Grenze von 100 000 gesuchten Positionen. Niedrigere Werte wurden zuletzt vor gut zwei Jahren verzeichnet, als die Pandemie noch starke Auswirkungen auf die Nachfrage hatte. Wie bereits im Vorquartal verzeichnen die IT-Security-Spezialisten (–89 PP), die Datenbankentwickler (–43 PP) und die IT-Architekten (–29 PP) deutliche Einbrüche. Die zuvor wieder verstärkt gesuchte Berufsgruppe der IT-Administratoren rangiert hingegen im aktuellen Betrachtungszeitraum mit –48 Prozentpunkten auf Platz zwei der stärksten Verluste.
Ein kontinuierlicher Abwärtstrend in der Rekrutierung ist auch im Bereich Life Science zu beobachten. Allerdings lassen sich bei genauerer Betrachtung der Positionen auch auffällige Ausreißer nach oben erkennen. So ist die Zahl der Stellengesuche nach Data-Scientists um ganze 113 Prozentpunkte auf 918 % gestiegen.
Nach den Höchstwerten der vergangenen Quartale vermeldet die Berufsgruppe der Finanzer in Q3 ebenfalls eine sinkende Nachfrage um –18 Prozentpunkte. Der Vergleich mit dem Vorjahresquartal unterstreicht aber das nach wie vor hohe Suchvolumen (Q3/2023: 118 P; Q3/2022: 102 P).
Welche Soft Skills in der Dauerkrise auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind
Bei Ingenieuren und Ingenieurinnen schrumpft die Nachfrage um –18 Prozentpunkte auf 90 %, der niedrigste Wert seit knapp zwei Jahren, und betrifft nahezu alle Positionen. Während die zahlenmäßig stark vertretenen Verfahrens-/Prozessingenieure im Vorquartal noch Zuwächse verzeichneten, weist diese Berufsgruppe nun mit einem Minus von 39 Prozentpunkten auf 104 % sogar den zweitstärksten Rückgang an Stellengesuchen aus. Übertroffen wird dieser Negativwert nur noch von der wiederholt deutlich sinkenden Nachfrage nach Chemieingenieuren (–55 PP). Bei den anteilig ebenfalls stark gesuchten Bauingenieuren und -ingenieurinnen lässt sich der enorme Einbruch der Baubranche nun deutlich an den Zahlen ablesen. Mit etwas über 9500 absolut ausgeschriebenen Stellen fällt die Nachfrage für diese Positionen um –15 Prozentpunkte auf den niedrigsten Wert seit Anfang 2021.
Sinkende Nachfrage über alle Industrien hinweg
„Der Nachfragerückgang bei Ingenieuren ist maßgeblich auf die große Zurückhaltung bei neuen Investitionen zurückzuführen. Wir haben es aktuell – unter anderem auch aufgrund der heimischen Automobilindustrie – mit einer sinkenden Industrieproduktion zu tun. Das schlägt sich temporär auf die Ausschreibungspraxis nieder“, sagt René Gruner, Bereichsleiter Digital Technology and Engineering bei Hays.
Auch der Blick auf die verschiedenen Branchen zeichnet ein deutliches Bild: Über alle untersuchten Industrien hinweg weist der Index sinkende Nachfragewerte aus. Überdurchschnittlich abgenommen haben die Stellengesuche im Baugewerbe (–38 PP) und in der IT-Branche (–26 PP). Die Finanz- und Versicherungsdienstleister verzeichnen hingegen den geringsten Rückgang im Suchvolumen (–3 PP). Trotz Verlusten rangieren die Öffentliche Verwaltung mit 291 % und die Baubranche mit 169 % immer noch deutlich über dem durchschnittlichen Nachfrageniveau.
„Viele Firmen richten ihren Blick auf die Weiterqualifizierung ihrer internen Belegschaft. Um den Fachkräftemangel zumindest abzumildern, ist allerdings beides wichtig: Neue Bewerberpotenziale heben – zum Beispiel durch Rekrutierung aus dem Ausland – sowie interne Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung“, resümiert Alexander Heise, Hays CEO Deutschland und CEMEA.