Der Outdoor-Ingenieur
Die Zeichen für die Outdoor-Branche stehen gut, seit Jahren gehen die Umsatzzahlen nach oben. Als Ingenieur einen festen Einstieg zu finden, ist jedoch gar nicht so einfach, wie Christian Sobetzky feststellen musste.
„Hallo“ oder „Danke“ in der Landessprache sind mittlerweile drin, mehr nicht. Noch nicht. Zu melodisch sei das Vietnamesische mit seinen vielen Tonlagen, und bei aller Sprachbegabung sei er nun einmal „nicht der musikalische Typ“, sagt Christian Sobetzky.
Neun Monate ist es nun her, dass der 30-jährige Österreicher als Produktentwickler Rucksäcke beim Bergsportspezialisten Salewa im bayrischen Aschheim an Bord ging. Dreimal stieg er in dieser Zeit bereits ins Flugzeug gen Vietnam, verbrachte insgesamt elf Wochen dort.
-Hauptsitz der internationalen Oberalp Group, zu der Salewa seit 1982 gehört, ist Bozen, Südtirol. Weitere Eigenmarken sind Dynafit, Pomoca sowie Wild Country. Im Herbst 2011 eröffnete die Oberalp Salewa Group das neue energieautarke Headquarter mit integriertem Zentrallager und einer Kletterhalle, die zu den größten Italiens zählt.
-Die Unternehmensstruktur ist in vier sogenannte Divisions aufgeteilt: Apparell (Bekleidung und textile Accessoires), Equipment (Ruck- und Schlafsäcke, Zelte), Footwear (Lauf- und Kletterschuhe) sowie Technical Hardware (Helme, Karabiner, Klettersteigsets). 2012 erwirtschaftete die Gruppe mit ihren weltweit 519 Beschäftigten einen Umsatz von 180 Mio. €. H. P.
Vor allem der letzte Aufenthalt war „äußerst lehrreich“, wie er selbst sagt. „Ich habe zum ersten Mal gesehen, wie die Zusammenarbeit mit einer Näherei funktioniert.“
Die Hauptlektion: Eine technische Zeichnung bietet durchaus Raum für Interpretationen, wie die Erstpräsentation des nach seinen Zeichnungen gefertigten Muster-Rucksacks zeigte. „Es war nicht so, dass ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe, aber einige Sachen waren anders, als ich es mir vorgestellt hatte und haben einfach nicht gepasst“, berichtet Sobetzky.
So manches, was er als eindeutig gesehen hatte, war es dann letztlich doch nicht, räumt er selbstkritisch ein. „Stoffverarbeitung ist für mich komplettes Neuland, damit hatte ich im Studium überhaupt nichts zu tun. Aber das wissen die Leute hier bei Salewa auch. Das ist ein Lernprozess, den ich jetzt noch durchgehen muss.“
Beim Gehen, genauer gesagt Wandern und bei mehrtägigen Trekkingtouren mit Zelt und Rucksack, die er nach Studienabschluss während seiner sechsmonatigen Reise in Südamerika unternahm, reifte auch die Idee, sich beruflich Richtung Outdoor-Branche zu orientieren.
Durch sein Masterstudium in Sportgerätetechnik an der FH Technikum Wien sah er sich dafür auch bestens gerüstet. „Das war extrem breit gefächert: von Physik, Informatik, Elektrotechnik, Werkstoffe, Biomechanik, Sportgerätekunde, Anatomie, Physiologie über Wirtschaft und Management bis hin zu Sportpraxis und Englisch.“
Der Einstieg in die „doch recht enge“, da überwiegend mittelständische und letztlich auch sehr textillastige Branche, gestaltete sich dennoch nicht so einfach. Rund 50 weltweite Bewerbungen verfasste er nach seiner Rückkehr, die erste Ausbeute daraus: ein sechsmonatiges Praktikum beim Outdoor-Ausrüster Vaude.
Das erwies sich als Türöffner. „Dadurch bin ich auf die Outdoor-Messe in Friedrichshafen gekommen, wo die komplette Branche vertreten ist. Hier bin ich zu allen Firmen hin und hab geschaut, wo es Jobchancen gibt und an wen ich mich wenden muss“, erklärt Christian Sobetzky.
Ein längeres Gespräch am Salewa-Stand mit dem Produktmanager für Rucksäcke brachte ihn schließlich ans Ziel: Bereits zwei Tage später fand das erste Vorstellungsgespräch statt, nach einem zweiten Gespräch, diesmal in Aschheim, war klar: Es passt.
Mechanische Berechnungen für den Metallrahmen im Rucksack erstellen, Bauteile aus Kunststoff entwickeln, technische Daten sowie 3D-Zeichnungen erstellen, gehören zu den wesentlichen Herausforderungen. „Ich bin für die Hartteile bei der Produktentwicklung Rucksäcke zuständig“, erklärt Sobetzky.
Wie jedem neuen Mitarbeiter bei Salewa stand ihm dabei von Anfang an ein Tutor zur Seite. In seinem Fall war es der Techniker für die sogenannte Hartware (Eispickel, Karabiner, Klettersteigsets etc.), der nebenbei auch den Bereich Rucksack mitbetreut hatte. „Er hat mir die laufenden Projekte sukzessive übergeben und mir auch die Entwicklungsschritte dazu erklärt. Das hilft bei der Weiterentwicklung, bereits beschrittene Sackgassen zu vermeiden“, weiß Christian Sobetzky inzwischen.
Bei Fragen, so seine Erfahrung, kann er auf die Unterstützung seiner Kollegen, respektive der aus der insgesamt neunköpfigen Abteilung Produktentwicklung, immer zählen.
Eigeninitiative ist auch beim Thema Weiterbildung gefragt. „Sollte ich einen Kurs für meine Arbeit brauchen, muss ich mich nur melden. Das Angebot steht“, so Sobetzky. Bislang bevorzugt er bei Bedarf – etwa wenn es um das 3D-Programm geht – allerdings die kollegiale Inhouse-Schulung. „Da ist es gescheiter, ein Kollege setzt sich mit mir hin und wir arbeiten das ganz spezifisch durch, statt dass ich Kurse besuche, die entweder von null aufbauen oder nicht das bearbeiten, was man für die Arbeit braucht“, meint er pragmatisch.
Gut, fast schon familiär, sei das Arbeitsklima, nicht zuletzt gefördert durch das vom Hausmeister bis zum Geschäftsführer Stefan Rosenkranz („der Stefan“) gepflegte Du.
Was die rund 70-köpfige, überwiegend junge Belegschaft am Standort Aschheim – das Durchschnittsalter liegt bei 30 bis 35 Jahren – freilich vor allem zusammenschweißt, ist die gemeinsame Begeisterung für den Sport. „Es sind alles Bergsportfans. Da investiert jeder Zeit, Energie und Ehrgeiz, weil ihm die Produkte einfach am Herzen liegen. Wir nutzen sie ja schließlich selbst“, sagt Christian Sobetzky.
Fast jedes Wochenende seien seine Abteilungs-Kollegen unterwegs, im Sommer zum Klettern oder Mountainbiken, im Winter geht es auf Skitouren. Bislang musste Christian Sobetzky bei diesen Wochenendtouren meist passen – die Fernbeziehung zur langjährigen Freundin darf schließlich nicht zu kurz kommen.
Ob er seinen Vorsatz „sobald der erste Schnee fällt, bin ich bei der Skitour dabei“ auch realisieren kann, ist ungewiss. Denn sein aktuelles Projekt, die Überarbeitung des seit Jahren im Salewa-Programm befindlichen Bergführer-Rucksacks, könnte ihn schon im November wieder nach Vietnam führen. Worum es dabei geht? Psst, Betriebsgeheimnis.