Studie: Zwischen Forderung und Realität klafft große Lücke 27. Nov 2020 Von Claudia Burger Lesezeit: ca. 3 Minuten

Topmanagement ist nicht durchgängig agil

Das Topmanagement fordert häufig agiles Arbeiten, lebt die agilen Arbeitsweisen und die dazu notwendigen Methoden aber oft selbst gar nicht vor. Dies sind Ergebnisse aus der Sonderanalyse „Agile Transformation: Doing Agile versus Being Agile“ des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Lünendonk.


Foto: panthermedia.net / karashaev

Die agile Transformation der Unternehmen schreitet im Zuge des Digitalisierungs- und Innovationsdrucks voran und Führungskräfte bauen agile Methodenkompetenzen auf. In fast allen Unternehmen gibt es Führungskräfte, die agile Methoden beherrschen und gezeigt haben, dass sie agile Projekte erfolgreich umsetzen können. Allerdings schreitet die Umstellung der Unternehmenskultur sowie der Umbau der Aufbauorganisation hin zum agilen Arbeiten beziehungsweise zu hybriden Modellen noch zu langsam voran. Beispielsweise fordert das Topmanagement bereits häufig agiles Arbeiten, jedoch lebt es die agilen Arbeitsweisen und die dazu notwendigen Methoden oft selbst gar nicht vor. So bleibt der Kulturwandel auch eine der größten Herausforderungen bei der agilen Transformation. Das mittlere Management, das sich lange Zeit mit agilem Arbeiten schwertat, passt sich dagegen nun immer besser an und hat deutlich an Methodenkompetenz gewonnen. Dies sind Ergebnisse aus der Lünendonk-Sonderanalyse „Agile Transformation: Doing Agile versus Being Agile“, die im Rahmen der Lünendonk-Studie 2020 „Der Markt für IT-Beratung und IT-Service in Deutschland“ durchgeführt wurde. Hierfür wurden über 200 IT-Führungskräfte aus dem gehobenen Mittelstand sowie aus Großunternehmen und Konzernen verschiedener Branchen befragt.

Rund 58 % der Topmanager leben die agilen Vorgehensweisen selbst vor

Agile Unternehmen sind laut Lünendonk auch in Extremsituationen in der Lage, auf eine veränderte Nachfragesituation sehr schnell zu reagieren, Lösungen umzusetzen und sich den neuen Bedingungen anzupassen. Hierfür müssten sie aber ihre bisherigen Arbeitsweisen auf agile Praktiken umstellen. Vergangene Investitionen der letzten Jahre in die agile Transformation machten sich durch die Corona-Pandemie nun bemerkbar: Ein Drittel der befragten Digital- und IT-Manager gab an, dass Führungskräfte im eigenen Unternehmen Projekte und Produktentwicklungen erfolgreich agil planen und umsetzen können. Weitere 57 % besitzen diese Methodenkompetenz zumindest in Teilen. Zwar ist die agile Methodenkompetenz bei den Führungskräften bereits recht hoch, jedoch besteht noch Nachholbedarf bei der Umsetzung der agilen Methoden. Diese Diskrepanz zwischen Doing Agile und Being Agile zeige sich dadurch, dass zwei Drittel des Topmanagements die agile Transformation zwar vorantreibt, jedoch nur 58 % die agilen Vorgehensweisen selbst vorlebt.

„Für viele Führungskräfte ist es oft einfacher, sich eine neue Methodenkompetenz – wie zum Beispiel Design Thinking – anzueignen, als sich an neue Führungsstile zu gewöhnen“, erklärt Mario Zillmann, Autor der Sonderanalyse und Partner bei Lünendonk & Hossenfelder. „Während noch vor Jahren gerade im mittleren Management, also auf Ebene der Abteilungs- und Teamleiter, besonders viele Vorbehalte gegenüber Agilität und einem damit verbundenen Kontrollverlust herrschte, scheint sich das Bild mittlerweile gewandelt zu haben. Nur 16 % der Studienteilnehmer gaben an, dass das mittlere Management in ihren Unternehmen so gut wie nie agile Arbeitsweisen vorlebt“, so Zillmann.

Wandel der Unternehmenskultur ist eine Herausforderung

Der Wandel der Unternehmenskultur bereitet den Unternehmen laut Studie bei ihrer agilen Transformation weiterhin noch Schwierigkeiten: 35 % der Studienteilnehmer nehmen diesen als sehr starke Herausforderung wahr, weitere 21 % als eher starke Herausforderung. Hierbei geht es unter anderem um Veränderungen am eigenen Mindset, wodurch sich Führungskräfte und Mitarbeiter an Agilität und neue Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit anpassen sollen. „Aber in den meisten Fällen wird sich kein Unternehmen komplett auf agile Arbeitsweisen umstellen, sondern Agilität dort einsetzen, wo es sinnvoll ist – beispielsweise bei Innovationsthemen, der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder der Softwareentwicklung“, erläutert Zillmann. „In diesem Zusammenhang kommt es daher für die Managementebene auf Ambidextrie an – also der Fähigkeit, sich sowohl in agilen als auch in hierarchischen Strukturen gleichzeitig zurechtzufinden und entsprechend flexibel zu sein.“

Agilität benötigt ein Rahmenwerk

Organisatorisch geregelt wird agiles Arbeiten in den befragten Unternehmen noch größtenteils mit den Frameworks Scrum (74 %) und Kanban (64 %). Diese Methoden sind laut Lündendonk eigentlich für die Steuerung kleinerer Teams gedacht und ließen sich nicht ideal zur Steuerung einer großen Anzahl von Teams übertragen. Die hierfür passenden Skalierungsframeworks wie Scrum@Scale (17 %), SAFe (10%) oder das Spotify-Modell (10 %) würden bisher nur von wenigen befragten Unternehmen eingesetzt. Gleichzeitig werde aber der Umbau der Aufbauorganisation von 27 % der Befragten als starke und von 34 % als eher starke Herausforderung gesehen, was auf die Einführung solcher Skalierungsframeworks schließen ließe. „Hinsichtlich des Stands zu den Skalierungsframeworks bestätigt die Studie unsere Beobachtungen am Markt. Es herrscht gerade in diesem Bereich noch eine hohe Unsicherheit in den Unternehmen – nicht nur in Bezug auf Frameworks, sondern auch bezüglich der Bedeutung skalierter Agilität im Allgemeinen“, ordnet Tobias Freitag, Competence Lead Agile Transformation vom Studienpartner bridgingIT, die Ergebnisse ein.

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