RÜSTUNGSINDUSTRIE 20. Feb 2015 Sebastian Wolking Lesezeit: ca. 3 Minuten

Selbstbewusster Auftritt als Arbeitgeber

Waffen zu entwickeln und herzustellen, ist kein Ruhmesblatt, mit dem sich Ingenieure normalerweise schmücken. Die Ressentiments gegenüber der Branche sind in den vergangenen Jahren dennoch zurückgegangen, meinen Personalexperten. Moralische Bedenken haben die meisten Arbeitnehmer nicht.

Viele Ingenieure scheinen keine moralischen Bedenken zu haben in der Rüstungsindustrie zu arbeiten.
Foto: panthermedia.net/leventina

Militär, nein danke! Für eine Vielzahl deutscher Studenten ist die Rüstungsindustrie ein rotes Tuch – und als Arbeitgeber erst recht keine Option. Deutsche Rüstungsexporte in die Krisenregionen dieser Welt sorgen für zusätzliche Kritik am militärisch-industriellen Komplex. Als Deutschlands größter Rüstungskonzern im vergangenen September seinen 125. Geburtstag feierte, sahen sich die NRW-Grünen dazu aufgerufen, dem Jubilar per Pressemitteilung ausdrücklich nicht zu gratulieren. „125 Jahre Rheinmetall sind für uns kein Grund zum Feiern“, schrieben die Landesvorsitzenden Mona Neubaur und Sven Lehmann.

Weniger Waffenexporte genehmigt

Laut Wirtschaftsministerium genehmigte die Bundesregierung 2014 insgesamt 12 090 Einzelanträge für die Ausfuhr von Rüstungsgütern. Im Jahr zuvor sollen es 17 280 gewesen sein. „Der Gesamtwert dieser Genehmigungen, nicht der tatsächlichen Exporte, betrug 2014 insgesamt 3,974 Mrd. € und ist damit im Vergleich zu 2013 (5,846 Mrd. €) um 32 % gesunken“, heißt es aus dem Ministerium.

2014 seien damit so wenige Einzelgenehmigungen für Rüstungsexporte erteilt worden wie seit sieben Jahren nicht mehr. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel macht sich seit seiner Amtseinführung 2013 für die Reduzierung der Waffenexporte stark.

Die Einstellungen deutscher Ingenieure aber scheinen sich allmählich zu wandeln. Sind Rüstungsbetriebe auf dem Weg zu ganz normalen Arbeitgebern?

Rüstungsbetriebe gelten vielen als attraktive Arbeitgeber

Christian Nimtz plagen offensichtlich keine moralischen Bedenken bezüglich seines Arbeitgebers. „Ich komme aus einer strukturschwachen Region, da kann man die attraktiven Unternehmen mit einer hohen Ausbildungsqualität an einer Hand abzählen“, gibt er sich pragmatisch. Der 38-Jährige arbeitet schon seit vielen Jahren für Diehl Defence, einem Teilkonzern der Diehl Stiftung im saarländischen Nonnweiler. Die Diehl Stiftung ist mit über 14 000 Mitarbeitern die Nummer drei der deutschen Rüstungsbranche. Die Mitarbeiter stellen unter anderem suchkopfgelenkte Flugkörper und intelligente Munition her. Waffen machen rund ein Drittel des Gesamtumsatzes aus.

Nimtz hatte 1989 im Diehl-Werk im saarländischen Mariahütte seine Ausbildung zum Industriemechaniker begonnen und ein Studium an der FH Stralsund folgen lassen. Danach heuerte der Wirtschaftsingenieur als Anwendungsbetreuer SAP erneut bei Diehl an und ist heute Leiter des Fertigungscontrollings. Nach einem baldigen Abschied sieht es nicht aus. Der Ingenieur baut für seine Familie gerade ein Eigenheim, ganz in der Nähe des Waffenwerks.

Eine Ausnahme ist der Wirtschaftsingenieur keineswegs. Sogar im „Graduate Barometer 2014“ des Forschungsinstituts Trendence taucht der Name Diehl unter den 100 beliebtesten Arbeitgebern für Ingenieure auf. Während die Akademiker das Familienunternehmen aus Nürnberg auf Position 91 wählten, schaffte es der Düsseldorfer Rüstungshersteller Rheinmetall auf Rang 82. Im Universum-Ranking liegt Rheinmetall sogar auf Platz 40 der beliebtesten Ingenieurarbeitgeber. „Ressentiments sind im Verlauf der letzten 15 Jahre deutlich zurückgegangen“, bestätigt Lutz Rachner, Vice President der Personalberatung Kienbaum. Viele Bewerber würden sich differenziert mit der Branche auseinandersetzen.

Perspektiven bieten die Waffenschmieden für Ingenieure nahezu jeder Studienrichtung in der Tat reichlich. Längst nicht mehr sind nur wehrtechnische Klassiker wie Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik, Fahrzeugbau und Mechanik gefragt. Sogar Absolventen aus den Bereichen Game Design, Software-Engineering, Optronik oder Lasertechnik sind mittlerweile ins Fadenkreuz der Rüstungsindustrie geraten – die elektronische Entwicklung macht auch oder gerade vor der Wehrtechnik nicht Halt. „Die Perspektiven für Ingenieure sind in der Rüstungsbranche unverändert gut“, erläutert Rachner. „Die Zahl der Einstellungen wird aber aufgrund der reduzierten Wehretats sinken.“

Zum Frauenanteil schweigen sich die meisten Betriebe aus

Viele ehemalige Soldaten sind in den Rüstungsbetrieben beschäftigt, nur wenige Frauen, entsprechend rau soll der Ton manchmal sein, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Rachner: „Mehr als andere Branchen gilt die Rüstungsindustrie als Männerdomäne.“ Wie hoch der Frauenanteil im Unternehmen eigentlich sei, dazu will Diehl Defence keine Auskunft geben. Auch sonst sind die Konzerne zurückhaltend, die Wehrtechnik ist nun mal ein heißes Eisen.

Die Personalstrategie präsentiert man dagegen offensiv. Die Düsseldorfer werben mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, mit Erfolgsbeteiligungen, dem betrieblichen Altersversorgungssystem „Rheinmetall Plus“ und einem Aktienkauf-Programm. Im Rahmen von „Mein Stück Rheinmetall“ können Mitarbeiter „zu attraktiven Konditionen“ Aktionär werden. Immerhin beschäftigt der Technologiekonzern über 21 000 Menschen und ist kontinuierlich auf qualifizierten Nachwuchs angewiesen. „Wir stellen fest, dass bisher bewährte Kanäle, etwa Stellenanzeigen und -börsen, vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels nicht mehr ausreichen, um qualifizierte Bewerber zu gewinnen“, sagt Jörg Wagener, seines Zeichens Abteilungsleiter Personal für den Geschäftsbereich „Weapon & Munition“.

Jährlich würden 15 Ausbildungsplätze in unterschiedlichen Berufszweigen neu besetzt, so Wagener. Deshalb schicken die Rheinmetaller momentan „Ausbildungsbotschafter“ in Schulen, um rechtzeitig rüstigen Nachwuchs für die Waffenproduktion zu begeistern. Die Initiative kommt bei den Schülern angeblich gut an. Dass die Grünen dem Konzern zu diesem Coup gratulieren, darf bezweifelt werden.

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