Bildungskooperationen drohen zu kappen 25. Feb 2022 Von Wolfgang Schmitz Lesezeit: ca. 3 Minuten

Wissenschaft verurteilt Angriff auf die Ukraine aufs Schärfste

Die deutschen Wissenschaftsorganisationen werden ihren ukrainischen Partnerinnen und Partnern „im Rahmen ihrer Möglichkeiten beistehen“. In Abstimmung mit der Bundesregierung werde geprüft, ob und wie sich Kooperationen aufrechterhalten lassen.

DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee: „Zur Solidarität mit der Ukraine gehört es, die Austauschbeziehungen auch unter widrigen Bedingungen zu erhalten.“
Foto: DAAD/Jonas Ratermann

Durch die Wissenschaftswelt geht ein Aufschrei der Empörung. So verurteilt der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Peter-André Alt den russischen Überfall auf die Ukraine scharf. „Dies ist ein zutiefst bedrückender Tag. Unsere Solidarität gilt der gesamten ukrainischen Bevölkerung und vor allem unseren hochschulischen Partnern. Wir sind in großer Sorge um das Leben und Wohlergehen der ukrainischen Wissenschaftlerinnen und Studierenden.“

Die deutschen Hochschulen würden ihnen „im Rahmen ihrer Möglichkeiten beistehen“. Alt: „Absehbar ist auch, dass diese Entwicklungen den deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen schweren Schaden zufügen werden. Wir werden entsprechende Konsequenzen eingehend prüfen müssen.“

Die HRK werde im Verbund der Wissenschaftsorganisationen und in Abstimmung mit der Bundesregierung die Möglichkeiten zur Fortführung und Gestaltung der Hochschul- und Wissenschaftsbeziehungen zu der Ukraine und Russland ausloten.

Größtmögliche Solidarität mit der Ukraine

Die Ukraine gehört zu den wichtigen Herkunftsländern unter den internationalen Studierenden in Deutschland. Im Sommersemester 2021 studierten laut Statistischem Bundesamt über 8200 ukrainische Studierende an deutschen Hochschulen. „Die Hochschulen beider Länder sind auch institutionell vielfältig verbunden: Derzeit gibt es 257 Kooperationen mit der Ukraine, an denen 113 deutsche und 89 ukrainische Hochschulen beteiligt sind“, heißt es aus der HRK. Wo genau die fachlichen Schwerpunkte in den Kooperationsbeziehungen zwischen ukrainischen und deutschen Hochschulen liegen, kann die HRK nicht ausmachen.

Auch beim Deutschen Akademischen Austauschdienst ist man entsetzt über den Angriff Russlands auf die Ukraine. „Zudem sind wir zutiefst um das Leben der Menschen und das Wohl unserer Partnerorganisationen in der Ukraine besorgt“, sagt DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee. Daher schränkt der DAAD die geförderten deutsch-russischen Austauschbeziehungen ein und stoppt Bewerbungsmöglichkeiten für Russlandstipendien. „Auch bereits ausgewählte deutsche Stipendiatinnen und Stipendiaten können für einen geplanten Aufenthalt in Russland derzeit keine finanzielle Unterstützung erhalten“, heißt es. Von den deutschen Hochschulen erwartet der DAAD, alle DAAD-geförderten Projektaktivitäten mit Partnerinstitutionen in Russland und Belarus auszusetzen.

DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee: „Wir wissen, dass dieser Schritt auch Ungerechtigkeiten schafft und zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende trifft, die sich für friedliche und rechtsstaatliche Verhältnisse sowie gutnachbarschaftliche Beziehungen einsetzen … Gleichzeitig halten wir es angesichts des Kriegs für unumgänglich, die Förderung von Austauschbeziehungen mit Russland kritisch zu überprüfen.“ Die nun getroffenen Maßnahmen könnten in den kommenden Tagen und Wochen weiter angepasst werden.

Derzeit gibt es rund 750 geförderte Kooperationsprojekte zwischen deutschen Hochschulen und russischen Partnern. In der Ukraine werden 46 DAAD-Projekte und 62 Projekte im Rahmen von Erasmus+ gefördert. Wegen der sich zuspitzenden Lage haben die DAAD-Geförderten aus Deutschland die Ukraine in den vergangenen Tagen allerdings verlassen.

Trotz staatlicher Initiative Mangel an Ingenieurstudierenden

In der Ukraine genießt die akademische Bildung einen hohen Stellenwert, obwohl dort ansässige Unternehmen über die mangelnde Praxisorientierung von Hochschulen klagen. „Arbeitgeber fordern auch für einfache Tätigkeiten formale Hochschulabschlüsse, was den Hochschulen auch weiterhin starken Zulauf sichert“, heißt es beim DAAD. Das Interesse an einem Auslandsstudium befinde sich seit Jahren auf sehr hohem Niveau, „wobei die Perspektive, sich nach dem Abschluss in den Arbeitsmarkt des Ausbildungslands integrieren zu können, einen beträchtlichen Anreiz darstellt“.

Durch Vergabe von Budgetplätzen will die Politik die Studierendenströme in bestimmte Richtungen lenken. Ein großer Teil, so der DAAD, werde für die Ingenieur- und Naturwissenschaften bereitgestellt. Ein Ziel, das häufig verfehlt wird. Mit Ausnahme der Informatik ziehen Studierende und ihre Eltern ein Studium der prestigereichen Rechtswissenschaften den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern vor. Hier würden die gebührenfreien Plätze noch nicht einmal ausgenutzt.

In den Hochschulrankings liegen die Technischen Universitäten hinten, die Bewerbungen um einen Studienplatz in den Mint-Fächern sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Die am stärksten nachgefragten Fächer sind Studiengänge in Wirtschaft und Management, in Rechtswissenschaft, Informatik und Philologie.

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