Der letzte Eindruck zählt
Sag zum Abschied leise "Servus"? Das ist nicht jedermanns Sache. Gerade Manager hauen am letzten Tag gerne auf den Tisch – in der berühmten E-Mail an alle. Ein beruflicher Abschiedsgruß kann unter Umständen allerdings viel Geld kosten – oder die zukünftige Karriere. Wie schreibt man die letzte Mail richtig?
„Ich habe mich entschieden, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Kleiner Scherz – ich bin gefeuert worden“, polterte Andrew Mason, geschasster CEO des Internet-Coupondienstes Groupon letztes Jahr. Der Banker Greg Smith von Goldman Sachs dagegen rechnete groß ab. „Ich kann ehrlich sagen, dass es hier so destruktiv und toxisch zugeht wie immer“, giftete er bei seinem Goodbye. Danach stürzte die Aktie von Goldman Sachs übrigens ab, Schaden: 2,15 Mrd. $.
Aber wie schreibt man nun die letzte Mail? „Ich würde eher sagen: die erste Mail“, sagt Thomas Pütz und lacht. Der Psychologe und Kommunikationsexperte weiß, wovon er redet: Er ist Partner beim Beratungsunternehmen von Rundstedt in Düsseldorf, das ausgeschiedene Fach- und Führungskräfte beim beruflichen Neustart unterstützt. Die „erste Mail“, wie Pütz sie nennt, spielt dabei eine besonders wichtige Rolle. „Damit beginnt die Netzwerkarbeit für die Zeit danach.“ Deshalb sei es so wichtig, in der Abschiedsmail alles richtig zu machen und nicht unnötig Porzellan zu zerschlagen.
Die formalen Regeln für den Text sind simpel: Der finale Gruß an die Kollegen ist nichts anderes als ein weiterer Geschäftsbrief und sollte genau so aussehen – also mit korrekter persönlicher Anrede und Grußformel, abgeschickt vom beruflichen E-Mail-Account. „Bitte keine Smilies“, rät Pütz. Inhaltlich gilt es, die Botschaft nüchtern und gut verständlich zu vermitteln: Vielen Dank für die Zusammenarbeit, ich habe Sie als Kollegen immer wertgeschätzt. Der Grund für das Ausscheiden hat hier nichts zu suchen, genau wie längliche Rückblicke. Gerade damit tun sich Topmanager allerdings schwer: Als beispielsweise Burkhard Schwenker, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, seinen Hut nahm, hinterließ er seinen Kollegen eine Mail, die vier DIN-A4-Seiten füllte und Sätze enthielt, wie „Unser V-Kurven-Szenario ist immer noch gültig“.
Solche Fälle zeigen das Grundproblem: Wer das Unternehmen verlässt, ist oft zu aufgewühlt, um kühl den Regeln zu folgen. Zu Ausrutschern kommt es vor allem dann, wenn der Abgang nicht freiwillig war. In solchen Fällen werden mitunter alte Rechnungen beglichen, Kollegen beleidigt oder gegen das Unternehmen gewettert. Doch wer das tut, schadet sich nur selbst, schließlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass unter den Geschmähten ein Kunde oder Kollege von morgen ist. Und der erinnert sich womöglich noch an die Ausfälle. „Vermeiden Sie Emotionen“, empfiehlt Berater Pütz deshalb.
Wer am Schluss noch einmal abrechnet, muss sogar mit juristischen Folgen rechnen: Der Arbeitgeber könnte fristlos kündigen, damit wäre ein geschlossener Aufhebungsvertrag nichtig – und eine eventuelle Abfindung fiele weg. Doch das kommt so gut wie nie vor.
Die juristischen Fallstricke liegen meist woanders, nämlich vor allem in der Kommunikation nach außen. Hier sind der freien Rede Grenzen gesetzt. „Der Arbeitgeber kann entscheiden, wie mit den Kunden kommuniziert wird“, erklärt Nicole Engesser Means von der Kanzlei Clifford Chance, Frankfurt. Ein Grund ist die Gefahr von unlauterem Wettbewerb: Angenommen, der Angestellte teilt allen Kunden mit, dass er zu einem Konkurrenten wechselt, könnten sich einige dazu entscheiden, ihm zu folgen.
Insgesamt müssen Angestellte beim Abschied alles Vermeiden, was dem Arbeitgeber schaden könnte. Wer z. B. Kollegen in einer Rundmail ebenfalls zum Wechsel animiert, verletzt so die Treuepflicht und könnte rechtliche Probleme bekommen. Selbst kleinste Details zählen, Engesser Means: „Bei beruflichen Tätigkeiten z. B., die sich zuhause ausüben lassen, kann schon die Angabe von privaten Kontaktdaten problematisch sein.“ Die Fachanwältin für Arbeitsrecht empfiehlt deshalb, die Abschiedsmail im Zweifelsfall mit dem Vorgesetzten abzustimmen – sofern es nicht schon offizielle Regeln dazu gibt. In jedem Fall lohnt es sich, Energie und Sorgfalt in die letzte Botschaft am alten Arbeitsplatz zu stecken. Denn so findet man schneller den neuen. „Bereiten Sie den Boden für weitere Kommunikation“, betont Outplacement-Berater Pütz, „z. B. mit einem Hinweis wie ‚Ich werde Sie über meine zukünftigen beruflichen Schritte informieren’“.
Der Grund: Wer den einfügt, kann sich zwei bis drei Wochen später noch einmal melden, um etwa nach beruflichen Kontakten zu fragen. Spätestens dann zahlt es sich aus, höflich Lebewohl gesagt zu haben. Wie viel das wert ist, erlebt Thomas Pütz in seiner täglichen Beratungspraxis: „30 % bis 40 % aller Klienten finden über ihre eigenen Kontakte eine neue Position.“
Soweit die perfekte Formulierung der finalen Mail. Allerdings betonen Businessexperten auch, dass ein professioneller Abschied mehr bedeutet, als einfach auf „Senden“ zu drücken. „Nur eine E-Mail zum Abschied von nahen Kollegen ist eine Unsitte“, findet Peter Näf, Karriereberater aus Zürich. Sich hinter einer kurzen Botschaft zu verschanzen, sei stillos und unprofessionell. Darüber hinaus hält der Coach diese Form des Abgangs für psychologisch unklug. Denn wer es mit einem elektronischen Lebewohl bewenden lasse, gehe den einfachen Weg und versuche sich insgeheim zu schonen. „Zum Abschied gehört auch Schmerz“, betont Näf.
Er rät, wann immer möglich, sich von den Kollegen persönlich zu verabschieden, z. B. bei einem Mittagessen außerhalb der Firma. Diese Trennung von Angesicht zu Angesicht sei zwar schmerzhafter, aber sie helfe der Person dabei, mit der Vergangenheit abzuschließen. „Wer den Abschiedsschmerz verdrängt, indem er nur eine E-Mail schickt, hat oft viel länger daran zu nagen“, betont Näf.
CONSTANTIN GILLIES