Arbeit bis in den Abend schadet dem Menschen
Knapp 97 % der Beschäftigten hierzulande wollen spätestens um 18 Uhr Feierabend machen. Abendarbeit sei schädlich, meint die Wissenschaftlerin Yvonne Lott.
Im Zuge mobilen Arbeitens gewinnen Modelle an Beliebtheit, die Arbeitszeiten flexibler handhaben sollen. „Eines der Argumente, die unter anderem Arbeitgeberverbände oder CSU-Politikerinnen nennen: Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen, falle leichter, wenn Beschäftigte sich bei Bedarf auch abends an den Schreibtisch setzen können – etwa, wenn die Kinder schlafen“, schreibt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der arbeitnehmernahen Hans-Böckler-Stiftung. Mit realen Arbeitszeitwünschen habe das aber kaum etwas zu tun, besagt eine aktuelle Untersuchung von WSI-Forscherin Yvonne Lott. Sie hat Daten von über 2300 sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten analysiert. Das Ergebnis: Knapp 97 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möchten demnach spätestens um 18 Uhr mit der Erwerbsarbeit abschließen. Nur ein Bruchteil würde gern von diesem Zeitrahmen abweichen. Das gelte für Eltern genauso wie für andere Beschäftigte.
Arbeit am Abend begünstige Stress und Schlafprobleme
Die aktuellen Befragungsergebnisse stünden im Einklang mit dem Stand der Forschung, dass Arbeit am Abend die Work-Life-Balance beeinträchtigen könne, betont die Soziologin. Das sei nicht vereinbar mit dem Rhythmus des sozialen Lebens. Schließlich sei die moderne Erwerbsgesellschaft als „Abend- und Wochenendgesellschaft“ strukturiert, „in der die Zeit am Abend und am Wochenende als sozial besonders wertvoll eingeschätzt wird“.
Arbeit am Abend begünstige Stress, Schlafprobleme und emotionale Erschöpfung bei betroffenen Beschäftigten. Wenn die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem verschwimmen, könne es zu Konflikten kommen, die unter anderem das Wohlbefinden von Kindern gefährden. Auch Partnerinnen und Partner litten dann vermehrt unter Stress und Depressionen und seien weniger zufrieden mit dem Zusammenleben. Negativ könne sich nicht nur stundenlange Arbeit am Abend auswirken, sondern bereits gelegentliche Mails oder die Erreichbarkeit für Anrufe.
Entwicklung der Arbeitszeiten treibt die Ungleichheit der Einkommen
Alternativtipp: Die Einführung der Viertagewoche
Laut Umfrage möchte der größte Teil je nach Arbeitsbeginn zwischen 14 Uhr und 17 Uhr Feierabend machen. Frauen wollen im Schnitt rund eine Stunde früher aufhören als Männer, ansonsten finden sich ähnliche Muster. Dass Abendarbeit in der Realität deutlich häufiger vorkommt, habe also nichts mit den Interessen von Beschäftigten zu tun, sondern verschärfe in vielen Fällen Vereinbarkeitskonflikte, so Lott.
Wenn es darum ginge, Vereinbarkeitsprobleme zu lösen, liege eine andere Lösung auf der Hand: Die Einführung der Viertagewoche würde Spielraum für private Verpflichtungen schaffen. Weil dadurch die Produktivität nachweislich steigt, könnten Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen profitieren.
Die Umwelt und Flexibilität bei der Arbeit ist jungen Generationen wichtig