So bringt Vertriebsingenieur Klempert Studierenden das Verkaufen bei
Der Vertriebsingenieur Martin Klempert lehrt an der HTW Berlin, wie man Industriegüter verkauft. Sein Publikum ist ganz Ohr.
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Ein großer stattlicher Mann von 2 m Länge betritt die Bühne. Er wird ohne große Vorwarnung laut und wettert: „Das kann doch nicht wahr sein! Wenn Ihre Lieferung so spät kommt, kann ich nicht produzieren! Die Produktion liegt brach!“ Die Zuhörerschaft zuckt zusammen wie das Kaninchen vor der Schlange, ist sichtlich geschockt. Dann stellt sich das junge Publikum der Herausforderung und dem Anliegen des aufgeregten Mannes, man diskutiert und sucht nach Lösungen. Schließlich verlässt der Hüne die Bühne und betritt sie wenig später in der Rolle des frustrierten Kunden. „Bitte helfen Sie mir! Meine Firma liegt am Boden!“
Vertriebsingenieur: „Das Fach ist gelebte Verkaufssituation“
Die Bühne ist ein Hörsaal in der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW), die Zuschauer sind rund 50 Studierende des Masterstudiengangs „Industrial Sales and Innovation Management“. Und der wahlweise störrische, dominante, aggressive, gelangweilte oder ablehnende Kunde ist Seminarschauspieler, engagiert von Martin Klempert. Seit nunmehr elf Jahren baut der routinierte Vertriebsingenieur den Studierenden bei seinen Vorlesungen in Sachen Verkaufsgesprächsführung und Vertriebsplanung, Organisation und Controlling Brücken zwischen Theorie und Praxis. Das kleine Schauspiel mit anschließender Debatte ist für viele Studierende Vergnügen und effektive Lerneinheit zugleich.
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Das sieht auch Studiengangleiter Stephan Wilksch so: „Das Fach ist gelebte Verkaufssituation, in der die Studenten praktisch ihre Kommunikation trainieren und gezielt weiterentwickeln. Industrieller Vertrieb hat mit Menschen und der Einschätzung der jeweiligen Verkaufssituation zu tun. Deshalb ist das praktische Üben eines Verkaufsgesprächs ein Highlight unseres Masters“, sagt der Professor.
Nach VDI-Ausbildung zum Vertriebsingenieur 25 Jahre im Vertrieb
Vor 25 Jahren begann die Karriere des studierten Elektrotechnikers Martin Klempert, die ihn ohne große Umwege in den Vertrieb brachte. „Seit Beginn an arbeite ich mit elektrischen Wechselrichtern in Vertrieb und Projektierung, die ersten 15 Jahre im Bereich der elektrischen Antriebstechnik. Anschließend bei einem neuen Arbeitgeber kümmerte ich mich um die Netzspannungsqualität in Industrienetzen. Durch die hochwertige Ausbildung beim VDI zum ,Vertriebsingenieur (VDI)‘ habe ich meine Kenntnisse rund um den Vertrieb erweitern und vertiefen können.“
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Heute ist Klempert für die Tesvolt AG tätig, für einen Anbieter für gewerbliche und industrielle Energiespeicherlösungen. Der Ingenieur arbeitet für das Wittenberger Unternehmen von der Bundesmetropole aus. Dort fühlt sich der überzeugte Ur-Berliner, der Persönliches mit „Ick“ einleitet, in Reinickendorf zur Welt kam, in Wedding studierte und mit seiner Familie in Steglitz lebt, pudelwohl. Ein Jahr in Frankfurt, eins in Köln: Das seien nicht die schlechtesten Zeiten gewesen, aber nur in der Bundeshauptstadt kämen Heimatgefühle auf. Der Schmelztiegel Berlin begeistert ihn genauso wie die Vertriebstätigkeit. „Es macht Spaß, die Energiewende mitgestalten zu können. Aber auch die Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Regionen dieser Welt motiviert mich, sei es die Kollegin aus Sri Lanka oder der Kollege aus Polen.“
Vertriebsrelevant: Ehrliche Kommunikation, offene Meinung
Klempert hat eine Antenne für Menschen und Kommunikation. Deshalb fasziniert ihn nicht allein die pure Arbeit, sondern auch das Miteinander, der konstruktive Austausch. „Insbesondere die Beratungstätigkeit finde ich toll, um gemeinsam mit dem Kunden ,erklärungsbedürftige Güter‘, wie man etwas sperrig sagt, so begreiflich zu machen, dass der Kunde den Mehrwert erkennt und wir gemeinsam eine Lösung erarbeiten.“
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Den Geschäftspartnern auf Teufel komm raus etwas anzudrehen, zeichne einen guten Vertriebler nicht aus. „Manchmal kommt bei der Beratung ja auch heraus, dass Produkt und Kunde nicht zusammenpassen. Wenn ich das ehrlich kommuniziere, zahlt sich das in gegenseitigem Vertrauen aus.“ Das aber bauen Menschen nur auf, wenn die Partner offen und ehrlich sind. „Ich kann nicht anders, als authentisch zu sein. Ich sage meinen Studierenden immer: Das, was ich hier erzähle, muss nicht die Wahrheit sein. Es ist meine Meinung, aber meine gelebte Meinung. Ich lade die Studierenden dazu ein, mir zu widersprechen und zu sagen: Das sehe ich anders.“
„Wurde einmal von Kunden in die Mangel genommen“
Damit sei auch für Klempert ein persönlicher und beruflicher Zugewinn verbunden. „Mit den Studierenden gehe ich nicht nur das durch, was vorbildlich und ,richtig‘ ist, sondern wir gehen auch auf die Fettnäpfchen und Stolpersteine ein, an denen ich mir schon die Zähne ausgebissen habe.“ Ein Beispiel: „Ich wurde einmal von Kunden in die Mangel genommen, indem sie mir die Gegenargumente nur so um die Ohren gepfeffert haben. Da hatte ich keine Antworten drauf. Dann stelle ich den Studierenden die naheliegende Frage: Wie würden Sie damit umgehen?“ Schon nimmt die Diskussion Fahrt auf. Oft bestätigten ehemalige Studierende, was sie mit ihrem Dozenten erarbeitet hätten: „Ja, Herr Klempert, Sie hatten Recht. Das Berufsleben ist so, wie Sie es beschrieben haben.“ Dann erwiesen sich Aussagen zutreffend, wie: „Du musst ein Produkt zweimal verkaufen; einmal extern an den Kunden, einmal intern an die eigenen Kollegen.“
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Was Klempert im Berufsleben fasziniert, trifft auch auf seine Tätigkeit an der Hochschule zu: Die Vielfalt der Kulturen, die sich in Berlin noch einmal bunter entfaltet als in vielen anderen deutschen Städten, empfindet er als absolute Bereicherung. „Ich finde es spannend, an der Hochschule mit verschiedenen Kulturen zu tun zu haben.“ Einige seiner Masterstudierenden verfügen bereits über Berufserfahrung. Das hilft in Bezug auf die Praxisnähe, die Fachhochschulen in der Regel auszeichnet. „Ein Chinese berichtet aus seiner Arbeit anders als sein Kommilitone aus Indien. Aktuell ist eine junge Frau aus Afghanistan im Kurs, die in fast lupenreinem Deutsch und mit großer Begeisterung von ihrem Job erzählt. Sie verkauft hochpreisige Kosmetikanwendungen. Ihren Blickwinkel auf den Vertrieb einzunehmen, bereichert auch mich nach all den Berufsjahren noch.“ Wenn ein Student aus Syrien Baklava und anderes orientalisches Gebäck mit in die Vorlesung bringe, sei auch das ein Beitrag zur Völkerverständigung.
Nachhaltige Vorlesungen, dankbare Studierende
Wenn seine Vorlesung nachhaltig wirkt, macht Klempert das besonders zufrieden. „Eine Studentin aus China hatte ihr kleines Kind immer mit in der Vorlesung. Zwei Jahre später schrieb sie mir: ,Vielen Dank, dass Sie mir das erlaubt haben. Heute habe ich einen gut bezahlten Job, mit dem ich meine Familie ernähren kann. Das habe ich auch Ihnen zu verdanken.‘ Glauben Sie mir: Allein deswegen hat sich die Arbeit an der HTW in den vergangenen elf Jahren gelohnt!“ Studiengangleiter Wilksch möchte „auf keinen Fall auf den Beitrag von Martin Klempert zum Masterstudium verzichten“. „Schließlich ist konsequente Praxisorientierung der klare Vorteil unseres Masterstudiengangs und der HTW Berlin.“