Tipps und Tools 06. Mai 2022 Von Claudia Burger Lesezeit: ca. 6 Minuten

So präsentieren sich Bewerberinnen und Bewerber richtig

Achtung: Authentizität wird nicht selten mit Unhöflichkeit verwechselt. Image- und Karrierecoach Gerlind Hartwig erklärt, wie man im Bewerbungsgespräch punktet und sich ins rechte Licht rückt.

Ob ein Bewerbungsgespräch für beide Seiten ein Erfolg wird, hängt von ein paar Faktoren ab, die jeder Bewerber und jede Bewerberin selbst steuern kann.
Foto: panthermedia.net/adamgregor

VDI nachrichten: Wie gelingt mir ein gutes Vorstellungsgespräch, online und analog?

Gerlind Hartwig: Ein Vorstellungsgespräch ist eine wichtige und für viele eher seltene Erfahrung. Schon der Gedanke daran, kann Stress auslösen. Umso wichtiger ist es, sich gut auf dieses Gespräch vorzubereiten. Gerne nenne ich Ihnen hierfür ein paar Details. Zuerst zur Vorbereitung: Informieren Sie sich über das Unternehmen, die Position und die Gesprächsteilnehmer. Legen Sie sich ein passendes Outfit zurecht. Ihre Kleidung sollte zur Branche, zum Beruf, zur Position und zu Ihnen passen. Üben Sie Ihre Selbstpräsentation: Am besten nehmen Sie sich dazu mit der Kamera auf. Ziehen Sie Ihr Bewerbungsoutfit an. Verinnerlichen Sie Ihren Lebenslauf. Damit Sie alle wichtigen Stationen und Kompetenzen im Gespräch spontan erwähnen und belegen können. Machen Sie eine Stärken- und Schwächenanalayse. Welche Ziele haben Sie? Informieren Sie sich über mögliche Small-Talk-Themen. Der Small Talk wird häufig unterschätzt, weil die Fragen oft banal klingen. Und hier liegt die Herausforderung. Es geht um mehr als einsilbige Antworten. Hier können Sie als Bewerberin oder Bewerber zeigen, wie aufgeschlossen und interessiert Sie sind. Planen Sie Ihre Anreise inklusive eventueller Parkplatzsuche. Machen Sie sich mit den gängigen Umgangsformen im Business vertraut. Hierzu gehören die Begrüßung, das Vorstellen, Umgang mit Visitenkarten, Verabschiedung und Verbleib.

Gerlind Hartwig ist seit mehr als neun Jahren als Image Coach tätig und gibt Tipps rund ums Auftreten auf beruflichem und privatem Parkett. Sie ist eine gefragte Rednerin und tritt auf dem VDI nachrichten Job Hub auf . Foto: Gerlind Hartwig

Dann das Bewerbungsgespräch: Kommen Sie pünktlich und entspannt an. Begrüßen Sie alle Anwesenden und stellen Sie sich vor. Nennen Sie Ihre Gesprächspartner immer mal wieder bei ihren Namen. Halten Sie Blickkontakt. Bei näherem Gespräch (Bildschirm) immer mal wieder in die Augen schauen. Ansonsten zumindest ins Gesicht. Nehmen Sie ein Getränk an (oder stellen es sich selber im Vorfeld bereit), auch wenn Sie in dem Moment nicht durstig sind. Manchmal wird später vor Nervosität der Mund trocken. Setzen Sie sich entspannt und dennoch aufrecht hin. Halten Sie die Arme beim Gestikulieren relativ eng am Körper (sie sollten innerhalb des Bildschirmausschnitts bleiben). Positive Körpersprache unterstreicht das Gesagte. Geben Sie, während Sie zuhören, Rückmeldung. Nicken Sie bestätigend, lächeln Sie. Schauen Sie freundlich und aufgeschlossen. Machen Sie sich Notizen, wenn es angemessen ist. Stellen Sie Fragen, wenn Sie etwas nicht verstanden haben oder es angebracht ist. Bedanken Sie sich für das Gespräch und verabschieden Sie sich höflich. Meine Erfahrung mit Berufseinsteigern hat gezeigt, dass es sehr hilfreich für das Bewerbungsgespräch und auch das weitere Berufsleben ist, sich im Bereich „Business-Knigge“ coachen zu lassen.

Jeder Mensch besitzt unterschiedliche Facetten und hat unterschiedliche Rollen inne

Der Wirklichkeit im Vorstellungsgespräch auf die Spur kommen

Kann ich mich so zeigen und geben, wie ich bin?

Da frage ich jetzt zurück: Wie sind Sie denn? Ich selber bin mal laut, mal leise. Manchmal übernehme ich gerne Führung, aber ich kann auch gerne anderen die Führung überlassen. Das sind gerade mal zwei meiner Facetten. Jeder Mensch besitzt viele unterschiedliche Facetten und je nach Situation haben wir verschiedene Rollen inne. Das bedeutet nicht, dass wir eine Rolle spielen sollten. Aber je nach Kontext variieren die Erwartungen an uns und unser Verhalten. Meine Klienteninnen und Klienten sind immer wieder überrascht, welche Rollen sie alleine in ihrem Berufsleben wahrnehmen. In den letzten Jahren begegnet mir immer häufiger die Aussage: „Das musst du so akzeptieren. Ich bin halt so und werde mich auch nicht ändern.“

Begründet wird eine vorherige unangemessene Handlung oder diese Aussage mit Authentizität. Authentische Menschen erkennt man daran, dass sie mit sich selbst und ihrer Umwelt im Einklang sind. Sie sind offen, entspannt und wahrhaftig. Sie kennen ihre eigenen Stärken und eben auch ihre Schwächen. Meiner Meinung nach sind oder handeln wesentlich weniger Menschen tatsächlich authentisch, als sie es meinen und vorgeben. Bei ungefähr 90 % meiner Klienteninnen und Klienten landen „Wertschätzung“ und „Respekt“ oder auch „Ehrlichkeit“ auf den Top 3 ihrer Werteliste. Schauen wir genauer hin, dann beinhaltet der gleiche Wert eine Bandbreite an Definitionen und Auslegungen. Teilweise gerne nur in ihre Richtung gewünscht. Menschen, die also ihre eigenen Stärken, Besonderheiten, Fähigkeiten und Schwächen aufgespürt haben, die ihre Werte definiert haben, können authentisch sein. Wobei ich auch zwischen einer beruflichen und privaten Authentizität unterscheide. Und da sind wir wieder bei den verschiedenen Rollen, die wir in unserem Leben Inne habe. Tipp: Es gibt tolle Persönlichkeitstests, die Klarheit schaffen.

Dauerhaft eine Rolle zu spielen, die den eigenen Wertevorstellungen nicht entspricht, kann zum Burn-out führen

Gute Umgangsformen zu kennen und auch anzuwenden, erleichtert das gesellschaftliche Miteinander. Unterstützen Sie lieber Kolleginnen und Kollegen und/oder Vorgesetzte, die sich wie „die Axt im Wald“ verhalten, oder diejenigen, die sich Ihnen gegenüber höflich und korrekt verhalten? Okay, das war eine rhetorische Frage, und umkehrt gilt es natürlich genauso. Fazit: Können Sie sich im Berufsleben so zeigen und geben, wie Sie sind? Es kommt immer auf eine vernünftige Dosierung zwischen Individualität und Jobprofessionalität an. Wenn Sie gute Umgangsformen anwenden und die Erwartungshaltung an Ihre Rolle im Unternehmen erfüllen, dann können Sie sich durchaus so zeigen und geben, wie Sie sind.

Dauerhaft eine Rolle zu spielen oder spielen zu müssen, die nicht den eigenen Wertevorstellungen und dem eigenen Charakter entsprechen, kann zum Burn-out führen.

Tipps für die Bewerbung und das Vorstellungsgespräch

Welche Verhaltensweisen sind förderlich, welche sind eher schädlich für die Karriere?

Da es je nach Beruf und Karrierestufe viele Möglichkeiten gibt, gehe ich hier gerne auf drei ein. Förderlich für die Karriere ist auf alle Fälle, sich stetig weiterzubilden und diese Bereitschaft auch den Vorgesetzten zu vermitteln. Selbst wenn der derzeitige Arbeitgeber eine Maßnahme weder zeitlich noch finanziell unterstützt, sollten Sie abwägen, ob diese zusätzliche Fähigkeit vielleicht doch hilfreich für Ihre berufliche Zukunftsplanung ist. Investieren Sie in sich selbst. Zeigen Sie Initiative und seien Sie hilfsbereit. Wer auch mal proaktiv unliebsame Aufgaben übernimmt oder Kollegeinnen und Kollegen Hilfe anbietet, wird positiv und als Problemlöser gesehen. Und genau diese Menschen werden auch unterstützt. Ein Geben und Nehmen, das sich förderlich auf das Team und die eigene Karriere auswirkt. Verstehen Sie Netzwerken als Chance. Im Berufsalltag ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, Kontakte aufzubauen. Konferenzen, Besprechungen, Messen, Veranstaltungen und auch Firmenfeiern bieten eine Plattform zum Austauschen, Kontakteknüpfen und Netzwerken. Gehen Sie aktiv auf andere Menschen zu und bleiben im Kontakt. Auch die nicht förderlichen Verhaltensweisen beschränke ich auf drei. Menschen, die überwiegend jammern und sich als Opfer darstellen, kommen gar nicht gut an. Weder bei den Kollegeninnen und Kollegen noch bei Vorgesetzten oder Geschäftspartnern. „Immer“ haben sie zu viel Arbeit oder die Kunden oder Projekte nerven.

Die eigenen Erfolge müssen und sollen kommuniziert werden

Die Vorgesetzten sind ungerecht und und und … Mit dieser ständigen Negativität vergiften Sie das gesamte Arbeitsklima und machen sich unbeliebt. Wenn der Job und das Arbeitsumfeld wirklich so belastend sind, sollte schnellstens ein Jobwechsel angestrebt werden. Die ewigen Besserwisser punkten auch nicht mit ihrem Verhalten. Das Spektrum der Besserwisser beginnt bei den unerfahrenen Berufseinsteigern und endet bei den sehr erfahrenen Mitarbeitenden. Die Besserwisser bei den Berufsanfänger weisen eher darauf hin, dass sie etwas besser wissen, weil sie dieses oder jenes im Studium so gelernt haben (Theorie und Praxis driften aber auch mal auseinander). Die Besserwisser bei den Berufserfahreneren kommentieren alles, weil sie meinen, in allem Experte zu sein und ihr Beitrag besonders wichtig sei. Unangebrachte Bescheidenheit führt Sie auch nicht an Ihr Karriereziel. Viele Menschen können Komplimente, Lob und Anerkennung nicht annehmen. Direkt antworten sie sinngemäß: „Ach, das war doch gar nichts Besonderes …“ Und setzen dadurch ihre Arbeit und Leistung herab. Die eigenen Erfolge dürfen oder müssen sogar kommuniziert werden. Stichwort „Selbstmarketing“.

Wie wichtig ist Selbstmarketing?

Ich empfehle allen Berufstätigen, zeitig mit dem Aufbau der Ich-Marke zu beginnen. Immer wieder erzählen mir Klienten und Klientinnen, dass sie jahrelang gut und fleißig gearbeitet haben. Und was ist in ihrer Karriere passiert: Nichts! Sie sind „stecken geblieben“ und mussten zusehen, wie andere die Karriereleiter an ihnen vorbeizogen. Beim Selbstmarketing betonen und kommunizieren Sie ganz bewusst Ihre Einzigartigkeit, Talente, Fähigkeiten und Besonderheiten. Ziel ist es, von anderen so eingeschätzt zu werden, wie man tatsächlich ist und sich auch zeigen möchte. Durch gelungene und selbstsichere Auftritte kann sich jeder ein positives und stimmiges Image aufbauen. Das geschieht leider nicht von heute auf morgen. Ich begleite meine Klientinnen und Klienten dabei ca. vier Monate, damit die Grundsteine gelegt sind. Der Markenaufbau ist ein Prozess, den man wahrscheinlich auch nie beendet. Aber es lohnt sich.

 

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