SELBSTPORTRÄT 14. Nov 2014 Peter Ilg Lesezeit: ca. 3 Minuten

„In der Neurotechnologie kann man noch richtig Neuland entdecken“

Konsequent verfolgt Manfred Franke das Ziel, ein Experte für Neurotechnologie zu werden. Als Student der Elektrotechnik hat er sich auf diese Disziplin spezialisiert, in seiner Doktorarbeit in den USA erst recht. Seit Frühjahr arbeitet er in einem Start-up in San Francisco, das mithilfe von Neurostimulation Tränendrüsen wieder funktionsfähig machen will. In einigen Jahren würde er gerne die Brücke zwischen der deutschen und US-Forschung bauen. Hier berichtet er über seine Karriere und Pläne.

Manfred Franke nimmt sich trotz der vielen Arbeit auch mal Zeit für sein Hobby.
Foto: privat

Ich heiße Manfred Franke, bin 32 Jahre und seit Teenagertagen von den technischen Möglichkeiten fasziniert, Menschen mit scheinbar unheilbaren Krankheiten durch elektrische Schnittstellen als Heilungsansatz zu helfen. In meinem Studium der Elektrotechnik an der TU Dresden habe ich mich zunächst in Richtung Feinwerk- und Mikrotechnik spezialisiert, dann in Biomedizintechnik und schließlich in Neuro-Fein-und-Mikrotechnik am Institut für Mikrosystemtechnik an der Uni in Freiburg. Gegen Ende meines Studiums schwankte ich zwischen einem Job in der Industrie oder einer Promotion in meinem Interessensgebiet, den Neuro-Ingenieurwissenschaften. Am Ende lief es auf eine Promotion hinaus.

Ich informierte mich an deutschen Universitäten, die Doktorarbeiten in dieser Disziplin anbieten und reiste mit dem gleichen Ziel in die USA, um vergleichen zu können. Danach war klar, dass ich in Amerika eine stärkere Vertiefung bekommen, zudem am elektrischen Neuro-Block forschen könnte. Dieser ermöglicht zusammen mit der elektrischen Neuro-Stimulation die Regulierung von Nervenaktivitäten und bietet so eine elektrische Ansteuerung von Organen und Organsystemen. Ein verwandtes Beispiel ist der Herzschrittmacher, der seinerseits Muskelzellen im Herz elektrisch aktiviert, die dann das Blut im Körper pumpen. Auf ähnliche Weise kann man Querschnittsgelähmten, Blinden oder Tauben mithilfe von Elektrostimulation und Neuro-Block einen guten Teil der verlorenen Organfunkunktionen wiedergeben. Neuro-Stimulation und Neuro-Block sind elektrische Methoden, die oftmals dasselbe erreichen können wie Medikamente, aber ohne oder mit stark verringerten Nebenwirkungen.

In den Neuro-Wissenschaften kann man als junger Ingenieur oder Wissenschaftler einerseits noch richtig Neuland entdecken, andererseits dieses relativ schnell zum Wohl von Patienten anwenden. Das ist auch die Herangehensweise, die an der Case Western Reserve University in der Neurotechnologie gepredigt wird: bei allen akademischen Ideen das Ziel nicht aus den Augen verlieren, möglichst vielen Patienten einen verlässlichen Heilungsansatz zu bieten, der einmal implantiert wird und von da an funktioniert. Ich hätte an bekannte Küsten-Unis wie Stanford gehen können, habe mich aber für die weniger bekannte Case Western entschieden, weil sie ein besseres Programm für meine Promotion angeboten hat. Die Case Western ist in Cleveland, im US-Bundesstaat Ohio. Meine Promotion dauerte viereinhalb Jahre. In den ersten drei Jahren habe ich parallel Vorlesungen besucht – als Elektrotechniker hatte ich einiges in Anatomie und Physiologie zu lernen. Zwei Jahre bekam ich eine umfassende Chirurgie-Ausbildung am OP-Tisch und parallel experimentierte ich am Neuro-Block.

Die Unis in den USA sind darauf getrimmt, Abschlüsse zu produzieren. Das merkt man vielen Bachelor-Absolventen an, die auf dem Papier viel können, aber wenig Erfahrung im selbstständigen Entwickeln einer Idee haben und nicht wissen, wie man eine Idee in ein Experiment oder ein Produkt umwandelt. Genau das ist die Stärke der deutschen Universitäten, weil dort Grundlagen gelehrt werden und zudem die Fähigkeit zu selbstständigem Arbeiten vermittelt wird.

Die amerikanischen Unis aber gehen in der Promotion einen großen Schritt weiter: Sie vermitteln einem Spezialisten, beispielsweise Chemiker, Mediziner, Elektroingenieur, die Fähigkeiten aus einem komplett anderen Gebiet. So kann er über den Tellerrand schauen und versteht den Kollegen auf der anderen Seite des Tisches. So entstehen interdisziplinäre Teams die eine gemeinsame Sprache sprechen.

In meiner Promotion habe ich mich mit zwei unterschiedlichen elektrischen Methoden beschäftigt, die die Kommunikation im Nervensystem für gewisse Zeit unterbrechen, oder diese sehr fein und kontrolliert steuern können, ohne dem Nerven dabei Schaden zuzufügen. Als Resultat vieler Krankheiten oder durch Unfälle kommt es zu Unter- oder Überfunktionen von Nervenaktivitäten, die dann zu fehlerhaften Organfunktionen führen können. Mit einem elektrischen Block kann man dem Patienten helfen, indem die neurale Aktivität wieder feingesteuert und ausbalanciert wird. Meine Promotion habe ich im Frühjahr 2014 abgeschlossen und arbeite seitdem als Wissenschaftler in einem Start-up in San Francisco, das mithilfe von Neurostimulation Patienten mit Dry Eye Syndrom hilft, die Tränendrüsen wieder funktionsfähig zu machen.

Seit fünf Jahren lebe und forsche ich nun in den USA. Deutschland und die USA bieten vergleichbare Lebens- und Arbeitsbedingungen. Man hat mehr Freizeit in Deutschland, in den USA sind die Forschungsbedingungen in meinem Fachgebiet besser, weil mehr Geld zur Verfügung steht und das Denken offener ist. Meine Hoffnung ist es, hier drei bis fünf Jahre Arbeitserfahrung zu sammeln und dann in Deutschland Forschung und Entwicklung in der Neurotechnologie voranzutreiben. Ich hoffe dabei, die Brückenfunktion zwischen der deutschen und der US-Forschung in meiner Disziplin bieten zu können. Seit einem Monat bin ich Papa. Der kleine Alex ist recht munter, vor allem in der Nacht. Der Mama geht es auch gut. Wir sind verheiratet, leben und arbeiten in San Francisco und haben uns während meiner Promotion an der Case Western kennengelernt. Sie kommt aus Indien und beschäftigt sich mit der elektrischen Tiefenhirnstimulation bei der Parkinsonkrankheit. Protokolliert von Peter Ilg.

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