Kleine Revolution in der Vergütungspraxis
Bosch sagt dem Bonus adieu, SAP dem Performance Rating: Lange Zeit galt in vielen Unternehmen der Bonus als Mittel der Wahl, um Mitarbeiter zu hohen Leistungen anzuspornen. Nun steht der individuelle Bonus zur Disposition. Kritik kommt aus der Wissenschaft und der Beraterzunft.
Bosch schafft den an die individuelle Leistung geknüpften Bonus mit der Begründung ab, ein solcher unterbinde das unternehmerische Denken und Handeln der Mitarbeiter. So Bosch-Chef Volkmar Denner, der sogar von einer „Revolution“ in der Vergütungspraxis spricht. Prämien soll es am Jahresende weiterhin geben. Aber nur, wenn es für Bosch insgesamt gut gelaufen ist.
Diese Kehrtwende wird skeptisch beobachtet. Es gebe viele wissenschaftliche Befunde, dass „gut gestaltete variable Vergütungssysteme“ die Leistung steigern würden, meint Vergütungsexperte Dirk Sliwka von der Uni Köln. So hätten Studien in der Autoglasproduktion, der Landwirtschaft und im Handel gezeigt, dass variable Vergütungssysteme Produktivitätsgewinne von 20 % und mehr zu Folge haben können. Nur wenige Feldbefunde, beispielsweise zu der Bereitschaft Blut zu spenden, zeigten negative Effekte monetärer Anreize. Sliwka: „Ich bin mir sicher, dass andere Unternehmen Bosch nachfolgen werden. Ich halte es aber auch für wahrscheinlich, dass es in einigen Jahren wieder eine Rückwärtsbewegung geben wird.“
Was Sliwka moniert: Ebenso wie bei der Einführung von Boni würden sich die Unternehmen bei der Abschaffung zu wenig Mühe geben, um herauszufinden, ob und wie variable Vergütung wirke. „Ich habe den Eindruck, dass viele Manager zu sehr ihrer Intuition vertrauen. Es gibt Möglichkeiten zu evaluieren, ob die Änderung eines Vergütungssystems die Leistung steigert oder nicht“, erklärt er.
Den Vorwurf, Veränderungen in der Vergütungspraxis nicht getestet zu haben, will sich SAP nicht gefallen lassen müssen. In der Softwareschmiede, in der der an individuellen Zielen festgemachte Bonus für „Innovative Worker“, die vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung zum Einsatz kommen, bereits abgeschafft worden ist, soll zunächst für etwa 8000 Mitarbeiter auch das Performance Rating ad acta gelegt werden. Performance Rating bedeutet, die Leistungen der Mitarbeiter quasi nach Schulnoten beziehungsweise anhand einer Rangreihe zu bewerten. „Leistungsträger zu bestimmen, ist keine Frage irgendwelcher formaler Ratings oder Rankings, sondern hängt wesentlich davon ab, inwieweit der Manager in der Lage ist, kontinuierliche und bedeutsame Feedbackgespräche mit seinen Mitarbeitern zu führen“, sagt Gabriel Wiskemann, Vice President Global Total Rewards bei SAP.
Besondere Leistungen sollen bei SAP nach wie vor belohnt werden. Allerdings ist die dortige Bonuswelt zuletzt sehr viel differenzierter geworden. In Bereichen mit unmittelbarer Umsatzverantwortung (Vertrieb) und bei Mitarbeitern auf Top-Führungsebene richtet sich ein Teil der Gesamtvergütung nach wie vor nach den jeweils erreichten Zielen. Im Durchschnitt (ohne Vorstand) liegt der variable Anteil am Jahreszielgehalt bei SAP bei 24 %. Die Spanne bewegt sich zwischen 10 % und 50 %.
Bei den „Innovativen Workern“ hat SAP diese Kopplung aufgegeben. „Gefragt sind heute agile Organisationsformen, die schnell und kundenorientiert ausgerichtet sind und die Mitarbeiter und Führungskräfte benötigen, die in hohem Maße selbstorganisiert und veränderungsflexibel arbeiten. Dies bedeutet, dass Fehler erlaubt sein müssen und sich mithin von tradierten Ansätzen der engen Kopplung von individueller Zielvereinbarung, Leistungsbemessung und Entgeltfindung zu verabschieden ist“, erklärt Wiskemann. Dies bedeutet bei SAP aber nicht, sich von allen Bonivarianten für solche Mitarbeiter zu verabschieden. Das etwa bei Entwicklern und Controllern neu eingeführte Bonusmodell beinhaltet zum einen eine unternehmensbezogene Erfolgsbeteiligungskomponente: Die Zielerreichung des gesamten Unternehmens bestimmt hier direkt die Auszahlung an den Mitarbeiter. Daneben kann eine Führungskraft herausragende Leistungen über das „Spot Bonus-Programm” der SAP honorieren. Diskretionär und ad hoc, ohne Rating oder Ranking. Ein Mitarbieter kann für „außerordentliches Engagement und hervorragende Arbeitsergebnisse“ zwischen 1000 € und 6000 € als Spot Bonus erhalten.
„Ein Grundproblem diskretionärer Systeme liegt darin, dass es im Ermessen der einzelnen Führungskraft liegt, ob und wie ein Bonus gewährt wird. Dies führt dazu, dass es innerhalb ein und desselben Unternehmens ganz unterschiedliche Vergütungsnormen geben kann. Manche Führungskräfte bevorzugen, allen den gleichen Bonus zu zahlen, andere differenzieren stärker“, warnt Sliwka. Und empfiehlt zu regeln, wie Führungskräfte Leistungsbeurteilungen zu vergeben haben. Beispielsweise könne festgelegt werden, wie viel Prozent der Mitarbeiter in eine bestimmte Beurteilungsstufe eingeordnet werden sollen.
Die Tendenz, dass in der Praxis Beurteilungen „rechtsschief“ verteilt und damit zu gutwillig sind, konstatiert auch Gabriel Wiskemann. Die in vielen Unternehmen verordneten „Gegenmittel“, wie strikte Vorgaben von Verteilungsspielräumen im Sinne einer Normalverteilung oder das Bilden von Rangreihen der Top-Performer konterkarierten jedoch sämtliche Ziele der leistungsbezogenen Vergütung.
„Die Gegenmittel bestrafen tatsächliche Top-Leister, wenn sich in einem Team überdurchschnittlich viele Mitarbeiter mit herausragenden Leistungen befinden“, sagt der Vize-Präsident. Basis für die ad-hoc-Boni und die jährlichen Gehaltsrunden bei SAP sollen nicht mehr Ratings oder Rankings sein, sondern die Feedbackgespräche. „Kernpunkt des neu gestalteten Performance Managements muss die Sicherstellung eines kontinuierlichen Dialogs zu Leistungszielen und die Verbesserung von Leistung sein“, so Gabriel Wiskemann.
Den individuellen Bonus abzuschaffen, kritisiert mancher Vergütungsberater. „Ein wichtiges Vergütungselement zur Honorierung von Leistung sowie zur Differenzierung zwischen Mitarbeitern ist der Bonus“, sagt Frank Gierschmann, Senior Manager bei der Beratergruppe hkp/// group. Flucht sei keine Lösung. „Organisationen sind gezwungen zu differenzieren. Das Ausschalten von Differenzierung führt vor allem bei Top-Performern zu einem Mangel an Anreizen“, ist Gierschmann überzeugt.
Um eine solche Differenzierung hinzubekommen und kostenträchtige Rechtsverschiebungen bei den Beurteilungen zu vermeiden, gelte es , im Unternehmen ein einheitliches Verständnis von Leistung zu etablieren. Zudem müsse die Führungskraft die Leistungsbeurteilungen ihrer Mitarbeiter im Kreise der (Führungs-) Kollegen verteidigen. Das zu verteilende Bonusbudget könne vorab festgelegt werden. „In einem ersten Schritt wird anhand des Unternehmenserfolgs ermittelt, wie hoch der auszuschüttende Gesamtbetrag ausfallen soll. Nur dieser Betrag kann auf die Bereiche verteilt werden. Im nächsten Schritt wird der Betrag von der Führungskraft auf die für Bonuszahlungen berechtigten Mitarbeiter verteilt“, so Gierschmann. Um Leistungsträger wertzuschätzen, werde die Führungskraft auf diesem Weg ohne ungeliebte Verteilungsvorgaben gezwungen zu differenzieren.