VDI-WoMentorING-Programm bringt Ingenieurinnen zusammen
Im VDI-WoMentorING-Programm nutzen junge Ingenieurinnen die Erfahrungen und das Wissen älterer Ingenieurinnen, um ihre Karriere weiterzuentwickeln und beruflich durchzustarten.
„Erfolg gelingt nicht allein.“ Diplom-Ingenieurin und Diplom-Umweltwissenschaftlerin Sabine Becker umschreibt mit diesen knappen Worten ein wesentliches Motiv, warum sie sich in ihrer Freizeit als Mentorin bei VDI-WoMentorING einbringt. Das Personalentwicklungsprogramm bringt zwei Frauen zusammen, die sich anfangs nicht kennen, aber sich dazu entschließen, ein Jahr lang zusammenzuarbeiten.
Damit schlüpft Sabine Becker wie 20 andere Mentorinnen im Programm auch in die Rolle einer Förderin und Begleiterin. Die Berufsschullehrerin an der Berufsbildenden Schule Neustadt an der Weinstraße ist als Teamleiterin verantwortlich für die Landesfachklassen Packmitteltechnologe sowie Maschinen- und Anlagenführer „Papier- und Druckweiterverarbeitung“. Als Mint-Botschafterin vertritt sie außerdem den VDI-Landesverband Rheinland-Pfalz am runden Tisch „Mint“ des Bildungsministeriums.
„Das Inhaltliche und Persönliche müssen funktionieren. Beide Parts sind herausgefordert, sich aufeinander einzuspielen.“ Projektleiterin Melanie Zimmermann, Produktmanagerin bei Bentley InnoMed GmbH und Initiatorin des Programms
Beim VDI-WoMentorING wird im geschützten Raum über berufliche Herausforderungen gesprochen
Die Professorin mit dem Innovations-Gen
Die Zusammenarbeit im Tandem muss zum Auftakt nach dem erfolgten Matching erst einmal organisiert werden. Sabine Becker und ihr Mentee haben am Anfang Schwerpunkte und Ziele ihres Austauschs gemeinsam festgelegt, ein Schritt, den die Tandems in der Regel alle gehen. Sie besprechen sich in regelmäßigen Videocalls und reflektieren zum Beispiel aktuelle Herausforderungen am Arbeitsplatz, berufliche Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten. Sich beruflich und persönlich weiter zu entwickeln, ist ein gemeinsames Ziel.
Über die Herausforderungen ihres Mentees am Arbeitsplatz schweigt sich Sabine Becker verständlicherweise aus. Ein Tandem arbeitet in einem geschützten Raum. Doch bei den beruflichen Zielen nennt sie beispielhaft Fragen, um die es geht: Wie kann ich als Jungingenieurin herausfinden, welche Talente in mir schlummern? Oder: Was kann ich tun, wenn meine Leistungen vorhanden sind, doch im Unternehmen niemand davon Notiz zu nehmen scheint?
Erfolgreiches Matching ist das A und O eines Mentoring-Programms
Weil sich in der Tandemzusammenarbeit zwei Fremde mit verschiedenen Charakteren erst einmal annähern müssen, liegt für Becker die große Herausforderung darin, „gegenseitiges Vertrauen zu schaffen“. Sie betont: „Wenn Vertrauen da ist, gelingen Lern- , Entwicklungs- und Veränderungsprozesse wesentlich besser.“ Projektleiterin Melanie Zimmermann, Produktmanagerin bei Bentley InnoMed GmbH und Initiatorin des Programms, ist seit März 2020 Vorstandsmitglied im VDI-Netzwerk Frauen im Ingenieurberuf. Sie zieht nach etwas mehr als einem Quartal ein rundum positives Resümee, was das Matching betrifft. „Mentorinnen und Mentees sind sehr zufrieden. Das ist sehr wichtig und freut mich außerordentlich.“ Das Projektteam rund um Zimmermann, zu dem auch Mitarbeiterinnen aus der VDI-Hauptgeschäftsstelle zählen, hat sehr viel Zeit dafür aufgewendet, um passende Matchings zu identifizieren. Erfolgreiches Matching sei das A und O eines Mentoring-Programms: „Das Inhaltliche und Persönliche müssen funktionieren. Beide Parts sind herausgefordert, sich aufeinander einzuspielen.“
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Entfernungen spielen keine Rolle mehr bei der Zusammensetzung der Teams
Das Zusammenführen gelingt anhand von Profilbögen im Rahmen der Bewerbung, in denen Leitfragen gestellt werden. Außerdem hat das Motivationsschreiben der Mentees einen hohen Stellenwert für die Zusammenstellung der Zweiergruppen. In diesem Profilbogen wird unter anderem gefragt, in welcher Branche diejenige arbeitet und welche Wünsche und Ziele mit dem Mentoring verfolgt werden. Corona hat die komplette Onlineabwicklung des VDI-WoMentorING sicher begünstigt.
Ein Vorteil der rein digitalen Umsetzung lag darin, dass für das Mentoring ein bundesweiter Radius gezogen werden konnte. Entfernungen spielten keine Rolle und wurden beim Matching auch nicht berücksichtigt. „Und es gab dadurch eine flexiblere Gestaltung“, so Zimmermann. Was es bedeutet, nur online zu agieren, beschreibt Mentee Carolin Sigrist, die in der Automobilbranche als Entwicklungsingenieurin im Testmanagement elektrisch angetriebener Fahrzeuge arbeitet, so: „Eine große Herausforderung liegt sicher im Abbau der Anonymität zwischen Moderatorinnen, Mentees und Mentorinnen. Es gilt einen Raum zu schaffen, in dem über persönliche Ziele und individuelle Erfahrungen gesprochen werden kann. Dazu muss zwischen den Teilnehmerinnen natürlich zunächst Vertrauen aufgebaut werden. Den informellen Austausch, das Networking beim Kaffee oder Mittagessen digital zu ersetzen, stellt natürlich ebenfalls eine Herausforderung dar.“
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Es geht um persönliche Ziele, aber auch um Feedback
Carolin Sigrist berichtet davon, dass sie und ihre Mentorin sehr schnell Vertrauen gefasst haben. „Wir konnten so von Beginn an inhaltlich sehr tiefgründige Gespräche führen und offen über das Vorgehen in unserer Zusammenarbeit sprechen.“ In ihren Sitzungen geht es um ein sehr breites Themenspektrum. „Wir sprechen zum Beispiel über meine persönlichen Ziele. Aber auch über unsere Erfahrungen aus unserem Berufsalltag. Es ist sehr wertvoll von den Erfahrungen meiner Mentorin zu lernen, zumal es doch die einen oder anderen Parallelen gibt, wenn man als Ingenieurin im Mint-Bereich arbeitet.“
Nach der Phase des Kennenlernens sind viele Aspekte für eine erfolgreiche Zusammenarbeit entscheidend. Dazu zählt eine strukturierte Zeitplanung, ein Themenkatalog, der sich unter anderem mit Kompetenzen und Schwächen befasst. „Es gibt viele Themen zur Selbstreflexion“, berichtet Melanie Zimmermann. „Wo stehe ich jetzt, wo möchte ich in zehn Jahren stehen, was sind meine Werte, und wie kann ich diese Werte in meine Ziele integrieren?“, das seien beispielhafte Fragen, auf die Antworten gegeben würden. Die Zusammenarbeit basiere auf Regeln, auf die sich die beiden Beteiligten einigen müssten. Feedback zähle zu den wichtigsten Methoden, hierzu gehöre sowohl das „Feedback geben als auch das Feedback nehmen“. Mentee und Mentorin halten für ihre einjährige Zusammenarbeit spezielle Vereinbarungen schriftlich fest. Das erzeugt eine besondere Verbindlichkeit. Workshops und Events finden für alle in einem individuell aufgesetzten Rahmenprogramm statt, zu dem auch ein Kick Off, ein Bergfest und eine Abschlussveranstaltung zählen.
„Der VDI hat nun einen Leuchtturm für die Gleichstellung von Ingenieurinnen. Aufgrund des positiven Echos erhoffen wir uns, dass das Pilotprogramm mit den vielen Erfahrungen, die nun gesammelt werden, im VDI verstetigt wird.“ Burghilde Wieneke-Tautaoui, Bundesvorsitzende des Netzwerks Frauen im Ingenieurberuf (fib)
Bis die Tandems starten konnten, verging mehr als ein Jahr intensiver Vorarbeit. In dieser Phase fand auch eine Vorfeldevaluierung statt. Das Programmvorhaben wurde mit einer kleinen Gruppe von Ingenieurinnen, die der Zielgruppe entsprachen, getestet. Das Feedback mit dieser Testgruppe war laut Zimmermann überragend. Die Programminitiatorin konnte davon ausgehen, dass mit dem Angebot eine Lücke geschlossen würde. Ursprünglich waren maximal 15 Tandems angedacht. Jetzt arbeiten 21.
Auch die Mentorinnen bewerten das Programm positiv und „nehmen etwas mit“
Vor allem die positiven Mentorinnenbewerbungen hatte Zimmermann so nicht erwartet. „Die Frauen investieren ihre persönliche Zeit und nehmen natürlich auch etwas für sich dabei mit.“ Ihnen wurde ein Methoden-Werkzeugkasten angeboten, erworben bei einem bereits existierenden Mentoringprogramm. Die richtige Zielgruppe angesprochen zu haben, nämlich junge berufstätige Ingenieurinnen mit maximal sechs Berufsjahren, und der geringe Kostenaufwand in Höhe von 150 € waren sicher mit ausschlaggebend für den großen Zuspruch. Für eine Bewerbung wurde lediglich die Mitgliedschaft der Mentees im VDI vorausgesetzt.
Mentorin Sabine Becker und Mentee Carolin Sigrist, beide in verschiedenen Tandems tätig, äußern sich schon jetzt sehr positiv. Sigrist hält fest: „Das VDI-WoMentorING-Programm hat meine Erwartungen bisher definitiv erfüllt. Das Rahmenprogramm hat den Einstieg ins VDI-WoMentorING erleichtert und bereichert. Neben dem regelmäßigen Austausch mit meiner Mentorin, treffen wir uns auch in kleinen Mentee-Gruppen. Es macht sehr viel Spaß, so viele Ingenieurinnen und deren Zukunftsvisionen kennen zu lernen. Gleichzeitig ist es spannend zu sehen, wie unterschiedlich zum Teil die Herausforderungen sind, vor denen die anderen Mentees stehen.“ Und Mentorin Sabine Becker beschreibt, was sie hinzugewinnt: „Wir lernen von einander durch kommunikativen und interaktiven Austausch, das heißt, eigenes Tun wird berichtet, eigene Erfahrungen werden beschrieben und Dinge hinterfragt und reflektiert.“
WoMentorING hat im Kanon der Aktivitäten einen hohen Stellenwert
Im Kanon aller Aktivitäten des VDI-Netzwerks „Frauen im Ingenieurberuf“ habe das WoMentorING eine große Bedeutung, sagt die Bundesvorsitzende des Netzwerks, Burghilde Wieneke-Tautaoui. „Mit dem Programm können wir viele unserer Ziele verwirklichen. Beispielsweise verbinden wir erfahrene und junge Ingenieurinnen, die von einander lernen. Wir erhöhen die Identifikation vor allem der jungen Kolleginnen mit ihrem Ingenieurberuf. Der hohe ehrenamtliche Anteil bei der Vorbereitung und der Durchführung des Programms verbindet die Aktiven im Netzwerk. Der VDI hat nun einen Leuchtturm für die Gleichstellung von Ingenieurinnen. Aufgrund des positiven Echos erhoffen wir uns, dass das Pilotprogramm mit den vielen Erfahrungen, die nun gesammelt werden, im VDI verstetigt wird.“