Industriestudie der Hays AG 22. Jul 2020 Von Peter Steinmüller Lesezeit: ca. 3 Minuten

„Homeoffice verändert nur den Standort“

Wie die Coronakrise die Aufgaben von Führungskräften verändert, erklärt Personalexperte Oliver Kowalski von Hays.

Die größte disziplinarische Umstellung in der Coronakrise dürfte der Schwenk von Präsenz- zu Ergebniskultur sein, sagt Personalexperte Oliver Kowalski von Hays. Denn die Führungskraft müsse viel stärker darauf setzen, dass die Mitarbeiter eigenverantwortlich zu Ergebnissen kommen.
Foto: PantherMedia/depositedhar

VDI nachrichten: Ihre aktuelle Studie stellt eine starke Verunsicherung von Führungskräften der Automobilindustrie als Folge der Coronakrise fest. Worauf führen Sie diese Verunsicherung zurück?

Kowalski: Die Führungskräfte aus der Automobilindustrie sind verunsichert, weil sich ihre bisherigen Wertschöpfungsstränge komplett verändern. Aufgrund der Tatsache, dass viele Komponenten beim E-Auto wegfallen, müssen sich Zulieferbetriebe beispielsweise ganz neu erfinden, um auch in der Elektromobilität ein tragfähiges Geschäftsmodell zu haben. Das bleibt natürlich auch für die quantitative und qualitative Beschäftigung nicht ohne Folgen. Denn die Anzahl an Beschäftigten wird durch den steigenden Automatisierungsgrad sinken. Demgegenüber werden höherwertige Tätigkeiten entstehen. In diesem Spannungsfeld besteht Bedarf zur Weiterqualifizierung und Unterstützung der geeigneten Mitarbeiter auf den neuen Beschäftigungspfaden.

Diese Unsicherheiten werden dann natürlich durch Corona noch verstärkt, wodurch die Verunsicherung der Führungskräfte nochmals steigt.

Wie gehen die Führungskräfte mit dieser Verunsicherung um?

Das ist ganz unterschiedlich. Wichtig ist es zunächst, die Situation zu realisieren und zu akzeptieren und dann entsprechende strategische Schritte daraus abzuleiten. Wichtig dabei ist, insbesondere wenn man sich nicht täglich „face-to-face“ gegenübersitzt, die Mitarbeiter in die Entscheidungen aktiv einzubinden, damit sie sich als Teil der Umstrukturierung begreifen, nicht etwa als „Ressource“, die man im Zweifel entsorgen kann. Denn wir alle haben ja in den vergangenen Wochen bemerkt, wie wichtig gerade der ständige Austausch ist, um auf dem Laufenden zu bleiben, erst recht, wenn das über Skype oder Teams funktioniert.

„Homeoffice bedeutet nicht Auszeit“

Wie ist die Situation in anderen Industriezweigen?

Prinzipiell ist die Situation der Führungskräfte in anderen Industriezweigen vergleichbar mit der Automobilindustrie. Die größte disziplinarische Umstellung dürfte der Schwenk von Präsenz- zu Ergebniskultur sein. Denn bei der Remoteführung wird nicht einfach die technische Übertragung eingeschaltet. Sie unterscheidet sich grundlegend von der Führung vor Ort. Ich muss als Führungskraft insgesamt viel stärker darauf setzen, dass meine Mitarbeiter eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu den Ergebnissen kommen, die sie auch im Office geleistet haben. Homeoffice bedeutet nicht Auszeit, sondern ändert lediglich den Standort. Das bedeutet, die Führungskräfte müssen ihre Erwartungen auch entsprechend klar und nachvollziehbar formulieren. Das ist für viele noch ungewohnt und geht sicher nicht von heute auf morgen.

„Jungingenieure sind mittelfristig immer noch eine heiß begehrte Ressource am Arbeitsmarkt mit hervorragenden Karrierechancen“, zeigt sich Oliver Kowalski von Hays optimistisch. Foto: Hays

„Heiß begehrte Ressource am Arbeitsmarkt“

Was bedeutet das für die Karrierechancen von Jungingenieuren?

Zunächst einmal hat die Coronakrise Auswirkungen auf die kurzfristigen Karrieren, auch der Jungingenieure. Die Firmen sind im Cash-Cost-Control-Modus und fahren vor allem in puncto Personalkosten auf Sicht, ja einige nutzen die Krise sogar, um sie zu restrukturieren, Personalabbau inklusive. Insbesondere die Branchen mit einem hohen Exportanteil haben gerade massive Auftragseinbußen durch die Pandemie. Dennoch sind die Jungingenieure mittelfristig immer noch eine heiß begehrte Ressource am Arbeitsmarkt mit hervorragenden Karrierechancen. Wenn wir uns beispielsweise die Bereiche Internet of Things oder Digitalisierungsthemen anschauen, werden enorme Anstrengungen unternommen, um jetzt digital fit in die Zukunft zu gehen. Hoch qualifizierte Ingenieure gehören in diesem Szenario zur Kernressource.

Welche Konsequenzen haben diese Marktveränderungen für die Aufgaben von Personaldienstleistern?

Es wird künftig noch mehr um die Individualisierung von Arbeit gehen, also welches Know-how und welche Verfügbarkeiten gebraucht werden, um den jeweiligen Jobanforderungen gerecht zu werden. Hier werden Personaldienstleister noch stärker als bisher zwischen Auftraggeber und Kandidaten beraten, zum Beispiel unter Berücksichtigung der individuellen Erwerbsbiografien der Ingenieure, der fachlichen und sozialen Skills etc. An dieser Zukunft arbeiten wir bereits.

Oliver Kowalski ist Direktor bei der Hays AG, einem internationalen Personaldienstleister für die Rekrutierung von hoch qualifizierten Spezialisten.

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