Wenn warme Worte schaden
Loben, bis der Arzt kommt. Positives Feedback, Bestärkung und Lob sind gut. Doch übertreiben sollte man damit nicht – sonst stellen sich unerwartete Effekte ein.
Das schwäbische Lob ist unter deutschen Firmendächern weit verbreitet: Nicht geschimpft ist schon genug gelobt. Etliche Umfragen, nach denen sich Mitarbeiter hierzulande zu wenig anerkannt fühlen, fruchten jedoch mitunter mehr, als nötig – dann wird gelobt, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Keine gute Idee, denn zu viel des Guten bewirkt eher das Gegenteil.
„Man muss nicht inflationär wie im Kindergarten bei jeder kleinen Tätigkeit, die zur Leistungserfüllung gehört, loben. Das wirkt irgendwann lächerlich und könnte auch ironisch aufgefasst werden, so als würde sich die Führungskraft lustig über eine ‚Lobkultur‘ machen“, bemerkt Berater, Coach und Mediator Heiko Frerichs. Nicht jedem Vorgesetzten ist es gegeben, das richtige Maß, geschweige denn die richtigen Worte zu finden. Die Sache scheint schwieriger als gedacht.
Zwar findet auch Autor und Führungskräftetrainer Alexander Groth, dass zu wenig gelobt wird, aber wenn, dann gerne falsch: „Man sollte keine Selbstverständlichkeiten loben.“ Das entwertet die Worte und könnte zudem ein Signal dafür sein, dass der Chef sich schon mit wenig zufrieden gibt. Daher gilt: „Es ist wichtig, außergewöhnliche Leistungen zu loben. Und das konkret und ehrlich“, betont Groth. „Es geht darum, beobachtbares Verhalten anzuerkennen, ein dezidiertes Feedback zu geben. Und das nicht mal eben so, indem ein ‚Super gemacht‘ ins Büro gerufen wird.“
Läppischer oder unverdienter Beifall hat leicht das Geschmäckle von Spott. Was auch für positives Feedback aus reiner Nettigkeit gilt. Genau die gegensätzliche Wirkung entfaltet strategisches Lob: Der Klassiker sind warme Worte für die Belegschaft, um sie auf Überstunden vorzubereiten. In diese Kategorie fallen auch Belobigungen als Einleitung zur Kritik, erklärt Groth: „Klarer kann man Lob nicht entwerten und Misstrauen säen.“
So sehen das auch Nicole Bogott und Branko Woischwill, Karriere-Experten von der Freien Universität (FU) Berlin: „Anerkennung, die nicht ehrlich ist, ist ein absolutes No-Go und kann mehr zerstören als retten.“ Daher seien auch strategisch eingesetzte warme Worte, „wenn sie bestimmte Emotionen erzeugen sollen und manipulieren“, äußerst kontraproduktiv. „Vertrauen spielt beim Lob geben eine wichtige Rolle“, sagen die Wissenschaftler. Wenn Mitarbeiter der lobgebenden Person nicht vertrauten, dann schade das Lob eher. „Das strategische Lob wird als solches entlarvt und man sinkt auf der Sympathieskala.“
Was Führungskräften oft auch nicht klar ist: Viel positives Feedback für Einzelne oder ein Team kann schaden, weil dadurch andere das Gefühl bekommen können, nicht genug gewürdigt zu werden. „Das kann zu Konkurrenzkämpfen im Team führen“, warnen Bogott und Woischwill.
Frerichs sagt, wie es besser geht: Vorbehaltlos loben und wirkliche Anerkennung zeigen. Etwa indem Mitarbeiter, die Neukunden gewonnen oder für ein kniffliges Projekt Überstunden geschoben haben, einen halben Tag frei bekommen. Groths Rat geht in die gleiche Richtung: Den löblichen Mitarbeiter zum Essen einladen – und zwar während der Arbeitszeit. Ihm einen persönlichen Dankesbrief auf offiziellem Briefpapier schreiben – und zwar so, dass er diesen einer Bewerbung beilegen würde.
Bogott und Woischwill raten außerdem zum richtigen Timing: „Wenn möglich, gilt es den Moment abzupassen, in dem das Lob richtig aufgenommen werden kann, sodass der Mitarbeiter offen für Anerkennung ist.“ Ein kurzer Zwischenruf nebenher ist für sie ein No-Go.
„Alle Angelegenheiten zwischen Tür und Angel regeln zu wollen, um Zeit zu sparen, ist für mich ein Ausdruck von Respektlosigkeit gegenüber den Mitarbeitern“, unterstreicht Frerichs. Grundsätzlich gelte, echtes Interesse zu zeigen, gerne auch Fragen zu der erbrachten Leistung zu stellen, was auch als Anerkennung wahrgenommen wird. Und immer gilt: So präzise wie möglich loben, ein pauschales „Gut gemacht!“ verpufft so schnell wie eine Silvesterrakete und lässt den Mitarbeiter im Zweifel sogar fragend zurück: „Was habe ich denn gut gemacht?“
Leadership-Experte Groth propagiert daher die Idee, ein „Lobbuch“ zu führen. Aus einem einfachen Grund: „Wir erinnern uns meist nur an die letzten 100 Tage. Was davor war, wird weitgehend aus dem Gedächtnis gelöscht.“ Daher sollten Vorgesetzte das Jahr über notieren, wann und wie Mitarbeiter besonders geglänzt haben – und damit beim Jahresgespräch auftrumpfen: „Viele derart Belobigte werden selbst überrascht sein, weil sie sich womöglich gar nicht mehr an ihre besondere Leistung erinnern.“ Der Chef aber. Und so präzise! Der muss ein Elefantengedächtnis haben und wirklich beeindruckt von meiner Leistung sein. Besser geht es kaum. cer/ws