Wie Kollegen ein starkes Team bilden
Der Firmenerfolg hängt auch von der internen Mitarbeitervernetzung ab. Methoden wie der „Mystery Lunch“ sollen dabei helfen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit war das Thema „interne Kommunikation“ noch eine recht überschaubare Angelegenheit. Zumindest in den größeren Unternehmen gehörten regelmäßige interne Meetings, öffentliche Infotafeln und eine eigene Mitarbeiterzeitschrift zum Standard.
Mit der Digitalisierung ist eine Fülle an Online-Tools hinzu gekommen, damit sich die Angestellten noch besser vernetzen und austauschen – und dadurch möglichst noch informierter und effizienter sind. Eine explizite Digitalstrategie, in der die Mitarbeiterkommunikation eingebunden ist, haben immer mehr Betriebe in Deutschland – von den 226 befragten Unternehmen des Trendmonitors Interne Kommunikation 2016 (siehe Infokasten) waren es über 65 %.
Wie sich die Interne Kommunikation in Deutschland entwickelt, untersucht der Trendmonitor Interne Kommunikation, den die School for Communication and Management (SCM) aus Berlin und das Unternehmen MPM Corporate Communication Solutions aus Mainz in regelmäßigen Abständen gemeinsam durchführen. 2016 wurde der Schwerpunkt auf das Thema Digitalisierung gelegt. Befragt wurden 226 Kommunikationsverantwortliche in ganz Deutschland. Hier einige Ergebnisse auf einen Blick:
40 % der Befragten gaben an, eine eigenständige Abteilung für Interne Kommunikation zu haben. Je größer das Unternehmen, desto eher gibt es eine eigene Abteilung. 2013 waren es noch 37 %.
45 % der Befragten verfügen über ein schriftlich fixiertes internes Kommunikationskonzept.
Rund die Hälfte der Befragten ist mit dem Status der jeweiligen internen Kommunikation zufrieden. Sie sehen aber noch enormen Handlungsbedarf bei der digitalen Transformation.
Über 65 % haben eine explizite Digitalstrategie, 25 % werden dies langfristig angehen, 10 % sehen darin keine Notwendigkeit.
Als wichtigste konkrete Projekte gaben die Befragten an: Intranet, mobile interne Kommunikation, Digitalisierungsstrategie, Employer Branding. Das Thema Social Media, das 2013 noch an erster Stelle stand, scheint mittlerweile etabliert und nimmt eine weniger bedeutsame Rolle ein.
Als wichtigstes Instrument der Internen Kommunikation gaben die Befragten das persönliche Gespräch (96,6 %) an, gefolgt vom (Social) Intranet (85,2 %). Die Bedeutung der Mitarbeiterzeitschrift als Printversion (63,3 %) und als Online-Version (65,1 %) ist ähnlich.tc
„In unserem Unternehmen werden abteilungsübergreifendes Arbeiten und Vernetzung großgeschrieben“, sagt Friderike Schröder, Director Human Resources & Organisation bei Ratepay, einem Payment-Anbieter aus Berlin mit 140 Mitarbeitern. „Unser Ansatz ist kunden- und lösungsorientiert, dabei hilft ein Mix aus Offline- und Online-Instrumenten. Auch räumliche Strukturen, wie offen gestaltete Büroflächen oder große Küchen, sollen das unterstützen.“ Zu den Online-Tools bei Ratepay zählen der regelmäßige Newsletter, der an alle Mitarbeiter geht, und das „Weekly“, ein wöchentlich erscheinender Report, der darüber informiert, was allgemein in der Branche passiert. Darüber hinaus gibt es ein unternehmenseigenes Intranet, in dem die Angestellten auf verschiedene Weise miteinander kommunizieren können.
Unter „Serendipität“ verstehen Wissenschaftler eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich dann als neue Entdeckung erweist. Eine ganze Reihe von geschichtlichen Ereignissen und Erfindungen kamen so zustande: die Entdeckung Amerikas, der Röntgenstrahlung, des Penicillins, des Sekundenklebers oder der kosmischen Hintergrundstrahlung.
Auch beim Surfen im Internet oder bei der Recherche in Datenbanken können Serendipitätseffekte entstehen. Dieser Ansatz kann Firmen helfen, neue Technologien oder Produkte zu entwickeln. Dabei sind persönliche Kontakte entscheidend, denn selten entstehen Innovationen aus der Geisteskraft eines Einzelnen. Die zunehmende Vernetzung, auch der Mitarbeiter in einem Betrieb, kann also die Innovationskraft fördern. tc
„Offline“ passiert auch eine Menge. Zum Beispiel beim „Company Meeting“, bei dem unter anderem die Verantwortlichen Einblicke in ihre Projekte geben, Meilensteine präsentieren und zukünftige Entwicklungen thematisiert werden. Wöchentlich findet zudem das Format „Give and Take“ statt: Mitarbeiter aus allen Abteilungen werden eingeladen, eine Stunde lang zu einem bestimmten Thema, etwa Kreativität, von anderen Mitarbeitern zu lernen. Ein Geben und Nehmen also, von dem alle bei Ratepay profitieren sollen.
„Grundsätzlich kommt es auf einen guten Mix aus Offline- und Online-Tools an“, erklärt Friderike Schröder, die auch Beisitzerin im Präsidium des Bundesverbandes der Personalmanager BPM ist. „Online-Tools eignen sich vor allem, um Mitarbeiter schnell zu erreichen und zu informieren. Interessen und Know-how können geteilt werden – das geht auch über den Unternehmenskontext hinaus und sorgt so für Bindung und Motivation.“ „Offline-Maßnahmen sind vor allem wichtig, damit auch die persönliche Komponente nicht zu kurz kommt. Hier kann etwa Wertschätzung besser vermittelt und Vertrauen aufgebaut werden“, so die Personalerin.
Bei allen Chancen, die die Digitalisierung eröffnet, hat Schröder doch das Gefühl, dass Offline-Tools zur Vernetzung zunehmend gefragt sind. „Ich glaube, dass nachhaltiger Dialog nur hier stattfinden kann.“
Diese Auffassung teilt Christoph Drebes, Mitgründer des Start-ups „Mystery Lunch“. „Alle sprechen vom digitalen Social Networking. Wir glauben aber, dass die direkte zwischenmenschliche Kommunikation face-to-face nach wie vor am wichtigsten ist und konzentrieren uns darauf. Die Digitalisierung nutzen wir, um persönlichen Austausch zu ermöglichen.“ Drebes und seine Kollegen haben vorher beim Konzern Telefónica gearbeitet, in unterschiedlichen Abteilungen. „Damals haben wir festgestellt, dass die Abteilungen sowohl räumlich als auch personell kaum miteinander zu tun hatten und nicht viel voneinander wussten. Dieses Silodenken wollten wir abbauen“, sagt Christoph Drebes. Nach und nach entwickelten sie so die Idee des Mystery Lunch: Mitarbeiter, die nach einem bestimmten Algorithmus ausgewählt werden, gehen gemeinsam mittagessen oder Kaffee trinken – und haben so ein Blind Date.
Was Drebes mit seinem Team zunächst bei Telefónica nebenberuflich ausprobiert hat, ist mittlerweile ein professionelles Unternehmen. Über 100 000 Mystery Lunches in 15 Ländern haben die Münchner seit 2014 organisiert, zu den Kunden zählen 40 Unternehmen, unter anderem die Telekom, Allianz oder DHL. Die Vorgehensweise beim Mystery Lunch ist einfach. Mitarbeiter, die sich für die Idee interessieren, können sich freiwillig anmelden. Dabei können sie etwa ihre Funktion, ihre möglichen Teilnahmetage und bestimmte Interessen angeben. Ein Algorithmus, der auch das Zufallsprinzip enthält, lost zwei „Matches“ einander zu und verschickt Einladungen zum Mittagessen.
„Inhalte für das Treffen werden nicht vorgegeben. Unter Umständen können aus einem solchen Zusammenkommen sogar neue Ideen oder Projekte entstehen. Dieses Prinzip nennt man „Serendipität“, erklärt Christoph Drebes. Wissenschaftler verstehen unter diesem Begriff eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich dann als neue Entdeckung erweist (siehe Infokasten links). „Das ist natürlich nicht steuerbar. Aber wir schaffen mit dem Mystery Lunch potenziell Raum für Innovationen“, ist sich der Unternehmer sicher. Zwischen 10 % und 20 % eines Mitarbeiterstamms melden sich in der Regel beim Mystery Lunch an – davon finden zwischen 80 % und 90 % der Auslosungen dann auch statt.
Der Erfolg des kreativen Mittagessens lässt sich zwar nicht unmittelbar im Return on Investment, aber anhand einiger anderer Faktoren ablesen. Per Umfrage erfährt Mystery Lunch von den Beteiligten, ob neue Projekte aus dem Treffen entstanden sind, sehr ähnliche Projekte eventuell synchronisiert oder redundante Strukturen im Unternehmen beseitigt wurden. „Besonders introvertierten Menschen fällt es mit unserem Tool leicht, neue Kollegen kennenzulernen, da sie die ,offizielle Genehmigung‘ haben, andere Menschen anzusprechen“, meint Drebes.
Interessant sei auch, dass das Konzept vor allem im deutschsprachigen Raum gut funktioniert. Drebes: „In Regionen wie Lateinamerika erkennen die Leute den Mehrwert des Tools gar nicht, da man dort ganz selbstverständlich aufeinander zugeht und miteinander spricht.“