Berufseinstieg 08. Nov 2019 Von Matilda Jordanova-Duda Lesezeit: ca. 3 Minuten

Ingenieure dringend gesucht

Trotz Flaute in manchen Branchen sind Ingenieure weiter sehr gesucht. Das gilt für den öffentlichen Dienst wie für Ingenieurdienstleister gleichermaßen.

Optimistische Stimmung auf dem Podium: Petra Rinnenburger von der Stadt Köln (l.), Elisabeth Wallrath vom Land NRW und Stefan Gertzobe von der Excellence AG stellten die Chancen für Jungingenieure heraus.
Foto: Zillmann

Man stelle sich vor, beim Bewerbungsgespräch preist der Arbeitgeber seine tollen Leistungen bei den wählerischen Fachkräften an. Genau das passiert beim Recruiting Tag von VDI nachrichten in Köln. Zwei Behörden und ein Ingenieurdienstleister stellen sich mit einem Elevator Pitch in einer Minute dem Publikum vor. Während die Autoindustrie und der Maschinenbau schwächeln, boomt die Baubranche nach wie vor: Quereinsteiger sind willkommen.

Dabei geht es nicht nur um Wohnungen, sondern um vielfältige Bauprojekte der öffentlichen Hand, führen Petra Rinnenburger, Geschäftsführerin der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln, und Elisabeth Wallrath, Geschäftsbereichsleiterin des Bau- und Liegenschaftsbetriebs des Landes NRW, aus. „Wir haben viel mehr offene Stellen als Bewerber“, so Rinnenburger. Um die Lücke zu schließen, gehe die Kommune seit einigen Jahren offensiv auf die Hochschulen der Region zu und biete praktische Semester und duale Studiengänge an.

Image des öffentlichen Dienstes verbessern

Vor allem versuche sie, das schlechte Image des öffentlichen Dienstes zurechtzurücken: „Bei uns gibt es keine beigen Gardinen und vertrocknete Topfpalmen.“ Stattdessen fänden die Berufseinsteiger und -einsteigerinnen Equal Pay, jede Art von Arbeitszeitmodellen und die Möglichkeit vor, verantwortungsvolle Projekte zu leiten, auch wenn die Kinder klein sind oder die Eltern Pflege benötigen. Man könne sein Interesse an Sport, Kultur und Bildung ausleben und die Digitalisierung vorantreiben. Die Bauprojekte der öffentlichen Hand seien hochmodern und einzigartig: Schul- und Hochschulgebäude, Theater und Museen, Bürohochhäuser und Feuerwachen sind einige Beispiele.

Weil im öffentlichen Dienst jahrelang Personal abgebaut wurde, werden nun verstärkt Quereinsteiger gesucht. Versicherungen, Autozulieferer und -händler reduzierten zur Zeit Stellen. Das große Geld verdiene man bei den Behörden zwar nicht, dafür gebe es sichere Arbeitsplätze, Ortsnähe, geregelte Arbeitszeiten und das Bewusstsein, etwas Sinnvolles zu tun.

Neuzugänge bekommen Mentor

Neuzugänge durchliefen einen gesteuerten Onboardingprozess. Jeder bekäme einen Mentor an die Seite, ein Starterpaket an Fortbildungen, z. B. über die spezifische Behördensprache, sowie individuelle Beratung und abgestimmte Weiterqualifizierungen.

Auch die Stadt Köln winkt mit einem „Willkommenskultur“-Programm. „Man ist hier nah an den Bürgern, die die Gebäude nutzen: Das muss man erst einmal lernen. Außerdem erfährt man, wie die Stadt tickt, wie die politischen Gremien funktionieren“, so Rinnenburger.

Die Frage nach der Verbeamtung hört die Geschäftsführerin der städtischen Gebäudewirtschaft oft und die Antwort lautet: „Erst nach einem Baureferendariat.“ NRW habe jahrelang keine Referendare ausgebildet, weil das Beamtenverhältnis als verpönt galt. Das ändere sich jetzt. Das Baureferendariat qualifiziere für hoheitliche Aufgaben und biete gute Karrieremöglichkeiten, aber die zwei Jahre lange Durststrecke müsse man sich erst einmal antun. Im technischen Dienst sei jeder Vierte verbeamtet, in anderen städtischen Bereichen sei der Anteil viel größer.

Berufsanfänger gefragt

Angestellte bekämen bei der Stadt Köln unbefristete Verträge. „Wir nehmen sehr gerne Berufs­anfänger an“, betont Rinnenburger. Man halte auch immer Ausschau nach High Potentials. Wallrath und Rinnenburger hätten einst als Sachbearbeiterinnen angefangen: ein Beispiel, dass Behörden Frauen die gleichen Chancen auf einen verantwortungsvollen Posten böten.

Die zwei großen Themen, die die öffentlichen Liegenschaftsentwickler derzeit umtreiben, sind die Digitalisierung der Baustellen und die Klimaneutralität. Hier greife man verstärkt auf das Know-how von Hochschulen, Ingenieurbüros und anderen Dienstleistern zurück.

Als Vertreter der Ingenieurdienstleister wirbt Stefan Gertzobe, Leiter der Kölner Niederlassung der Excellence AG, mit spannenden Engi­neeringprojekten für und bei Kunden aus verschiedenen Branchen. „Wir sind breit aufgestellt, um Verwerfungen in bestimmten Bereichen entgegenzuwirken“, sagt er mit Blick auf die schwächelnde Autoindustrie. Die Dienstleister seien typische Arbeitgeber für Hochschulabsolventen, die sie mit Einarbeitungsprogrammen, regelmäßigen Feedbackgesprächen und individueller Schulung fit für die Praxis machten.

Intensive Weiterbildung

Gertzobe: „Ingenieurdienstleister betreiben besonders intensiv Weiterbildung, aber sie ist immer auf die einzelne Person ausgerichtet: Wenn man etwas nicht anwendet, ist es in drei Monaten schon vergessen.“ Für junge Leute biete der Einsatz auch die Chance, verschiedene Branchen, Unternehmensgrößen und Tätigkeitsfelder zu testen.

Auch wer Migrant oder schon älter sei, habe bei der Excellence AG gute Chancen. Bezahlt werde nach Verdi-Tarif, angelehnt an den Telekom-Tarifvertrag. Zudem gebe es Projektzuschläge.

Die Einsteiger können sich nach Wunsch zu Spezialisten oder Generalisten entwickeln und im Innendienst Karriere als Team- oder Abteilungsleiter machen. 80 % der Ingenieure und Ingenieurinnen arbeiteten jedoch vor Ort bei den Kunden und werden sehr oft – „im Schnitt nach zwölf Monaten“ – von diesen übernommen. „Ich habe noch nie erlebt, dass einer zum öffentlichen Dienst gewechselt ist“, gibt Gertzobe zu.

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