Aus Management-Sicht muss Österreich Europameister werden
Österreich stellt bei der Fußball-Europameisterschaft ein starkes Team, das viel erreichen kann. Das glaubt der Wiener Wirtschaftswissenschaftler Jonas Puck. Von Trainer Ralf Rangnick und seinem Team könne das Unternehmensmanagement einiges lernen.
VDI nachrichten: Herr Puck, Sie glauben also allen Ernstes, Österreich kann Europameister werden. Sie belegen das aus Management-Perspektive. Also dann mal los. Mit Alaba, Schlager und Kalajdzic fallen Leistungsträger aus. Wie soll das kleine Wunder dann gelingen?
Puck: Trainer Ralf Rangnick hat während der Euro-2024-Qualifikation aus Einzelstars ein echtes Team geformt. Er kennt die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Spielers und vereint die Mannschaft für ein gemeinsames Ziel. Spitzenleistungen erfordern mehr als die Summe der Einzelleistungen. Was es braucht, ist ein Umfeld, in dem sich die Stärken potenzieren. Wenn zentrale Spieler oder Schlüsselmitarbeiter ausfallen, schwächt das natürlich eine Mannschaft. Gleichzeitig kann es aber auch die Kohäsion innerhalb des Teams verbessern, weil alle näher zusammenrücken müssen. In einer derartigen Situation können sich auch bis dato unauffällige Mitarbeiter zu echten Leistungsträgern entwickeln. Ein guter Manager weiß das und begleitet diesen Prozess aktiv. Das Ergebnis: Ein Ausfall zentraler Leistungsträger erschüttert ein Team. Wenn es ein guter Manager aber schafft, die Steine wieder richtig zusammenzusetzen, kann so der Zusammenhalt in der Mannschaft gestärkt werden.
Von Internationalität und Erfahrungswerten können auch Unternehmen profitieren
Apropos Rangnick. Was bedeutet der Korb, den er Bayern München gegeben hat, für das österreichische Team? Er hätte dort Trainer werden können.
Ein wahrhaft starkes Statement, wenn das Team spürt, dass der Chef trotz attraktiver Angebote im Unternehmen bleibt. Diese besondere Art des Commitment schafft Vertrauen und Sicherheit und motiviert die Mitarbeiter zusätzlich, jeden Tag aufs Neue die extra Meile zu gehen und ihre Leistung zu verbessern.
Kaum ein Spieler im Team der Österreicher spielt in der Heimat. Da muss doch die Eingespieltheit drunter leiden.
Voneinander lernen ist auch im Fußball ein echtes Erfolgsrezept. Und in dieser Beziehung hat die österreichische Nationalelf einiges zu bieten: Zahlreiche Spieler spielen wie in den letzten Jahren in der deutschen Bundesliga, nun gibt es aber zahlreiche weitere Erfahrungen. Danso in der französischen Ligue 1, Arnautovic und Posch in der Serie A in Italien, Pentz in der dänischen Superliga, Lindner in der belgischen ersten Division, Trauner in der niederländischen Eredivisie und nicht zuletzt Alaba in der spanischen Primera División. Soll heißen: Die österreichische Nationalmannschaft profitiert enorm von der Erfahrung und den verschiedenen Spielstilen, die ihre Spieler aus den internationalen Ligen mitbringen. Dies führt nicht nur zu einem besseren Verständnis der Spielstile möglicher Gegner, sondern hilft auch dabei, kreative Lösungen zu finden und innovative Ansätze zu entwickeln. Ein Aspekt, der auch in Unternehmen einen echten Unterscheid machen kann.
Die Österreicher sind souverän durch die Qualifikation marschiert. Birgt das nicht die Gefahr der Überheblichkeit?
Rangnick weiß: Es besteht kein Grund, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Das ist auch genau das, was er seinen Spielern jetzt gebetsmühlenartig predigt: „Wir dürfen uns von diesem Erfolg nicht blenden lassen. Wir hatten jetzt einen Run, haben Spiele gegen vermeintlich übermächtige Gegner gewonnen, aber auch Partien verloren, wo wir eigentlich als Sieger hätten vom Platz gehen müssen.“ Rangnicks Herangehensweise zeigt deutlich, dass sowohl Siege als auch Niederlagen wertvolle Lernchancen bieten. Erfolgreiche Führungskräfte analysieren deshalb nicht nur die Erfolge, sondern schaffen gleichzeitig auch eine Kultur, in der Fehler okay sind. Ganz nach dem Motto: Errungenschaften gemeinsam feiern, aber gleichzeitig Fehler nicht verteufeln, sondern sie aktiv als Lernchancen nutzen. So können sich alle verbessern und erfolgreicher werden.
Teamarbeit und Zusammenhalt machen’s möglich!
In der abgelaufenen Saison hat der steirische Traditionsklub Sturm Graz nicht nur Red Bull Salzburg nach zehnjähriger Dominanz als österreichischer Fußballmeister entthront, sondern mit dem Gewinn des ÖFB-Cups auch den Pokal geholt. Damit war nicht zu rechnen. Wie lautet das Erfolgsgeheimnis?
Sich auf den ersten Blick übergroße Ziele zu stecken, ist nicht nur etwas für Träumer und Fantasten. Wer es schafft, mit Beständigkeit und harter Arbeit seine Leute zu begeistern, mit dem eigenen Elan mitzureißen und ihre Stärken zu fördern, wird erleben, wie alle im Team über ihre Grenzen hinausgehen und vermeintlich Unerreichbares möglich machen. Teamarbeit und Zusammenhalt machens möglich! Dies gilt für Sturm Graz, für das Nationalteam wie auch für Unternehmen.
Red Bull Salzburg und Bayern München haben etwas gemein: Beide Top-Teams sind in der abgelaufenen Saison ohne Titel geblieben. Wie beurteilen Sie das?
Akzeptanz heißt hier das Zauberwort. Misserfolge und Rückschläge gehören zum (Berufs-)Leben wie Wolken zum Himmel. Wer es schafft, so an die Dinge heranzugehen (und sich nicht zu sehr an den Misserfolgen zu reiben), hat bereits einen großen Schritt in eine erfolgreiche Zukunft geschafft. Zumindest in den Medien scheint es so, als hätten die Spieler von Bayern München und Red Bull Salzburg – mit Unterstützung ihrer Vereine – diese Saison gut verarbeitet.
Was können die Österreicher bei der EM erreichen?
Wir haben gesehen, dass sich sowohl im Team selbst als auch in dessen Umfeld Entwicklungen abzeichnen, die sich positiv auswirken können. Die Fans freuen sich zu Recht über die positive Entwicklung und die zuletzt sehr guten Ergebnisse, gleichzeitig wirkt es so, als wäre die Erwartungshaltung an das Team nicht überhöht. Und wer weiß, vielleicht sind ja genau das die Bausteine, aus denen zukünftige Europameister werden.