Anne Schüller: So schafft man ein Treibhausklima für innovative Ideen
Die zunehmende Zusammenarbeit mit künstlichen Intelligenzen sorgt nicht nur für Fortschritt. Sie schafft auch Freiraum, damit man sich im Unternehmen auf das Wesentliche konzentrieren kann: auf Kreativität als Schlüsselressource der Zukunft und ein intensives Ausschöpfen der „Weisheit der Vielen“.
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Foto: PantherMedia / Gorodenkoff
„Wenn künstliche Intelligenz unsere Aufgaben übernimmt, wird Menschlichkeit unser neues Alleinstellungsmerkmal“, schreibt die Verlegerin Miriam Meckel in einer ihrer Kolumnen. So geht es in Zukunft nicht nur um die technologische Weiterentwicklung, sondern immer auch um mehr Menschlichkeit in den Unternehmen. Parallel zur fortschreitenden Digitalisierung entsteht zunehmend der Wunsch nach realen Begegnungen, gemeinsamen Ergebnissen und freudvollem Miteinander.
„Die digitale Transformation wird die persönlichen Beziehungen niemals ersetzen“, bekräftigt der global tätige Futurist Gerd Leonhard. Viel anfänglich Begeisterndes aus dem digitalen Paralleluniversum gehört für den User schon so sehr zum Alltag, dass es wie selbstverständlich in den Hintergrund rückt. Letztlich ist Technologie immer nur Mittel zum Zweck, ein Utensil, das dabei unterstützt, eine jeweilige Arbeit schneller, qualitativ besser und aus den unterschiedlichsten Gründen angenehmer zu machen.
KI & Co.: Bedrohung oder Freund und Helfer?
In unseren Breitengraden werden humanoide Roboter oft noch immer als Bedrohung gesehen, die eines Tages womöglich die Menschheit vernichten, ein Glaube, an dem die amerikanische Filmindustrie nicht ganz unschuldig ist. In asiatischen Kulturen hingegen gelten Roboter als etwas Gutes. Deshalb kommen sie dort auch so niedlich daher. In humanoider Form sind sie meist kleiner als wir, um uns keine Angst zu machen. Und ihre Gesichter entsprechen dem Kindchenschema. Das macht sie annehmbar und erleichtert den Zugang, ein Umstand, der die fernöstliche Wirtschaft boomen lässt.
Westliche Roboter hingegen sehen meist wie Erwachsene aus. Wir gehen mit ihnen auf Konfrontation und übertragen unsere Furcht vor ihnen auf jede Art von KI. Doch statt Panikmache und Abwehr sollten wir uns besser – ohne Blauäugigkeit und mit wachem Blick auf die Risiken – konstruktiv mit dem digitalen Nutzen befassen. Und statt über den Verfall von Arbeitsplätzen zu lamentieren, sollten wir uns lieber für die Berufe der Zukunft rüsten. Die Mensch-Maschine-Kooperation ist ein unumgänglicher Weg.
Weshalb die „Weisheit der Vielen“ so wertvoll ist
KI kann Zigtausend Dinge tun, die im betrieblichen Alltag wertvoll sind. Die vielleicht umfassendste Übersicht dazu hört auf den klingenden Namen There’s an AI for that. Mitte Januar 2025 waren dort 27.969 KI-Tools für 15.794 Aufgaben und 4974 Jobs gelistet. Auf der deutschsprachigen Website advanced-innovation.io wurden zum gleichen Zeitpunkt 9259 Tools aufgeführt und beschrieben. Auch in puncto Kreativität unterstützt uns KI. Doch Menschen sind unersetzlich, wenn kontextbezogene frische Herangehensweisen benötigt werden, die man aus Daten nicht errechnen kann.
Um an bahnbrechend neue Ideen als Ausgangspunkt für Innovationen zu gelangen, braucht es vor allem zweierlei: Fantasie und die „Weisheit der Vielen“. Vielen klugen Köpfen fällt immer mehr ein als einem allein. Bereits vor Jahren hat der Soziologe James Surowiecki in seinem Weltbestseller The Wisdom of the Crowds anhand vieler Beispiele gezeigt, dass eine Gruppe in aller Regel „klüger ist als ihr gescheitestes Mitglied“. Allerdings nur dann, wenn ihre Zusammensetzung inhomogen ist.
Konformismus erzeugt keine innovativen Ideen
Homogene Gruppen, also solche mit gleichartigen Mitgliedern, neigen zur Konformität, zum Konsens und zum Griff nach Routinen – doch nur selten zum Erkunden von neuem. Der Zugewinn einer inhomogenen Gruppe ergibt sich aus den unterschiedlichen Denkweisen ihrer Mitglieder und einer damit verbundenen Experimentierfreudigkeit. Kluge Entscheidungen kann eine Gruppe auch immer nur dann treffen, wenn sie in ihrer Meinungsbildung unabhängig ist, wenn jeder Teilnehmende Zugang zu allem entscheidungsrelevanten Wissen hat und wenn er seine Meinung frei äußern kann.
Penible Kontrollen und das Machtwort der Chefs killen jegliche Fantasie. „Dienst nach Vorschrift“ und das Abarbeiten vorgedachter Verfahrensweisen lässt zudem die Eigeninitiative versanden. Darüber hinaus ist längst bekannt, wie arm man bleibt, wenn man alles für sich behält, und wie reich man wird, wenn man teilt. Das gilt vor allem für Wissen. Es verflüchtigt sich, wenn man es hortet. Wenn Wissen hingegen frei seine Bahnen zieht, durch KI unterstützt wird und sich weitläufig vernetzt, kann dies zu den erstaunlichsten Fortschritten führen.
Kreativität: Schlüsselressource für Innovationen
Kreativität ist wie eine launische Diva, die die richtigen Umstände braucht. Heiterkeit und Muße gehören dazu. Deshalb wird in florierenden New-Economy-Firmen auch so viel Wert auf ein inspirierendes Umfeld gelegt. Aus diesem Grund haben autokratische, althergebrachte Führungskräfte in Innovationskreisen nichts zu suchen. Nur wenn die Leute unter sich sind, können selbst die abwegigsten Ideen mutig und angstfrei diskutiert werden. Und nur in einer autoritätsfreien Umgebung werden selbst „heilige Kühe“ bei den Hörnern gepackt, um dem Neuen tatsächlich eine Chance zu geben.
Buch zum Thema:
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