Unis befürchten Hoheitsverlust
Bei der Industriepromotion sorgen sich die Universitäten um die wissenschaftliche Qualität. Der Begriff suggeriere, Unternehmen seien für den Abschluss zuständig.
Mit folgendem Slogan wirbt BMW auf seiner Homepage um Nachwuchs: „Forme aus deiner Leidenschaft eine Zukunft mit dem Doktorandenprogramm ProMotion.“ Ein Masterstudent, der bei VW promovieren will, bewirbt sich am besten erst einmal bei dem Unternehmen. Einen geeigneten Doktorvater wird er dann schon finden. Daimler ist sogar bereit, mit dem angehenden Doktoranden gemeinsam den passenden akademischen Betreuer für eine Industriepromotion zu suchen.
Eckpunkte der HRK zur Qualitätssicherung
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hält fest, dass künftig die Abläufe einer Promotion wie auch die Zuständigkeiten von Hochschule und Industrie in Betreuungsvereinbarungen festgeschrieben werden sollen. Die HRK besteht auf folgenden Punkten:
Die fachliche und persönliche Eignung eines Promotionskandidaten sind in der Promotionsordnung festgelegt und werden zunächst durch den Betreuer und dann durch den Promotionsausschuss beurteilt.
Ist die Einstellung bei einem hochschulexternen Arbeitgeber an ein Promotionsprojekt geknüpft, ist eine Absprache aller Beteiligten vor der Einstellung unabdingbar. Die Hochschule prüft die wissenschaftliche Qualität des Themas und die Eignung des Kandidaten.
Extern erstellte Dissertationen unterliegen denselben Qualitätsanforderungen wie Dissertationen von Promovierenden mit unmittelbarer Anbindung an die Hochschule.
Die Publikation einer Dissertation ist rechtlich verpflichtend. Weitreichende Geheimhaltungsvereinbarungen sind nicht mit einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit vereinbar. ets
Allein das Wort „Industriepromotion“ bringt Horst Hippler auf die Palme. Es suggeriere fälschlicherweise, man könne auch in Unternehmen promovieren, so der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). „Promotionen außerhalb der Hochschule kann es aber schon per Gesetz nicht geben“, sagt er. Dafür seien einzig und allein die Universitäten zuständig.
Die Promotionsquote eines Absolventenjahrgangs in den Ingenieurwissenschaften betrug im Jahr 2014 rund 18 %. Davon entschlossen sich wiederum nur rund 6 % der Doktoranden, ihre Dissertation in einem Unternehmen zu machen. Doch was zunächst wie eine Randerscheinung im Wissenschaftsbetrieb aussieht, verärgert die Hochschulen immer mehr. Nicht nur, dass sie sich übergangen fühlen, die Professoren befürchten, dass ihr angestammtes Promotionsrecht Stück für Stück untergraben wird.
Als erstes hat die Arbeitsgemeinschaft der Technischen Universitäten TU 9 im vergangenen Sommer auf den Tisch gehauen. In einem Positionspapier spricht sie von „Kuckucksei-Promotionen“. Sie kritisiert, dass in jüngerer Zeit vermehrt Personalmanager aus der Wirtschaft das Promotionsversprechen als nützliches Werbeinstrument entdeckt hätten, um wissenschaftlichen Nachwuchs zu rekrutieren. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Das Thema der Dissertation wird im Einvernehmen von Doktorand und Hochschullehrer vereinbart und nicht durch externe Partner.“
Nachdem die neun führenden technischen Universitäten in Deutschland so klare Worte gefunden hatten, zurrte die HRK auf ihrer letzten Mitgliederversammlung ein Paket zusammen, das die Kooperation mit Unternehmen über alle Phasen einer Promotion hinweg regeln soll.
Die Universitäten sprechen sich nicht gegen Promotionen aus, die in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entstehen. „Gerade in den Ingenieurwissenschaften eröffnen solche Kooperationen spannende Perspektiven für den akademischen Nachwuchs“, räumt Nicole Saverschek, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft TU 9, ein. Nicht zu akzeptieren sei jedoch, dass Firmen Promotionsstellen vergeben. „Es muss gewährleistet sein, dass die Doktoranden an die Universitäten angebunden sind.“
Für Unmut im akademischen Lager sorgen auch immer wieder sogenannte Geheimhaltungsklauseln, mit denen die Industrie versucht, die Veröffentlichung der für sie relevanten Daten und Quellen zu verhindern. Die Publikation der Arbeit aber ist ein integraler Bestandteil des Promotionsverfahrens an deutschen Hochschulen. „Weitreichende Geheimhaltungsverpflichtungen sind nicht mit Promotionsprojekten vereinbar“, schlussfolgert Horst Hippler. Zu promovieren und gleichzeitig Berufserfahrung zu sammeln, kann deshalb für Doktoranden recht anstrengend werden, auch wenn die Angebote aus der Industrie nach einem geregelten Arbeitstag klingen. Daimler wirbt mit einem dreijährigen, befristeten Arbeitsvertrag bei einer 35-Stunden-Woche; einen Dreijahresvertrag und 20 Wochenstunden bietet Audi demjenigen, der ein „konzernrelevantes Forschungsprojekt“ bearbeitet. „Werden aus Geheimhaltungsgründen Daten zurückgehalten, kann das für den Doktoranden erheblichen Mehraufwand bedeuten, denn unabhängig davon muss die Promotion wissenschaftlichen Anforderungen und akademischen Standards genügen“, meint Nicole Saverschek.
Klare Regelungen sollen deshalb her. Die Hochschulrektorenkonferenz hat zum Jahresende die Personalabteilungen der Dax-Unternehmen angeschrieben und auf die rechtliche Situation hingewiesen. In Zukunft sollen bereits im Vorfeld die Abläufe einer Promotion wie auch die Zuständigkeiten von Hochschule und Industrie in Betreuungsvereinbarungen festgeschrieben werden.
Eine der ersten Stellungnahmen kam vom Verband der Chemischen Industrie (VCI). Er unterstützt im Grunde genommen die Forderungen der Hochschulen, wonach Unternehmen gegenüber Bewerbern keine Zusagen machen sollten, solange mit den Hochschulen keine Einigung über die Kandidatenauswahl erzielt wurde. Und auch die Themen müssten mit der fachlichen Betreuung an den Hochschulen abgestimmt werden, so der VCI.
Einen ähnlichen Ton schlägt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) an. Eine Promotion liegt aus ihrer Sicht in der alleinigen Kompetenz der Universitäten. „Das war, ist und bleibt die Haltung der Arbeitgeber,“ bekräftigt Christopher Lück vom BDA. Die Crux: In der Industrie hat sich die Haltung ihrer Spitzenverbände vermutlich noch nicht ausreichend herumgesprochen. ws