3-D-Druck von alten Meistern
Wenige Technikthemen entfalten derzeit solche Zugkraft wie der 3-D-Druck und die neuen Einsatzbereiche, die sich damit eröffnen sollen. Im Grenzbereich zwischen dem normalen, dem zweidimensionalen und dem 3-D-Druck bewegt sich ein Projekt der TU Delft und des Druckerherstellers Canon Océ. Am Beispiel von Gemälden Rembrandts und van Goghs erforschen Kunstwissenschaftler, Ingenieure und Restauratoren, wie sich diese originalgetreu reproduzieren lassen.
Und um es gleich klarzustellen: Es geht hier nicht um Fälschungen à la Beltracci, sondern um den Versuch, digitale Kopien von Gemälden zu erstellen. Damit steht dieses Projekt in einer jahrhundertelangen Tradition von Produktion, Konsum und Reproduktion von Kunst.
In jeder Epoche wurden mit den jeweils zur Verfügung stehenden Techniken Kopien von beliebten Gemälden angefertigt. In jedem Museumsshop kann man heute sein Lieblingsbild als Postkarte oder Poster kaufen und mit nach Hause nehmen – als mehr oder weniger guten Farbdruck. Das Projekt der TU Delft zur Gemäldereproduktion hat allerdings ein anderes Ziel, als nur einen guten Kunstdruck zu erstellen.
„Wir wollen nicht nur den heutigen Zustand des Gemäldes so ähnlich wie möglich wiedergeben, sondern auch die Geschichte des Gemäldes erforschen, wie ein Geologe oder Archäologe verschiedene Schichten und Episoden erkundet“, erklärt Joris Dik, Chemiker und Kunsthistoriker an der TU Delft, die Zielsetzung der Arbeiten, die dort laufen.
Wie sah das Gemälde ursprünglich aus? Welche Farben haben sich verändert? Das sind Fragestellungen, die Dik, der einen Lehrstuhl für Materialwissenschaften in der Kunst und Archäologie an der TU Delft innehat, und seine Gilde beschäftigen.
Van Gogh malte zum Beispiel seine Sonnenblumen in einem sehr farbintensiven Cadmiumgelb. „Heute hat sich die Farbe in ein sattes Ockergelb verändert“, gibt Dik ein Beispiel. Wurde das Bild durch Korrosionsprozesse verändert? „Wir wollen das Bild so ausdrucken, dass unser Druck dem Original näher ist als dem Bild, das wir heute vor uns haben“, so Dik.
Gute Reproduktionen erfordern auch, die Oberflächenstruktur des Gemäldes abzubilden. Ein Gemälde ist zwar immer eine 2-D-Abbildung einer 3-D-Wirklichkeit, wird darüber hinaus in seiner Wirkung aber entscheidend durch seine Struktur und sein jeweiliges Relief mitbestimmt. Die Pinselführung, das Krakelee und die Oberfläche bestimmen entscheidend den Ausdruck und die Wirkung eines Kunstwerks.
Van Gogh und Rembrandt haben beide mit plastischen Pinselstrichen und kräftigem Farbauftrag gearbeitet, die Oberflächenstrukturen sind stark ausgeprägt. Deshalb eignen sich ihre Werke gut als Forschungsobjekt für Dik und sein Team. Die Herausforderung war, die Oberflächen so präzise wie möglich zu erfassen und auch wieder auszugeben.
Die erste Herausforderung war: Wie nimmt man solch eine Oberflächenstruktur auf? Dafür entwickelte Tim Zaman von der TU Delft ein eigenes System. Basis sind ein hochauflösender Scanner, bestehend aus zwei handelsüblichen Nikon-Spiegelreflexkameras mit je 40 Megapixel Auflösung, sowie ein Streifenprojektionssystem. Mit dieser Kombination werden topografische Details bis zu 10 mm Höhe und pro Aufnahme 40 Mio. Farbpunkte erfasst – jeweils in kleinen Teilstücken von 17 cm x 10 cm.
Die einzelnen Aufnahmen werden durch 3-D-Stitching zu dem Gesamtbild zusammengerechnet. Jeder einzelne Punkt ist gekennzeichnet durch seine x/y/z-Koordinaten sowie seinen Farbwert in der RGB-Farbdarstellung. Die effektive Auflösung beträgt in x/y-Richtung ca. 50 µm, in z-Richtung ca. 10 µm.
Die farblichen und strukturellen Informationen des Gemäldes werden damit in einer Genauigkeit erfasst, die vergleichbar ist mit dem Auflösungsvermögen des menschlichen Auges aus kurzer Entfernung.
Am Computer herangezoomt, ähneln die Oberflächen der Gemälde fast einer Planetenoberfläche – mit Bergen von Farbe und wild durchfurchten Tälern. Sie zeigen, wie artistisch Rembrandt und van Gogh die Möglichkeiten des Farbauftrags auf ihren Leinwänden genutzt haben und auch mit der Struktur allein gezielt Licht- und Schattenwirkungen darstellten. Gleichzeitig werden mit diesem Scansystem die Farben exakt erfasst. Dieser Scan bildet den Input für den Druckprozess.
Der Drucker baut das Bildrelief in mehreren Durchgängen mit UV-härtenden Tinten auf. Genutzt werden die vier Druckfarben des CMYK-Farbmodells und ein zusätzliches Weiß, gedruckt wird in einer Auflösung von 450 dpi.
Eingesetzt wurde ein Flachbett-Produktionsdrucker für den Schilderdruck von Canon Océ, der bisher nicht serienmäßig verfügbar ist, sondern nur im Rahmen von Druckserviceverträgen angeboten wird, erklärt Jo Geraedts, der an der TU Delft im Bereich Industrial Engineering forscht und einen Lehrstuhl für neues mechatronisches Design innehat.
Während die Digitalisierung der Bilder im Scanprozess schon weitgehend optimiert stattfindet, ist der Druckprozess, so Dik, noch der Flaschenhals auf dem Weg zur perfekten Reproduktion. Bei einer Gegenüberstellung von Original und Druck bis auf 1 m Entfernung fällt es zwar selbst Kunstexperten schwer, das Original zu identifizieren. Bei der Betrachtung aus geringerer Entfernung aber fällt auf, dass Kontraste verschwimmen und die Auflösung teilweise diffus wirkt. Auch Glanz oder Transparenz – wie bei der Darstellung von Haut, die die alten Meister perfekt wiedergeben – kann im Druck bisher nur ungenügend dargestellt werden.
Die Druckoberfläche zeigt darüber hinaus ein leicht plastifiziertes Aussehen. Doch Dik ist zuversichtlich, beim Ausdruck in naher Zukunft Fortschritte zu erzielen. Die Nachfrage nach den digital produzierten Meisterwerken ist trotz der noch bestehenden Schwächen des Drucks groß – doch verkauft werden diese Bilder nicht. Sie werden derzeit nur für weitere Forschungen eingesetzt.
Erhältlich sind dagegen – hergestellt mit einem anderen Verfahren – im Van-Gogh-Museum Amsterdam 3-D Drucke von fünf verschiedenen seiner Gemälde – für je 25 000 € pro Ausdruck. Die Herstellungstechnik heißt Reliefografie und wurde von Fujifilm entwickelt. Die aufwendige Produktion limitiert die Herstellung auf drei Drucke pro Tag.
Das komplette Bild einschließlich Rahmen und Rückseite wird in 3-D eingescannt und danach ausgedruckt. Die sogenannten Relievos sind auf 260 Stück pro Gemälde beschränkt. Die Einnahmen sollen in die Restauration und Präservation von über 200 Gemälden, Zeichnungen und Briefen gesteckt werden
In Delft dagegen arbeiten die Wissenschaftler an der Weiterentwicklung ihrer Reproduktionsmethodik. „Für uns steht derzeit nicht eine Kommerzialisierung im Vordergrund, sondern die Erforschung, wie der Künstler das Original tatsächlich erstellt hat und welche Veränderungen in den Jahrhunderten seitdem vorgenommen wurden“, so Dik.
Nächstes Forschungsobjekt könnte die „Nachtwache“ von Rembrandt sein, die früher im Amsterdamer Rathaus hing. Dik möchte herausfinden, was an den Seiten fehlt. Denn die wurden – weil der Platz im Rathaus knapp war – einfach abgeschnitten. Wäre doch toll, man könnte das Gemälde endlich mal so sehen, wie es ursprünglich ausgesehen hat.