Frauen haben im Alltag die Hosen an
Auch wenn sie berufstätig sind: Frauen übernehmen den Löwenanteil bei der Alltagsorganisation innerhalb von Paarkonstellationen und von Familien.
Frauen wenden weitaus mehr Zeit als Männer für Arbeit im Haushalt und für Sorgearbeit in der Familie auf – und zwar auch, wenn sie gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Das ist bereits aus verschiedenen Untersuchungen bekannt.
Eine neue Studie zeigt nun: Das gilt nicht nur für praktisch-manuelle Tätigkeiten wie kochen, aufräumen, putzen oder etwa die Körperpflege von Kleinkindern oder alten Familienmitgliedern, sondern auch für die Organisation des Alltags. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Paarbeziehungen von Erwerbstätigen überwiegend die Frau darum kümmert und sich dafür verantwortlich fühlt, dass wichtige private Aufgaben erledigt und Termine gehalten werden, liegt bei 62 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass das vor allem der Mann übernimmt, beträgt hingegen lediglich 20 %. Leben Kinder im Haushalt, ist die Diskrepanz noch spürbar größer, ergibt die Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
„Mental Load“ ist bei Frauen größer
Einkaufslisten machen, Abendessen planen, den Nachwuchs vom Kindergarten abholen, Termin für die Vorsorgeuntersuchung bei der Kinderärztin machen, zwischendurch den kranken Schwiegervater anrufen und an die Unterlagen für die Steuererklärung denken: All das und noch viel mehr gehört zur Alltagsorganisation, die neben der Erwerbsarbeit eine Menge Zeit und Nerven kosten kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen abstrakter auch von „unsichtbarer Denkarbeit“ oder „Mental Load“ – geht es doch um Voraus- und Mitdenken, den Überblick wahren, Wege finden, das scheinbar Unvereinbare vereinbar zu machen. Die WSI-Forscherin Yvonne Lott und ihre Ko-Autorin Paula Bünger haben untersucht, wie erwerbstätige Frauen und Männer diese Planungsaufgaben untereinander aufteilen. Und welche Belastung aus dieser kognitiven und emotionalen Arbeit resultiert.
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Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben Lott und Bünger im Rahmen der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung rund 2200 erwerbstätige oder arbeitsuchende Personen zum Thema Mental Load befragen lassen. Ihre Studie ist die erste umfassende Untersuchung in Deutschland zu diesem Thema. Die Interviewten sollten sagen, wer im Haushalt für die Alltagsorganisation hauptsächlich zuständig ist, und angeben, als wie belastend sie diese Aufgabe empfinden.
Ergebnis: Frauen übernehmen den überwiegenden Teil der Planungsarbeit. Nach dem statistischen Modell der Wissenschaftlerinnen liegt die „Wahrscheinlichkeit, die notwendigen Alltagsaufgaben im Haushalt zu planen, organisieren und an sie zu denken, für Frauen bei 62 %, für Männer lediglich bei 20 %“. Unter Frauen in Teilzeitbeschäftigung ist die Wahrscheinlichkeit höher als bei Vollzeitbeschäftigten, aber selbst bei Letzteren liegt sie bei 57 %. Generell ist eine gleichmäßige Aufteilung des Mental Loads noch seltener, wenn Kinder im Haushalt leben. Erwerbstätige Frauen mit Kindern übernehmen mit einer Wahrscheinlichkeit von 74 % den Großteil des Alltagsmanagements (Frauen ohne Kinder: 56 %).
Auch die empfundene Belastung durch die Planungsarbeit unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. Auf einer Skala von null bis sieben kommen Frauen im Schnitt auf 3,2, Männer auf 2,8. Beachtenswert sei zudem, schreiben Lott und Bünger, „dass sich Frauen in Teilzeit ebenso wie Frauen in Vollzeit durch kognitive Arbeit belastet fühlen. Es scheint also nicht so zu sein, dass Frauen durch kürzere Arbeitszeiten mehr mentale Entlastung im Alltag erfahren und etwa mit mehr Entspannung und Energie kognitive Arbeit erledigen.“
Politik ist gefordert, die geschlechtsspezifischen Unterschiede zu reduzieren
Der Mental Load sei „eine zentrale Dimension partnerschaftlicher beziehungsweise geschlechtsspezifischer Ungleichheit“, der auf verschiedenen Ebenen begegnet werden müsse, konstatieren die Forscherinnen. Politik und Unternehmen seien gefordert, bessere Anreize zu setzen, um solche Ungleichheiten zu reduzieren. Es gelte, den „ins Stocken geratenen Wandel der Geschlechterarrangements anzukurbeln“ – auch auf der betrieblichen Ebene, wo wesentliche Gründe für den geringen Fortschritt zu finden seien.
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Denn einerseits würden Frauen trotz ihrer Erwerbstätigkeit nach wie vor oft als Hauptsorgeverantwortliche betrachtet. Andererseits habe für viele jüngere Männer zwar eine aktive Teilnahme am Familienleben einen deutlich höheren Stellenwert als früher. Doch: „Die Leitbilder und Lebensziele für eine aktive Vaterschaft stehen oft im Konflikt mit traditionellen Anforderungen und Erwartungen, die von Vorgesetzten oder Kolleg*innen vorgebracht werden“, schreiben die Forscherinnen. Eine Maßnahme, um das zu ändern, könnten etwa Führungskräfteschulungen sein, die zum Wandel der Betriebskultur beitragen. Darüber hinaus müssten Väter aktiv auf die betrieblichen und gesetzlichen Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen und bei deren Inanspruchnahme unterstützt werden.