Risikobereitschaft ist nicht jedermanns Sache
Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind die USA Vorbild – doch wer von ihnen lernen will, sollte genau hinschauen.
Es ist noch nicht lange her, da fand der 20. „Ammerbucher ! Design Talk“ statt. Zu dieser Veranstaltung laden wir einmal im Jahr einen hochkarätigen Gesprächspartner ein, um mit ihm und unseren Kunden über den Tellerrand der Maschinenbaubranche hinauszuschauen.
Dieses Mal durften wir Arthur Landwehr begrüßen, den langjährigen USA-Korrespondenten der ARD. Da die USA für viele unserer Kunden ein wichtiger Markt sind, hatten wir eine äußerst erkenntnisreiche Diskussion.
So wies Arthur Landwehr unter anderem darauf hin, dass US-Amerikaner eine konstruktivere Auffassung von Gerechtigkeit haben. Während wir in Deutschland meinen, dass Gleichheit Gerechtigkeit ist, haben für die US-amerikanische Bevölkerung Gerechtigkeit und Gleichheit nichts miteinander zu tun. Gerecht ist, wenn es dem entspricht, was jemand geleistet hat.
In Deutschland wuchert die Regulierung
Wir waren uns einig, dass diese deutsche Auffassung von Gerechtigkeit auch für die Regulierungswut hierzulande verantwortlich ist. Im Gegensatz zu den USA erstellen wir Regeln für Probleme, noch bevor sie tatsächlich auftreten. Und so wie bei uns mit jeder Beschwerde, jedem Gerichtsverfahren zum deutschen Schilderwald ein weiteres Schild hinzu wuchert, wuchert im Gleichschritt die Regulierung auf fast allen Ebenen.
Deshalb sollte die deutsche Wirtschaft nicht darauf warten, dass sich die Zahl der Vorschriften irgendwann reduziert. Das wird erst passieren, wenn ein Innovationssprung mit neuer Technologie alle alten Regeln überflüssig machen wird. So lange sollten sich die Unternehmen besser etwas einfallen lassen, um mit dieser Komplexität umzugehen.
Arthur Landwehr erläuterte auch die US-amerikanische Risikobereitschaft, von der sich manche in der deutschen Wirtschaft gerne eine Scheibe abschneiden würden. Er jedoch warnte: „Beware what you wish for!“
Gamification: Ideal für gelingendes Changemanagement
Landwehr führte aus, dass es zwar in den USA deutlich leichter und schneller geht, ein Unternehmen zu gründen und Risikokapital einzusammeln. Die Kehrseite der Medaille aber ist: Die Produkte, die auf die Schnelle entstehen, sind selten ausgereift.
„German Angst“ vielleicht der Grund, warum die Deutschen sorgfältiger entwickeln
Deutsche Produkte brauchen länger in der Entwicklung – aber dafür funktionieren sie. Nicht von ungefähr beträgt die Gewährleistung in den USA nur drei Monate, im Gegensatz zu der Zweijahresfrist bei uns.
Das mit den Vergleichen ist so eine Sache: Das richtige Maß an Risikobereitschaft steht stets im direkten Kontext mit der eigenen Kultur, dem eigenen Unternehmen, der eigenen individuellen Situation. Ein Extremkletterer muss zum Beispiel sehr risikobereit sein, ein Straßenkehrer weniger. Und sollte es auch gar nicht sein.
Selbst wenn die Amerikaner über die „German Angst“ lächeln: Die ist vielleicht der Grund, warum die Deutschen ihre Produkte so viel sorgfältiger entwickeln. Dabei sollten wir auch entschlossen bleiben.
Diese Diskussion mit Arthur Landwehr bestätigte meine langjährige Erfahrung aus der Maschinenbaubranche. Es kommt darauf an, dass das, was ein Unternehmen tut, zu seiner eigenen Individualität und der seines Umfelds und der Einflussfaktoren passt. Dafür muss es sowohl seine eigenen Stärken als auch seine Märkte, Kunden und Anwender bestens kennen.
Das Ergebnis ist dann immer etwas Produktives. Deshalb suchen wir bei jedem unserer Projekte nach der Individualität des Unternehmers und des Unternehmens, denn darin stecken die Erfolgschancen.
Marodes Stromnetz in den USA sorgt für Ausfälle
Arthur Landwehr hatte trotz aller Unterschiede doch noch eine bedeutende Übereinstimmung zwischen den USA und Deutschland erkannt: Seiner Beobachtung nach haben die US-Amerikaner wie die Deutschen die Vorstellung, in vielen Bereichen die Besten zu sein.
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So denken Marktführer: Sie sind mutig und trauen sich etwas zu. Sie müssen allerdings auch aufpassen, denn diese Vorstellung hindert sie oft daran, sich außerhalb ihrer eigenen Grenzen umzuschauen. Und das führt zwangsläufig dazu, dass man selbst zurückfällt.
Als Beispiel führte er die Infrastruktur an: In den USA ist das Stromnetz so marode, dass es regelmäßig zu Stromausfällen kommt. So weit ist es in Deutschland noch nicht, doch ich meine, wir sind auf dem besten Weg dahin.
Am Ende unserer Runde kamen Arthur Landwehr und ich zu einem ähnlichen Schluss: Pauschal lernen kann der deutsche Maschinenbau von den USA nichts, weil wir in Deutschland eine andere Kultur haben. Wenn wir unseren Werten treu bleiben und uns durch den Blick über den Tellerrand inspirieren lassen, die eigenen Stärken konsequent zu nutzen, dann ist das immer ein Erfolgsrezept, auch im Maschinenbau.