PORTRÄT 14. Sep 2017 Sebastian Wolking Lesezeit: ca. 3 Minuten

Das Doppelleben des Benedikt Huber

Benedikt Huber ist der beste deutsche Läufer über die 800 m. Um in der Leistungsspitze mithalten zu können, verzichtet der Ingenieur des Küchengeräteherstellers BSH auf viel Geld und viel Freizeit.

Benedikt Huber im Nationaltrikot. Fördergeld von der Deutschen Sporthilfe erhält der deutsche Meister aber nicht.
Foto: Kiefner Sportfoto

Benedikt Huber hat zwei große Leidenschaften: Backöfen und Laufbahnen. Als Ingenieur arbeitet der 27-jährige Oberbayer für einen großen Hausgerätehersteller. Nebenbei schnürt er die Laufschuhe . Und das mit großem Erfolg. Im Sommer wurde Huber deutscher Meister über 800 m. Für sein Hobby verzichtet der Ingenieur auf viel Geld. Als Leistungssportler hat er aber beileibe nicht nur Nachteile.

Benedikt Huber

Verein: LG Telis Finanz Regensburg
Geboren: 13. Oktober 1989
Größe: 1,82 m
Gewicht: 72 kg
Laufstrecke: 800 m
Bestleistung: 1:46,57 min (2016)
Größte Erfolge: Deutscher Meister 2016 und 2017 ws

Als der Franzose Pierre-Ambroise Bosse im August neuer Weltmeister über 800 m wurde, konnte Benedikt Huber nur zuschauen. Er ist zwar amtierender deutscher Meister über diese Strecke, die WM-Norm aber hatte er wenige Wochen zuvor verpasst – und damit den Auftritt bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in London. Statt Huber trat Marc Reuther für den DLV an und schied im Vorlauf aus. Der Unterschied zwischen beiden: Reuther (21) lebt und trainiert wie ein Profisportler. Huber (27) dagegen arbeitet beim Haushaltsgerätehersteller BSH in Traunstein — und betreibt seinen Sport nur nebenbei. Der Oberbayer ist „Ingenieur und Halbprofi“, wie er sich selbst beschreibt.

Eine Studie der Stiftung Deutsche Sporthilfe war 2015 zu dem Ergebnis gekommen, dass erfolgreiche Athleten oft deshalb früh Schluss mit der Karriere machen, weil sie einen Hochschulabschluss erreichen oder ordentlich Geld verdienen wollen. Huber aber fährt – oder besser: läuft – schon jetzt zweigleisig. Für BSH reißt er 26 Stunden pro Woche in Teilzeit ab, daneben investiert er bis zu 20 Stunden in den Sport. Noch vor der Arbeit geht er zwei bis drei Mal wöchentlich frühmorgens raus auf die Tartanbahn, fährt danach zur Arbeit und hängt nachmittags noch eine Laufschicht dran.

„Zeitmanagement ist wichtig“, betont er. Seinen Wochenplan erstellt Huber in einer Excel-Liste. Die Arbeitsschichten in lila Kästchen, die restlichen in bunten, alles stundenweise getaktet. „Ich habe es ein halbes Jahr lang mit Vollzeit probiert. Da gab es wirklich nur Arbeit und Training, dann war der Tag vorbei.“

Sein jetziges Problem ist eher finanzieller Natur: Weder verdient Huber ein volles Gehalt noch erhält er Fördergeld von der Deutschen Sporthilfe. Seine Perspektiven seien nicht gut genug, mit 27 Jahren ist er nun einmal kein Talent mehr. „Ich bin zweifacher deutscher Meister und bekomme null Förderung“, sagt er. Sein Fazit: „In Deutschland ist die Unterstützung für Leistungssportler sehr schlecht.“

Schließlich summiert sich im Laufe der Saison ein erkleckliches Sümmchen, das Huber irgendwie aufbringen muss. Reisen, Trainingslager, Physiotherapeuten – ein fünfstelliger Betrag komme da schon zusammen, überschlägt er. „Ich weiß nicht, ob ich das noch machen würde, wenn ich gar keine Sponsoren hätte. Ich verzichte ohnehin schon auf einen Haufen Geld durch die Teilzeit.“

Der Oberbayer wirbt für ein örtliches Autohaus, einen Energieversorger, einen Personal- und einen Finanzdienstleister. Sein Verein, die LG Telis Finanz Regensburg, unterstütze ihn selbstverständlich auch nach Kräften. Unterm Strich könne er so die Kosten für sein semiprofessionelles Hobby decken. In diesem Jahr bleibt vielleicht sogar ein kleiner vierstelliger Betrag übrig, genau ausgerechnet habe er das aber noch nicht.

Andererseits ist sportlicher Ruhm auch ein Katalysator, schafft Anerkennung, verbessert das eigene Standing im Beruf. „Neue Kollegen nehmen einen tatsächlich anders wahr“, bestätigt Huber. „Da sammelt man als Leistungssportler durchaus Pluspunkte.“ Eine Studie des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (Dice) kam 2015 gar zu dem Ergebnis, dass ehemalige Leistungssportler nach ihrer aktiven Karriere deutlich mehr Geld verdienen als Nichtsportler. Demnach liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen der Ex-Athleten bei 3046 €. Nichtsportler verdienen im Schnitt 812 € weniger.

Dass Huber eine so blitzsaubere Karriere hinlegen würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Er ging zunächst auf die Hauptschule, absolvierte danach seine Lehre bei BSH, machte dann die mittlere Reife. „Ich bin im Laufe meiner Ausbildung immer ehrgeiziger geworden.“ An der Berufsoberschule holte er sein Fachabitur nach, studierte dann Produktionstechnik an der Hochschule Rosenheim. Der Studiengang wurde vor zwei Jahren in Maschinenbau umbenannt.

Nun tüftelt Huber an Backöfen, entwickelt mechanische Bauteile, arbeitet eng mit den Designern zusammen. In Traunreut entwickelt BSH auch Herde, Kochfelder, Wasserkocher und Kaffeevollautomaten, unter anderem für Siemens und Bosch. 1962 wurde hier der erste Einbauherd der Welt entwickelt. „Backöfen werden immer komplexer“, sagt Huber. Der Trend gehe auch hier zur Vernetzung, zu Smart-Home-Anwendungen, bei denen Haushaltsgeräte miteinander agieren. Aber für den Produktionstechniker ist bei aller IT-Begeisterung auch klar: „Es wird immer mechanische Teile geben.“

Die sportliche Saison ist für Huber beendet. Das nächste große Ziel lautet: Europameisterschaft 2018 in Berlin. Und dann als Krönung die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. „Das ist ein Traum.“ Dann wäre er 30. Ein Oldie-Läufer mit Teilzeitjob – kann das klappen? „Ich müsste mit der Arbeit aufhören, um noch ein paar Prozent drauflegen zu können,“ sagt er. „Wenn ich wüsste, ich könnte mich zwei Jahre lang komplett auf den Sport konzentrieren und dann wieder in den Job zurückkommen, dann würde ich es auf alle Fälle machen.“ Das wird aber nicht gehen, wie Huber weiß: „Irgendwie muss ich auch noch Geld verdienen.“ ws

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