Arbeitsbelastung steigt durch Digitalisierung
Eine Befragung von Betriebsräten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass neue Technologien die Arbeitsbedingungen und -organisation stark beeinflussen.
98 % der Betriebe arbeiten mit dem Internet, 88 % setzen Diensthandys ein, 50 % Tablets. 38 % führen elektronische Personalakten, ein Drittel nutzt Social Media und ein Fünftel Roboter. Nur in 6 % dieser Fälle ersetzen sie die menschliche Arbeit komplett. 14 % der Betriebe nehmen sie aber als Unterstützung der Beschäftigten wahr. In beinahe jedem dritten Betrieb ist es verbreitet oder sehr verbreitet, dass Arbeit durch Computer erfasst wird. Rund 20 % arbeiten mit computergesteuerten Zeit- oder Kennziffernvorgaben, ebenso viele haben virtuelle Dienstbesprechungen oder Videokonferenzen.
Druck durch Digitalisierung
Gerade die Finanzdienstleistungen und Versicherungen erwiesen sich als ein Verlierer der Digitalisierung. Hier haben neue Computersysteme zwischen 2011 und 2016 in jedem dritten Betrieb Jobs gekostet. 87 % der Betriebsräte von Banken und Versicherungen verzeichnen eine Zunahme der Arbeitsintensität. Häufiger als in anderen Branchen sehen Arbeitnehmervertreter die gewachsenen Belastungen als unmittelbare Folge der Digitalisierung. In 61 % der Betriebe ist der Anteil standardisierter Tätigkeiten sogar gestiegen. Zudem verringert die fortschreitende digitale Kontrolle der Arbeit im Finanzsektor die Autonomie vieler Beschäftigter empfindlich. 54 % der Betriebsräte in dieser Branche berichten von computergesteuerter Überwachung der einzelnen Arbeitsschritte. Im Durchschnitt aller Branchen sind es 32 %.
Vorläufige Jobbilanz eher positiv
Während es nach Auskunft der Arbeitnehmervertreter in 16 % aller Betriebe zu technologisch bedingtem Personalabbau kam, verzeichneten 36 % einen Stellenzuwachs. Lediglich bei Banken und Versicherungen sehen die befragten Betriebsräte unter dem Strich ein deutliches Minus. Allerdings ist laut WSI-Forscherin Dr. Elke Ahlers unklar, ob diese Veränderungen wirklich nur der Digitalisierung zuzuschreiben sind oder auch konjunkturelle Faktoren hineinspielen, die sich in verschiedenen Branchen unterschiedlich auswirken. In 36 % der Betriebe führte der technische Fortschritt zu Versetzungen von Beschäftigten und in 19 % zur Auslagerung von Aufgaben. Die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben bleibe aber weiterhin problematisch. Homeoffice ist nur in 13 % der Betriebe verbreitet. Und gerade einmal 15 % der Betriebsräte berichten von einer infolge der Digitalisierung gestiegenen Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.
Betriebsräte setzen Regeln für Gesundheits- und Datenschutz
Die Befragungsergebnisse machen deutlich, so Ahlers, „dass die Arbeitszeit als solche in Zeiten der digitalen Vernetzung und ständigen Erreichbarkeit zu entgleisen droht“. Die Betriebsräte können diesen Entwicklungen durchaus etwas entgegensetzen. Durch Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit, zum Gesundheitsschutz oder zum Datenschutz versuchen sie, der neuen Probleme Herr zu werden. So gibt es etwa in jedem zweiten Betrieb, in dem die Arbeit mit computergesteuerten Zeit- oder Kennziffervorgaben verbreitet ist, Regelungen zur Begrenzung von Verhaltens- und Leistungskontrollen. 64 % beziehungsweise 54 % haben Regelungen zur Nutzung von Internet und E-Mail getroffen. Großbetriebe häufiger als kleine.
Allerdings sei es keine leichte Aufgabe, die Digitalisierung im Sinne der Beschäftigten mitzugestalten. In einem Drittel der Betriebe kommt es regelmäßig vor, dass der Arbeitgeber die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung neuer Technik missachtet. Zudem brauchen Betriebsräte Ahlers zufolge mehr Fachexpertise. Eine Herausforderung sei das hohe Innovationstempo im IT-Bereich: Kaum ist eine Betriebsvereinbarung durchgesetzt, sind schon wieder neue Programme und Geräte mit potenziell problematischen Eigenschaften im Einsatz.