Chefs haben kein gutes Image
Mitarbeiter fühlen sich häufig nicht nur selten gefördert, sie fühlen sich oft auch allein gelassen.
Allen Innovationen und Erkenntnissen wie New Work, Achtsamkeit und Purpose zum Trotz: Chefs haben nach wie vor kein besonders gutes Image bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In einer Untersuchung der Organisationsberatung Korn Ferry haben 58 % der Befragten angegeben, dass sie sich nicht von ihren Vorgesetzten ausreichend gefördert fühlen würden. Und 39 % haben sogar ausgesagt, dass ihre Chefs sie schon mindestens einmal komplett im Regen stehen gelassen haben.
Weitere zentrale Ergebnisse: 56 % sagen, dass ihr Chef sie wenig oder gar nicht motivieren kann. Den Job unter professionelleren Bedingungen besser machen zu können, denken 40 %. Immerhin meinen 65 %, etwas von ihrer Führungskraft gelernt zu haben.
„Der oder die unmittelbare Vorgesetzte ist, noch vor den Kolleginnen und Kollegen, der wichtigste Bezugspunkt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, sagt Holger Winzer, Leiter der Führungskräfteentwicklung von Korn Ferry in Deutschland. „Niemand hat einen solchen Einfluss auf die Entwicklung einzelner wie der unmittelbare Chef. Darum ist dies stets nicht nur eine formelle, sondern auch immer eine hoch emotionale Verbindung.“
Vorgesetzte sollen mehr inspirieren, weniger kontrollieren
Leider bekommen in der Untersuchung die Chefs auch in anderen Bereichen schlechte Noten. 52 % der Befragten sagen, ihr Vorgesetzter habe schon einmal die Lorbeeren anstatt ihrer eingeheimst.
Holger Winzer: „Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs, in der ein Chef nicht mehr auf Kontrolle und Delegieren festgelegt werden kann. Er soll inspirieren, fördern, befähigen, zuhören. Dazu benötigen Führungskräfte aber ganz neue Kompetenzen und müssen Techniken erlernen, um dies in die Praxis umsetzen zu können. Trotz der aus meiner Sicht recht drastischen Aussagen in dieser Untersuchung kann ich sagen, dass die meisten Unternehmen in Deutschland das Problem erkannt haben und intensiv an einer Entwicklung ihrer Führungskräfte arbeiten.“
Selbst Chef sein will nur eine Minderheit
Zwar wünschen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Förderung und Motivation von ihren Chefs, gleichzeitig haben sie aber einen hohen Respekt vor ihnen. Eine Minderheit (40 %) denkt, dass sie den Job besser ausfüllen könnte als ihr Chef und nur 32 % würden den Job des Vorgesetzten haben wollen. Nur 25 % halten sich für cleverer als ihr Chef und 65 % sagen, dass sie von ihrer Führungskraft etwas lernen konnten.
„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen natürlich, wie sich die Profile ihrer Vorgesetzten ändern, insbesondere im mittleren Management“, weiß Holger Winzer. „Und sie sind oft empathisch und demütig genug zu erkennen, dass auch der Chef nur ein Mensch ist.“ Eine solche Haltung, so Leiter der Führungskräfteentwicklung bei Korn Ferry, helfe Unternehmen ungemein in dieser Zeit der großen Veränderungen, die Rollen ihrer Führungskräfte neu zu definieren und mit Leben zu füllen. „Denn wer inspiriert, gefördert und befähigt werden möchte, der sollte zugleich seinen Vorgesetzten zugestehen, dass auch sie Bedürfnisse und Herausforderungen haben, die zu bewältigen sind. Darum halte ich es für entscheidend, nicht stets den Fehler nur bei den Führungskräften zu suchen.“
Motivierende Atmosphäre schaffen
Statt von allen Seiten zu stänkern, sei es besser, Führungskräfte weiter zu entwickeln, aber zugleich eine Atmosphäre und Kultur zu schaffen, in dem das überhaupt möglich ist – und in der sich dann auch jede einzelne Mitarbeiterin und jeder einzelne Mitarbeiter weiterentwickeln kann und muss.
Korn Ferry befragte im September dieses Jahres 804 Professionals über ihre Haltung zu ihren Vorgesetzten.