Agricultural Technology 2030 (Teil II)
VDI-RoadmapErscheinungsdatum: 10.10.2023
Reihe: Blaue Papiere
Band Nummer: 17/2023
Ort: Düsseldorf
ISBN: 978-3-949971-63-1
Erscheinungsjahr: 2023
Anzahl Seiten: 48
Produktart: PDF-Datei
Produktbeschreibung
Zusammenfassung
Mittel- und langfristig ist eine tragfähige gesellschaftliche Akzeptanz eine zwingende Voraussetzung für eine zukunftsfähige Entwicklung der Nutztierhaltung.
Um diese Ziele zu erreichen, sind in Landwirtschaft und in Industrie sowie insbesondere in der Forschung und Lehre an den Universitäten und Hochschulen mittel- und langfristige Konzepte erforderlich. Verlässliche strategische Aussagen der Politik zur Zukunft der Tierhaltung in Deutschland und Europa sind die Grundlage für die Forschung und den zukünftigen Technologietransfer.
Nutztierhaltung hat einen natürlich begründeten Platz in einem nachhaltigen Ernährungssystem.
Allerdings sind der künftige Umfang, die räumliche Verteilung und die Intensitäten der tierischen Erzeugung noch weitgehend unbekannt. Unabhängig von diesen dringend zu klärenden Fragen schreiten die allgemeinen technischen Entwicklungen, insbesondere im Kontext der digitalen Transformation, voran. Die unklare Entwicklungsperspektive der Nutztierhaltung macht diesen Bereich der Landwirtschaft derzeit wenig attraktiv für Innovationen und Investitionen. Gleichzeitig ist die Erwartung der Gesellschaft an eine Transformation der Nutztierhaltung, hin zu mehr Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz, hoch. Jede Entwicklung für verbessertes Tierwohl oder die Reduzierung von Umwelt- und Klimabelastungen braucht die Integration in die Komplexität der Produktionsbedingungen und muss ihre Wirkung dort unter
Beweis stellen.
Technik und Technologien können einen entscheidenden Beitrag für eine nachhaltigere Tierhaltung leisten. Rinder, Schweine und Geflügel haben ihren Platz im bioökonomischen Produktionssystem. Integrierte Landnutzungssysteme
können neben der Lebensmittel-Produktionsfunktion zusätzliche Leistungen erbringen und die Biodiversität befördern. Welche konkreten Produktionssysteme und Managementstrategien an welchen Standorten die nachhaltigsten sind, ist jedoch ebenfalls noch weitgehend unbekannt. Synergien mit Energieerzeugungs- und Energiespeichersystemen sind vorhanden, aber nicht systematisch untersucht und angewendet. Stallungen nicht nur als Schutzraum für Nutztiere zu planen, sondern auch deren Dachflä- chen als Ort für Solarenergie-Nutzung zu planen, ist in der Praxis angekommen. Dagegen sind die Potenziale der Nutzung der Abwärme aus Tierställen bisher selten beachtet, obwohl die transportierten Wärmemengen beachtlich sind. Die Wärmerückgewinnung aus Tierställen steht jedoch vor hohen technischen Anforderungen, insbesondere aufgrund aggressiver Luftbestandteile. Auch der Bereich der „Wirtschaftsdünger“ bietet Potenzial für neue technische Entwicklungen, um nicht nur die enthaltene Energie (Biogas) zu nutzen, sondern die darin enthaltenen Nährstoffe umweltschonend und gezielt, mit verbesserter Effizienz, im Kreislauf zu führen.
Digitalisierung und Automatisierung haben in der Nutztierhaltung seit Längerem einen festen
Platz. Die Potenziale der Digitalisierung sind bisher jedoch nur ansatzweise genutzt. Mangelnde digitale Infrastrukturen in den ländlichen Räumen sind ein Grund dafür, aber nicht der einzige. Unklarheiten bezüglich Datenhoheit und Nutzungsrechten an Daten behindern die Entwicklungen ebenso wie fehlende Standards für den digitalen Informationsaustausch zwischen Systemen innerhalb der Betriebe und, betriebsübergreifend, innerhalb der Wertschöpfungskette oder mit Behörden.
Das Management von Nutztieren wird zunehmend digital unterstützt und ist damit von technischen Systemen abhängig, die wiederum mit der technischen Umgebung der Nutztiere verbunden sind. Entscheidungen zum Umgang mit
den Tieren werden zunehmend von digitalen Assistenzsystemen vorbereitet. Dies wirft Fragen der ethischen und rechtlichen Verantwortung auf, welche die Tierhaltenden haben. Die weitere Digitalisierung in der Nutztierhaltung ist
also nicht nur eine technische Herausforderung, sondern muss als Feld für sozio-technische Innovationen verstanden und entsprechend forschungspolitisch behandelt werden.
Individualisierung des Umgangs mit Nutztieren besitzt enorme Potenziale für die Verbesserung
des Tierwohls, für die Reduzierung von Umweltbelastungen und die Erhöhung der Effizienz des Ressourceneinsatzes. Die technischen Voraussetzungen für das Erfassen von Daten über das Einzeltier (insbesondere bei Milchkühen)
sind bereits heute sehr zahlreich und werden ständig durch neue Sensoren erweitert. Die Datennutzung findet jedoch bisher noch überwiegend gruppenbezogen statt. Ein Verständnis des Individuums „aus sich selbst heraus“ fehlt bisher in der Nutztierforschung ebenso wie im Humanbereich. Individualisierte Ernährungsstrategien und ein individualisiertes Gesundheits- und Wohlfühlmonitoring lassen sich möglicherweise durch spezielle Methoden des „Maschinellen Lernens“ entwickeln, die auch mit der Selbstregulation biologischer Systeme umgehen können. Diese Methoden ließen sich vermutlich auch in den Humanbereich übertragen.
Technische Entwicklungen und neue Technologien können in erster Linie Handlungsroutinen ersetzen, stellen aber in der Regel zusätzliche Anforderungen an ihre Bedienung und Nutzung. Ein Rückblick auf die technischen Entwicklungen in der Nutztierhaltung macht deutlich, dass weniger Menschen immer mehr Tiere betreuen können, dass aber die notwendigen Kompetenzen der Betreuenden erheblich gestiegen sind. Dieser Umstand wird in der Ausbildung noch unzureichend berücksichtigt. Die Ursachen liegen aber teils bereits in der Ausbildung der Ausbildenden, also in den Hochschulen und
Universitäten. Die starke Orientierung der Universitäten auf Forschung, die auf Erkenntnisgewinn ausgerichtet ist, hat in den Agrarfakultäten zur Reduzierung solcher Lehrstühle geführt, deren Erkenntnisgewinn enger an praktischen Problemlösungen ausgerichtet ist, wie es z. B. bei der Technik in der Tierhaltung der Fall ist. Neben den klassischen Disziplinen, die zur tierangepassten Technik forschen und lehren, braucht es auch solche zur Erforschung der Nutztier-Umwelt-Wechselbeziehungen und zum digital unterstützten Tiermanagement. Auf diese Weise können Universitäten einen wichtigen Beitrag für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung leisten. Die Entwicklungen der letzten fünfzig Jahre haben in Europa die Funktion der Nutztiere weitgehend auf die Lieferung von Nahrungsmitteln für Menschen reduziert und die Produktion weitgehend standortunabhängig gemacht. Die Umwelt der Tiere wurde zunehmend technisiert, um mit weniger Menschen mehr hochwertige Lebensmittel zu erzeugen. Die digitale Transformation ist auch in der Nutztierhaltung längst angekommen und wird diese weiter verändern. Durch die Nutzung digitaler Informationssysteme lassen sich die gesellschaftlichen Erwartungen an mehr Transparenz und eine lückenlose Rückverfolgbarkeit besser erfüllen.
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben auch gezeigt, dass der größte Fortschritt in den
eher mittelständisch strukturierten Unternehmen der Tierhaltungstechnik durch die Innovationsförderung generiert werden konnte. Dabei entstehen neue Technologien aus gemeinsamen Aktivitäten von Wissenschaft, Industrieunternehmen und landwirtschaftlichen Betrieben, wobei die Markteinführung durch den Industriepartner sehr gut und schnell gelingen kann.
Innovationshöfe werden zukünftig eine Schlüsselrolle in der Kommunikation und beim Wissenstransfer einnehmen. Sie haben nicht nur Modell- und Demonstrationsaufgaben; dort werden auch die Probleme, Stärken und Schwächen der Technologien mit allen Interessengruppen diskutiert. Das beschleunigt den Erfahrungsaustausch, die Transparenz und Akzeptanz der Entwicklungen in Landwirtschaft und Gesellschaft.
Inhalt
Zusammenfassung 1
Vorwort 3
1 Tierhaltung – Aktuelle Situation 6
1.1 Stellung innerhalb der Landwirtschaft 6
1.2 Bedeutung für die menschliche Ernährung 7
1.3 Forderungen von Politik und Gesellschaft 7
2 Weg zur Zukunftsfähigkeit 9
2.1 Ausgangssituation 9
2.2 Stand der Technik 9
2.3 Energieversorgung und -anwendung 11
2.4 Mechanisiserung 12
2.5 Automatisierung 12
2.6 Elektronikeinsatz/Digitalisierung 13
2.7 Von der Spezialisierung zu Systemlösungen 13
2.8 Beiträge zur Nachhaltigkeit 14
2.9 Zielkonflikte 14
3 Anwendungsbeispiele 18
3.1 Wie erreichen wir mehr Tierwohl? Beispiel – Rinderhaltung 18
3.2 Wie entlasten wir die Umwelt? Beispiel – Schweinehaltung 20
3.3 Wie erfüllen wir die Anforderungen des Markts?
Beispiel – Legehennenhaltung 22
4 Zukünftige Handlungsfelder und Forschungsbedarf 25
4.1 Energieerzeugung und effiziente Verwendung (Anwendungsbeispiele) 25
4.2 Arbeitsorganisation 29
4.3 Datengetriebene Geschäftsmodelle 31
4.4 Kommunikationsfähigkeit und Kompatibilität 32
4.5 Abbildung des Systems in einem digitalen Zwilling 33
4.6 Technologiebewertung nach Kriterien der Nachhaltigkeit 33
5 Rahmenbedingungen durch Politik und Gesellschaft 35
5.1 Erwartungen an die Politik 36
5.2 Stellung in der Gesellschaft 37
5.3 Innovationsförderung 37
Autorenteam 39
Schrifttum 40
Keywords: Landwirtschaft, menschliche Ernährung, Mechanisierung, Automatisierung, Tierwohl, Energieversorgung, Nachhaltigkeit, Schweinehaltung, Rinderhaltung, Geflügel, Agriculture, human nutrition, mechanizing, automation, animal welfare, energy supply, sustainibility, pig keeping, cattle keeping, poultry
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