Eignungsdiagnostik bringt Ingenieur und Arbeitgeber zusammen
Eignungsdiagnostik kann wesentlich dazu beitragen, den „richtigen“ Ingenieur mit dem „richtigen“ Arbeitgeber zusammenzubringen, sagt der Bonner Psychologe und Berater Harald Ackerschott.
VDI nachrichten: Herr Ackerschott, auf Ihrer Homepage steht: „Menschen unterscheiden sich“ und auch „Stellen unterscheiden sich“. Warum müssen Sie diese Binsenweisheiten noch betonen?
Ackerschott: Es ist eine banale Botschaft, die aber häufig nicht gelebt wird. Bewerbern wird in zahlreichen Ratgebern und Artikeln suggeriert, dass sie sich auf eine bestimmte Art und Weise darstellen sollen, um den Job zu kriegen. „Fünf Sätze, die du nie sagen darfst“, „Drei Fragen, auf die du dich vorbereiten musst“ usw. Gleichzeitig will eine ganze Industrie ihnen auf die Schliche kommen, wenn sie sich verstellen. Das alles ist völlig überflüssiger Stress. Es gibt unterschiedliche Aufgaben, auf die unterschiedliche Menschen passen. Wenn man sich etwas sucht, was man gut kann, ist das der Weg zum erfüllten, glücklichen Leben.
Was kann die Eignungsdiagnostik da leisten?
Wir haben zwei Instrumente entwickelt. Der ABTI zeigt, wie die Aufgaben strukturiert sind, worauf es ankommt. Der ABCI ist ein Onlinetest für die Bewerber auf eine konkrete Stelle, der die kognitiven Leistungen misst sowie die Verhaltensvorlieben in bestimmten Situationen abfragt. Das Ziel ist, eine möglichst gute Passung zu erreichen. Es hilft dem Arbeitgeber auch, über den eigenen Schatten zu springen und nicht nach Stereotypen auszuwählen.
Es gibt nicht nur Nägel
Prozesse wie auch Mitarbeiter sollen doch heutzutage agil sein. Macht sie das schlechter vorhersehbar?
Es wird bei allen Aufgaben proklamiert, dass sie jetzt agil, New Work sein müssen. Die Gurus versuchen, jede Aufgabe mit dem Hammer zu einem Nagel zu machen, aber es gibt auch die Schrauben, die Klammern und die Federn. Old Work neben New Work, agil neben Routine. Was uns jetzt das Leben vor allem schwer macht: Das Bildungssystem ist keine Quelle mehr von gut ausgebildeten talentierten Menschen, die automatisch sprudelt. Selbst bei den Ingenieurfächern mit ihrer hohen Selektionsquote kann man sich nicht immer darauf verlassen, dass, wer es geschafft hat, wirklich etwas gelernt hat. Deshalb müssen die Unternehmen umso genauer hinschauen.
Welche Rolle spielen rein fachliche Kompetenzen gegenüber den Soft Skills noch?
Wir sehen in manchen Fachgebieten heute größere Veränderungen. Wer 20 Jahre lang an der Entwicklung von Verbrennungsmotoren gearbeitet hat und sich jetzt auf E-Mobilität einstellen muss, kann nur sehr begrenzt auf Erfahrungen und gelerntes Wissen zurückgreifen. Da ist eine alte, grundlegende Fähigkeit wieder gefordert: die Intelligenz. Die Messung der allgemeinen Intelligenz sagt am besten voraus, welche Arbeitsleistung jemand bringen wird. Das ist besser als spezifische Wissenstests, Soft-Skills-Tests, Persönlichkeitsfragebögen oder auch Interviews, strukturierte oder nicht strukturierte. Intelligenz ist der einzelne Wert, der Arbeitsleistung am besten vorhersagt – Arbeitsleistung, nicht Karriereerfolg! Denn Erfolg ist in gewissem Maße auch von Leistung entkoppelt. Einmal, weil nicht alle Hochleister auch an Karriere interessiert sind. Und zweitens, weil besondere Leistung nicht in allen Systemen geschätzt und belohnt wird. Innovatoren z. B. stoßen oft auf Widerstand.
Teamarbeit ist Führungsaufgabe
Ingenieure müssen doch auch vom Kunden her entwickeln oder im Team arbeiten.
Teamarbeit ist eine Führungsaufgabe. Auch Menschen, die im Sozialen, im Kontakt nicht so leichtgängig sind, sind so zu führen, dass sie im Team arbeiten können. Man soll die Menschen nicht überfordern: Wer geniale Ideen hat, muss nicht auch noch nett und umgänglich sein.
Gibt es eine Rangliste der Entscheidungsgrundlagen?
Es gibt wissenschaftliche Studien dazu. An erster Stelle steht der Intelligenztest, danach ein gut geführtes Interview.
Richtig gefüttert hilft KI
Was kann KI im Bewerbungsverfahren leisten?
Viel, wenn man sie mit den richtigen Daten füttert. Bei einem Intelligenztest mit einigen zusätzlichen Skalen zu Verhaltenspräferenzen wie dem ABCI und einer großen Anzahl an Teilnehmenden dauert es lange, diese händisch in die richtige Reihenfolge zu bringen. Wenn man acht Kennwerte pro Person und 1000 Personen hat, ist es leicht, die fünf Besten herauszupicken, aber den mittleren Bereich sinnvoll anzuordnen, schafft ein Algorithmus viel schneller. Bei uns schaut zwar immer noch ein Mensch auf das Gesamtergebnis, aber auch unsere eigenen Technikskeptiker konnten es nicht besser. Zum Problem wird jede KI, wenn man sie mit Blödsinn füttert.
In der agilen Arbeit sollen sich Teams selbst organisieren. Sollen sie auch ihre neuen Mitglieder selbst aussuchen, ohne Chefs und HR?
Die Düsseldorfer Firma Sipgate hat beschrieben, dass das Team die Verantwortung tragen muss, eine Person zu entlassen, wenn es nicht klappt. Das ist sauber, so lernt man daraus. Es braucht viele gute und schlechte Entscheidungen, um eine eigene diagnostische Kompetenz zu entwickeln. Die Frage ist: Will man das jedem zumuten?
Fehlentscheidungen sind doch teuer.
Viel teurer ist, sich nicht von Fehlbesetzungen zu trennen. Aber ja, direkt gute Eignungsdiagnostik zu nutzen, ist kostengünstiger.
Harald Ackerschott
- Der Diplom-Psychologe ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Harald Ackerschott GmbH mit Sitz in Bonn.
- Die von den Beratern empfohlene Eignungsdiagnostik soll eine möglichst hohe Trefferquote in der Personalauswahl gewährleisten und der Personalentwicklung Hinweise auf Entwicklungspotenziale, Platzierungsentscheidungen und Entwicklungsmaßnahmen liefern.
- Harald Ackerschott ist Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zu Karrierechancen für Ingenieure auf dem VDI nachrichten Job Hub während der Hannover Messe. Termin: 23.4.20 um 15:20 Uhr.
- https://ackerschott.eu/de/beratende-psychologen-psychometrie.html