Schülerleistungen in Mathematik lassen weiter nach
Die mathematischen Leistungen der 15-jährigen Schüler haben abgenommen. Zudem sind die Bildungschancen ungleich verteilt, so aktuelle Studien.
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Mathematik ist das Mint-Fach (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), in dem sich Schülerinnen und Schüler in Deutschland besonders schwertun. Das geht aus dem aktuellen „Mint Nachwuchsbarometer“ von Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Joachim Herz Stiftung hervor. „Mit beunruhigender Tendenz“, so die Studie: Die mathematischen Leistungen haben bei der Gruppe der 15-Jährigen zwischen 2012 und 2022 um 39 Punkte abgenommen. Das entspricht einem Kompetenzrückstand von einem kompletten Schuljahr. Der Anteil der besonders leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler ist in diesem Zeitraum gestiegen: von rund 17 % in 2012 auf etwa 29 % in 2022. Gleichzeitig hat sich der Anteil an leistungsstarken Schülerinnen und Schülern halbiert und umfasst 2022 noch knapp 9 %.
Künstliche Intelligenz im Hochschulbereich könnte Studienabbruchquoten in den Mint-Studienfächern verringern
„Wir müssen uns mehr um die Mathematik kümmern“, fordert deshalb Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und Studienleiter des Mint Nachwuchsbarometers. „Eine Untersuchung von Prüfungsaufgaben aus dem Mathematikunterricht hat gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler bei 75 % der Aufgaben keinen Bezug zu ihrem Alltag oder ihrem Umfeld herstellen konnten. Ein stärkerer Lebensweltbezug, eine bessere Verknüpfung der Lerninhalte über die Jahrgangsstufen hinweg oder eine größere Orientierung des Unterrichts an den Lernständen der jeweiligen Schülerinnen und Schüler sind Qualitätsmerkmale, die wir im Mathematikunterricht unbedingt konsequenter durchsetzen müssen.“
Pisa-Studie: Die Bildung braucht eine mittelgroße Revolution
Um „ein tieferes Verständnis unserer Welt zu erlangen“, sollten außerschulische Lernorte stärker in den Fokus rücken: Museen, Schülerforschungszentren und Schülerlabore etwa, so Acatech-Präsident Jan Wörner.
Nach der Schule könnten KI-Systeme im Hochschulbereich sinnvoll sein, heißt es im Nachwuchsbarometer. „Um die hohen Studienabbruchquoten in den Mint-Studienfächern zu verringern – im Jahr 2022 lag der Anteil bei rund 51 % und damit um knapp zwei Prozentpunkte höher als im Vorjahr –, werden dort mithilfe von Prozessdaten und Methoden des maschinellen Lernens Prognosen für den Studienverlauf erstellt. So kann abbruchgefährdeten Studierenden rechtzeitig und passend Hilfe angeboten werden.“
Bildungsgerechtigkeit: Schüler aus benachteiligten Verhältnissen haben in Berlin und Brandenburg die besten Karten
Fast zeitgleich veröffentlichte das Ifo Institut eine Studie, die sich mit den Bildungschancen zwischen den Bundesländern befasst. Demnach unterscheiden sich diese deutlich. Am wenigsten negativ wirkt sich ein ungünstiger familiärer Hintergrund für Kinder in Berlin und Brandenburg aus: Es ist etwa halb so wahrscheinlich, „dass Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium besuchen wie Kinder aus günstigen Verhältnissen“. Bundesweit beträgt der Wert 44,6 %. Am unteren Ende liegen Sachsen mit 40,1 % und Bayern mit 38,1 %. Chancengleichheit wäre bei 100 % erreicht.
Die Studie vergleicht die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuchs für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen (weder ein Elternteil mit Abitur noch oberes Viertel der Haushaltseinkommen) mit der für Kinder aus günstigen Verhältnissen (mindestens ein Elternteil mit Abitur und/oder oberes Viertel der Haushaltseinkommen). Deutschlandweit besuchen 26,7 % der Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium, aus günstigen Verhältnissen sind es 59,8 %.
KI in Studium und Beruf: Die nächste Generation erwartet Erleichterungen
„Das große Ausmaß der Ungleichheit der Bildungschancen ist zum Glück nicht unumstößlich. Politische Maßnahmen könnten Kinder aus benachteiligten Verhältnissen gezielt fördern, am besten schon im frühkindlichen Alter“, sagt Florian Schoner, Mitautor der Studie. „Interessanterweise sind Berlin und Brandenburg die einzigen Länder, in denen die Kinder erst ab der siebten Klasse auf das Gymnasium wechseln“, fügt Ludger Wößmann an, Leiter des Ifo Zentrums für Bildungsökonomik.