Bei Arbeit und Karriere „erleben wir einen Sinnes- und Kulturwandel“
Die Soziologin Nadia Shehadeh hat ihrem Unmut, dass ein Karriereleben auf der Überholspur das einzig Glücklichmachende sein soll, in dem Buch „Anti-Girlboss“ und in der neuen Folge des Karrierepodcasts „Prototyp“ von VDI nachrichten und ingenieur.de Luft verschafft.
VDI nachrichten: Frau Shehadeh, ist Ihr Buch „Anti-Girlboss“ in erster Linie Provokation oder wollen Sie damit die deutsche Arbeitsrealität entlarven?
Shehadeh: Es ist ja nichts Neues, den Arbeitsethos zu hinterfragen, der sich bei uns durchgesetzt hat. Mir ging es aber vor allem darum, aufzuzeigen, dass viele von uns gar nicht den großen Traumjob haben – und ihn auch gar nicht wollen. Der größte Teil der Bevölkerung in Deutschland führt kein Boss- oder Girlboss-Leben, sondern die meisten machen einfach ihren Job. Bestenfalls den, den sie mal angepeilt haben, aber das auch nicht immer. Ich möchte einfach aufzeigen, dass Arbeitsverhältnisse meist nicht in einen „Traumjob“ einmünden, der sogar noch schöner ist als Freizeit. Arbeit ist einfach nur: Arbeit.
Sie treiben das in Ihrem Buch „Anti-Girlboss“ aber auf die Spitze, indem Sie schreiben: „Ein halbwegs öder Tag zu Hause ist immer noch besser als ein interessanter Tag bei der Arbeit.“ Da steckt ja eine furchtbare Vorstellung von Arbeit dahinter.
Shehadeh: (lacht) Da haben Sie eine sehr provokante Stelle herausgesucht, aber ja, grundsätzlich ist ein halbwegs öder Tag zu Hause auch ein Tag, an dem ich über meine Zeit verfügen kann, während ich bei der Arbeit an bestimmte Strukturen und Vorgaben gefesselt bin. Weit verbreitet ist der Gedanke, dass die Arbeit ein Ort ist, der viel Sinn stiftet, der Spaß macht und soziale Kontakte ermöglicht. Zu Hause zu sein, gilt hingegen als langweilig und als Makel, weil man da unproduktiv sei. Dabei können Menschen auch dort sehr aktiv und effizient sein – vor allem natürlich für sich selbst.
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