Wie viel Deutsch braucht ein Ingenieur?
Brauchen Ingenieure Deutsch? Diese Frage diskutierten Hochschullehrer der Ingenieurwissenschaften und Sprachwissenschaftler bei einem Projekt der TU9-Universitäten und des Goethe-Instituts. Die Meinungen darüber, ob Studierende angesichts der Globalisierung künftig nur auf Englisch ausgebildet werden sollten, gehen auseinander.
Ein klarer Befürworter von Lehrveranstaltungen auf Deutsch ist Cameron Tropea, Hochschullehrer für Strömungslehre und Aerodynamik an der Technischen Universität Darmstadt. „Fakt ist: Die deutsche Ingenieurkunst, insbesondere der Maschinenbau, ist im Moment Weltspitze. Man muss darüber nachdenken, warum das so ist. Die Generation, die für diese Spitzenleistungen verantwortlich ist, haben ich und meine Kollegen, die so um die 60 sind, ausgebildet. Was machen wir also anders als unsere Kollegen anderswo in der Welt? An der Lehre allein kann es nicht liegen, denn die ist ähnlich.“
Tropea sieht eine „kulturelle Disposition“, durch die Ingenieure zu Hochleistungen angespornt werden: „Wenn in Deutschland der Kühlschrank kaputt geht oder das Garagentor nicht mehr funktioniert, dann wird erwartet, dass man das sofort, spätestens am folgenden Wochenende repariert.
Mit der Sprache auch die „Haltung“ und die Mentalität kennenlernen
Wer das nicht macht, der wird von den Nachbarn schief angesehen. Es gibt in Deutschland einfach die Erwartung, dass Sachen funktionieren. Der Ingenieur, der in diesem Umfeld aufgewachsen ist, der weiß: Wenn er etwas baut, soll es halten und nachhaltig sein.“ Diese Haltung, die den Erfolg deutscher Erzeugnisse auf dem Weltmarkt ausmache, könnten sich nur Austauschstudenten aneignen, die mithilfe deutscher Sprachkenntnisse diese deutsche Mentalität verstehen lernten. Der Vizepräsident der TU Berlin Hans-Ulrich Heiß hält dem entgegen: „Der Arbeitsmarkt für Ingenieure ist global, der für Ingenieurprodukte ohnehin, und auch die größeren Technik-Unternehmen agieren global, sodass eine souveräne Beherrschung der englischen Sprache heute fast eine Selbstverständlichkeit darstellt.“ Im Wissenschaftsbereich sei das Englische so vorherrschend, dass Nachwuchsforscher eine Publikation auf Deutsch häufig für reine Zeitverschwendung hielten.
„Man kann ausländische Programm- und Austauschstudierende auch für deutschsprachige Studienangebote gewinnen, aber es ist ungleich schwieriger“, berichtet Heiß, der in Berlin über Kommunikations- und Betriebssysteme lehrt, aus eigener Erfahrung. Er schlägt für die Ingenieurwissenschaften vor: Das Bachelor-Studium soll in der Landessprache Deutsch erfolgen, das Master-Studium auf Englisch.
Deutschkenntnisse verbessern bei ausländischen Studenten in englischsprachigen Studiengängen den Studienerfolg, stellt Ursula Paintner fest. Die Leiterin des Referats Auslandsgermanistik und Deutsch als Fremdsprache beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) beruft sich auf Studien, wonach die soziale Integration von Studenten sich günstig auf deren Studienleistungen auswirkt. Auch wenn Universitäten zunehmend englischsprachige Studiengänge anböten, müsse es deshalb für die Studierenden – möglichst verbindliche – Deutschkurse geben. Laut Hochschulkompass der Hochschulrektoren-Konferenz seien derzeit in Deutschland knapp 2 % der Bachelor-Studiengänge und jeder zehnte Master-Studiengang englischsprachig. Die Auswertung eines DAAD-Programms habe ergeben, dass 11 % der ausländischen Bachelor-Studenten, 44 % der Master-Studenten und 52 % der Promovierenden hierzulande auf Englisch studieren.