DIGITALISIERUNG 08. Jul 2019 Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 3 Minuten

Revolution auf dem Bau

Der technologische Wandel wird die Bauwelt gravierend verändern. Das gilt auch für die Ausbildung und die Arbeit der Ingenieure.

Die Technik ist vorhanden, noch aber fehlt es häufig an Ingenieuren, die bei Bauvorhaben in digitaler Vernetzung geschult sind.
Foto: panthermedia.net/paulistano

Obwohl sie zu den großen Wirtschaftszweigen zählt, ist die Baubranche überwiegend mittelständisch und in der Arbeitsweise handwerklich geprägt. „Anders als im Schiffbau gibt es im Hoch- und Tiefbau nur selten eine zentral steuernde Kraft; vielmehr wird Planung und Fachplanung auf viele Beteiligte verteilt und die einzelnen Gewerke arbeiten häufig mehr oder weniger unabhängig voneinander“, hat Christian Glock beobachtet, der nach 18 Jahren in der Industrie das Lehrgebiet Massivbau und Baukonstruktion an der TU Kaiserslautern verantwortet.

Die Digitalisierung, die mittlerweile auch die Bauwirtschaft erreicht hat, erfordere jetzt „einen Kulturwandel zur vernetzten und teamorientierten Arbeitsweise“, ist Glock überzeugt. Das hat Konsequenzen sowohl für die Ausbildung als auch für die Arbeitsweise von Bauingenieuren. „Kenntnisse im Prozess- und Projektmanagement sollten in der Ingenieurausbildung eine stärkere Rolle spielen“, sagt Albert Dürr, geschäftsführender Gesellschafter der Stuttgarter Unternehmensgruppe Wolff & Müller (siehe Interview auf der Nebenseite).

Spürbar werden die Veränderungen im Bauingenieurwesen zunächst durch den Einsatz neuer Techniken wie in Form von 3-D-Brillen und virtuellen Realitäten. Der technologische Fortschritt kann zu neuen Prozessen und Abläufen führen. „Wir können die Digitalisierung unter anderem nutzen, um Projektbeteiligte besser zu vernetzen“, ist Glock überzeugt. „Hier gibt es immer noch Nachholbedarf.“ Ingenieure arbeiten nach seiner Überzeugung zwar in ihren Bereichen meist exzellent, „aber bei vielen Großprojekten fehlt oft der Blick auf das große Ganze“.

In der neuen digitalen Bauwelt wird das „Building Information Modeling“ (BIM) eine zentrale Rolle spielen. Die Methode verknüpft alle für die Planung, den Bau und den späteren Betrieb erforderlichen Daten eines Gebäudes zu einem „digitalen Zwilling“. Lange bevor ein Bauwerk tatsächlich realisiert wird, können dabei sowohl das spätere Gebäude als auch der gesamte Bauablauf virtuell durchgespielt und verbessert werden.

BIM vernetzt die beteiligten Planer viel enger als bislang und offenbart frühzeitig potenzielle Schwierigkeiten in dem Projekt: „Die vermeintlichen Hürden beruhen nicht auf Problemen mit BIM, sondern auf im bisherigen Prozess ohnehin vorhandenen Schwächen, die bisher nur weniger sichtbar waren“, betont Glock.

Für Architektur- und Ingenieurbüros wird diese Vernetzung eine wesentliche Veränderung bedeuten, ebenso wie für alle an der Bauausführung beteiligten Unternehmen. Eindringlich mahnt der Experte: „BIM ist bezüglich seines Veränderungspotenzials nicht zu vergleichen mit der Umstellung vom Zeichenbrett auf CAD.“ Bei dem Schritt sei ein bestehender Prozess lediglich digitalisiert worden: „Im Fall von BIM wird sich der Prozess als solcher verändern und damit verbunden auch die Arbeitsweise.“

Die entscheidende Veränderung sieht Glock in der Notwendigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit, die bei den einzelnen Beteiligten zumindest ein Grundverständnis für die Arbeit der jeweils anderen voraussetzt. Grundsätzlich erwartet er, „dass sich die bisher übliche Trennung in Architektur, Fachplanung, Gewerken und Leistungsphasen in Zukunft aufweichen wird“. Das könnte sogar Auswirkungen auf die akademische Ausbildung haben: „Statt vieler Spezialisten ist immer mehr der klassische Baumeister mit breit angelegten Kenntnissen gefragt.“

Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als Professor im Bauingenieurwesen hat Glock in Kaiserslautern das Thema Digitalisierung bereits in der Lehre verankert. „BIM ist bereits im zweiten Semester ein Thema.“ Zudem will Glock der Digitalisierung in der Forschung in seiner Kerndisziplin Massivbau eine stärkere Rolle geben. Die TU beschäftigt sich insbesondere mit Stahl- und Spannbetonbau sowie Mauerwerksbau; die Forscher arbeiten an neuen Betonarten oder neuen Verbindungsmitteln. Künftig will sich Glock auf dieser Basis auch mit neuen digitalen Techniken beim Bauen oder dem Einsatz von Robotern beschäftigen.

Angesichts der Komplexität des Themas mag Glock nicht vorhersagen, wohin die Reise insgesamt gehen wird. „Bauingenieure, die üblicherweise mit exakten mathematischen Formulierungen arbeiten, müssen sich darauf einstellen, dass die möglichen Entwicklungen weder mathematisch formulierbar noch exakt vorhersehbar sind.“ Eines ist für ihn jedoch sicher: „Es ist wichtig, dass sich die Beteiligten der Thematik stellen und ein Gefühl für die Treiber und Auswirkungen entwickeln.“

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