Vernetzung kann Ideenmanagement anschieben
Das Betriebliche Vorschlagswesen soll Mitarbeiter zu Innovatoren machen. Die Digitalisierung könnte diesen Trend verstärken. Für viele Großunternehmen rechnet sich die Kreativität ihrer Angestellten. Mit professionellem Ideenmanagement sparen sie jährlich zweistellige Millionenbeträge.
Das Deutsche Institut für Betriebswirtschaft (dib) untersucht regelmäßig, wie es um das Betriebliche Vorschlagswesen in Deutschland bestellt ist. Zuletzt wurden 2014 turnusmäßig 84 Unternehmen befragt. Dort hatten die Mitarbeiter 872 000 Vorschläge eingereicht, von denen etwas mehr als die Hälfte angenommen wurde.
Nach einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom April 1965 muss „eine besondere Leistung des Arbeitnehmers, insbesondere eine Leistung schöpferischer Art, die über die übliche Arbeitsleistung hinausgeht“ gesondert vergütet werden, wenn sie dem Arbeitgeber einen nicht unerheblichen Vorteil bringt.
Die Details werden in der Regel in Betriebsvereinbarungen festgelegt. FuE-Mitarbeitern zahlen die meisten Unternehmen aber keine Prämie, auch leitende Angestellte gehören üblicherweise nicht zum Kreis der Prämienempfänger.
Nicht unter das Betriebliche Vorschlagswesen fallen Patente und gebrauchsmusterfähige Erfindungen. Sie werden im Arbeitnehmererfindungsgesetz geregelt.
Die umgesetzten Verbesserungsvorschläge zahlten sich für die Unternehmen in Cent und Euro aus. Allein die Automobilhersteller Audi, Daimler und BMW sparten 2014 durch gutes Ideenmanagement über 170 Mio. € ein. Doch auch für die Ideengeber lohnt sich das Grübeln. Üblicherweise werden 10 % bis 30 % der Ergebnisverbesserungen oder Einsparungen im ersten vollen Umsetzungsjahr als Prämie gezahlt.
In der Automobilzulieferindustrie und bei den Energieversorgern wurden die besten Ideen mit bis zu 150 000 € prämiert. Auch beim Chemiekonzern BASF machten sich die guten Ideen der Mitarbeiter bezahlt. Von 41 000 Vorschlägen wurden weltweit mehr als 23 000 umgesetzt, 6700 davon am Standort Ludwigshafen. BASF zahlte dafür Prämien in Gesamthöhe von 3,7 Mio. €.
Beim Blick auf die Branchen fällt auf, dass die metallverarbeitende Industrie mit großem Abstand die meisten Verbesserungsvorschläge je 100 Mitarbeiter erzielt. Es folgen die Elektroindustrie sowie der Maschinen- und Anlagenbau. Interessanterweise erhalten die Automobilzulieferer mehr als doppelt so viele Verbesserungsvorschläge wie die Fahrzeughersteller.
Besonders beeindruckend ist die Bilanz des Betrieblichen Vorschlagswesens bei Bosch. Von 2004 bis 2014 sparte das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen allein in Deutschland durch Verbesserungsvorschläge rund 395 Mio. € ein. 2014 wurden Prämien in Höhe von 7,7 Mio. € ausgeschüttet. Die Gießerei-Mitarbeiter Ferdinand Schneider und Xhafer Istrefi im Geschäftsbereich Drive and Control Technology schossen dabei mit einer Einzelprämie von 150 000 € den Vogel ab. Sie hatten sich über dauernde Verstopfungen in einem Rohr, durch das flüssiger Stahl fließt, geärgert. Die häufigen Ausfälle verzögerten die weitere Verarbeitung des Stahls, bis die beiden darauf kamen, das Rohr einfach und kostengünstig mit Sauerstoff zu reinigen. „Als wir beim Ausprobieren merkten, dass sich die Produktionszahlen verbesserten, reichten wir unsere Idee als Verbesserungsvorschlag ein“, erinnert sich Xhafer Istrefi.
Mitarbeiter können Vorschläge einreichen, die beispielsweise betriebliche Abläufe und Prozesse optimieren oder Verschwendung vermeiden. Das können auch Vorschläge sein, die über das eigene Aufgabengebiet hinausgehen. Christoph Röck beispielsweise hat in seinen nunmehr 30 Jahren bei Bosch im Durchschnitt alle zwei Jahre Verbesserungsvorschläge eingereicht. Auch als Gutachter von Verbesserungsvorschlägen anderer Mitarbeiter ist dem Versuchsingenieur aufgefallen, dass viele Kollegen eine große Motivation haben, etwas zum Positiven zu verändern. „Und natürlich ist dann zusätzlich auch die mögliche Prämie ein Anreiz“, erläutert Christoph Röck.
Bei Bosch ist man stolz auf die über 90 Jahre dauernde, auf den Firmengründer Robert Bosch zurückgehende Tradition des Betrieblichen Vorschlagswesens – und dennoch nicht ganz zufrieden. Denn 75 % der Bosch-Mitarbeiter in Deutschland beteiligen sich bisher nicht. „Wir möchten aber auch diese Mitarbeiter anregen, Ideen beizusteuern. Führungskräfte sollen die dafür notwendige Atmosphäre schaffen, damit die Innovationskultur weiterentwickelt werden kann“, berichtet Peter Schmid, der das Ideenmanagement in der gesamten Unternehmensgruppe verantwortet.
Vor dem Hintergrund der Entwicklung zu Industrie 4.0 wird auch das Thema Vernetzung immer wichtiger. Mithilfe der neuen sozialen Medien soll es gelingen, Ideen schneller zu generieren, zu diskutieren und zu bewerten. „Die nun bereitstehenden technischen Möglichkeiten zur Vernetzung werden dem gesamten Ideenmanagement noch einmal neuen Schub geben“, ist Peter Schmid überzeugt.
Seit etwa vier Jahren verfolgt er mit seinem Team auch das Geschehen an den Auslandsstandorten. „Wir fassen die Ergebnisse zusammen und vergleichen. In Deutschland sind wir auf einem konstant hohen Niveau. Im Ausland, vor allem in den USA, ist nach wie vor eine Steigerung beim Ideenmanagement erkennbar.“ In der Analyse sei beispielsweise aufgefallen, dass in den USA Vorgesetzte Ideen ihrer Mitarbeiter direkt bewerteten, befürworteten oder ablehnten. „Im Vergleich dazu ist in Deutschland das Vorschlagswesen deutlich stärker durch gesetzliche Rahmenbedingungen geprägt. Dadurch sind die Freiheitsgrade im Vergleich zu den USA deutlich eingeschränkt“, konstatiert Schmid.