Chief Digital Officers sehen ihre Rolle als Job auf Zeit
Eine Studie der Personalberatung Kienbaum hat ergeben, dass sich die Chief Digital Officers (CDOs) in Deutschland als wichtige Gestalter im Unternehmen sehen und ihre Rolle oft selbst definieren.
Verkehrte Welt: Während Führungskräfte, die ihren Job besonders gut machen, normalerweise mit mehr Budget und Mitarbeitern oder zusätzlicher Entscheidungsgewalt belohnt werden, macht sich eine andere Berufsgruppe überflüssig, wenn sie erfolgreich arbeitet – die Chief Digital Officers (CDOs). Davon sind die Interviewpartner für eine Studie der Personal- und Managementberatung Kienbaum überzeugt. „Wenn wir unseren Job gut machen, gibt es uns nicht mehr“, sagt zum Beispiel Elke Katz, CDO bei ratiopharm. Und Sport-Scheck-CDO Jan Kegelberg sagt: „Der CDO ist nicht für die Ewigkeit.“ Seine Begründung: „Wir werden so digital sein und so vernetzt denken und arbeiten müssen, dass in fünf oder spätestens zehn Jahren alle Führungspersonen digital denken müssen.“ Bis 2025 muss also jede Führungskraft ein digitales Verständnis mitbringen.
Für die CDO-Studie hat Kienbaum neben Experteninterviews mit Digital-Verantwortlichen führender Unternehmen Geschäftsführer, IT-Chefs und weitere Führungskräfte aus deutschen Firmen zu Profil, Rolle und Kernkompetenzen von rund 108 CDOs befragt. Bescheidenheit ist keine Tugend, wenn die CDOs nach ihrer Motivation im Job gefragt werden: „Ich möchte neue Dinge aufbauen, etwas bewegen“, sagt etwa Johann Jungwirth, CDO von VW, und ergänzt: „In einer alten Industrie eine neue S-Kurve zu etablieren, das ist eine Lebensaufgabe.“ Und Tüv-Süd-CDO Dirk Schlesinger sagt: „Es ist mir wichtig, in meiner Rolle als CDO etwas zu machen, was im digitalen Zeitalter Bestand hat.“ Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, bringen die CDOs in erster Linie langjährige Organisationserfahrung, ein breites Technologieverständnis und kaufmännische Expertise mit. Was ihren akademischen Hintergrund angeht, hat die Mehrheit der CDOs ein Informatik- oder Ingenieurstudium absolviert, Wirtschaftswissenschaftler sind hingegen kaum vertreten.
Rollendefinition hausgemacht
Eine weitere Kuriosität der CDO-Rolle: CDOs entscheiden häufig selbst, was ihre Aufgaben sind – und sie passen ihre Rolle auch noch kontinuierlich an. Die drei Kernaufgaben eines CDOs sind laut der Kienbaum-Studie: Trendscouting, das Formulieren einer Digitalstrategie und die Digitalisierung interner Prozesse. „Tatsächlich gehört zu meiner Rolle auch, sie festzulegen und stetig weiterzuentwickeln. Stichworte sind Strategie und Struktur, Kultur und, last but not least, Governance. Ich sehe mich als Brückenbauer im Unternehmen. Es geht um eine klare Mission – die Digitalisierung auf die Ebene aller strategischen Geschäftseinheiten herunterzubrechen und dabei alle Mitarbeiter mitzunehmen“, sagt Henrik Hahn, CEO und CDO der Evonik Digital GmbH.
Das Mindset ist entscheidend: Fragt man CDOs und Geschäftsführer, welche Kompetenzen für Digitalchefs erfolgskritisch sind, ist es die Haltung, die entscheidend ist: Konkret sind die Top-drei-Kompetenzen Innovationskraft, die Fähigkeit zur Kollaboration und Veränderungswillen. Weniger wichtig sind hingegen Fähigkeiten wie Kundenzentrierung, Entrepreneurship und das Beherrschen agiler Methoden, so die Ergebnisse der Kienbaum-Studie.
Frauenförderung hat geringe Priorität
In den Digitalisierungs-Einheiten der Unternehmen gibt es kaum Frauen: Nur gut jeder zehnte Mitarbeiter ist derzeit eine Frau. Trotzdem tun anscheinend die meisten Firmen zu wenig, um das zu ändern. Mehr als die Hälfte der Befragten für die Kienbaum-Studie ist der Meinung, dass ihr Unternehmen nicht genug tut, um Frauen in der Berufsgruppe Digital zu fördern. „Es ist wichtig, mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen. Dazu zählt die Quote für Frauen und Unterstützung bei der Berufswahl – für Männer und Frauen gleichermaßen“, sagt Sabine Smentek, Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnik in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin.
CDOs kooperieren häufig mit Start-ups Digital-Chefs nutzen Kooperationen mit Start-ups und digitale Talente als Inspiration und Beschleuniger der digitalen Transformation in ihrem Unternehmen: Rund drei Viertel der von Kienbaum Befragten arbeiten mit Start-ups zusammen, sind finanziell an ihnen beteiligt oder entwickeln sogar neue Produkte und Dienstleistungen mit diesen. „Ich stehe Kooperationen mit Start-ups sehr positiv gegenüber: Ich bin sehr offen durch Start-ups diesen anderen Habitus kennenzulernen – dieses schnelle, unkonventionelle Lernen. Sie bilden einen geschützten Raum außerhalb der eigenen Prozesse und Strukturen“, sagt Yvonne Balzer von Kienbaum.