Augenprothesen aus dem 3D-Drucker
Fraunhofer-Forschende erstellen künstliche Augäpfel, die perfekt auf den jeweiligen Menschen abgestimmt sind – im Hinblick auf Form und Farbe.
Rund 8 Mio. Menschen weltweit sind nach aktuellen Schätzungen auf ein künstliches Auge angewiesen. Solche Prothesen werden immer dann notwendig, wenn das ursprüngliche Körperteil aus gesundheitlichen Gründen operativ entfernt werden musste, etwa infolge einer schweren Verletzung oder einer lebensbedrohlichen Krankheit wie Augenkrebs.
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Der bisherige Herstellungsprozess ist seit Jahrzehnten weitgehend unverändert. Er basiert auf klassischer Glasbläserkunst. Das setzt viel Erfahrung und Know-how voraus. Fachleute sind demgemäß rar gesät. Entsprechend lange dauert die Produktion.
Das vorherige Maßnehmen kann schmerzhaft sein – oft ist gar eine Vollnarkose nötig. Gerade für betroffene Kinder ist das ein zusätzliches Trauma.
Diese Situation verbessern wollen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD (Darmstadt) in Zusammenarbeit mit Fachleuten vom renommierten Moorfields Eye Hospital in London.
Augenhöhle ausmessen mittels optischer Kohärenztomografie (OCT)
Sie nutzen die optischen Kohärenztomografie (OCT, Optical Coherence Tomography), um ein Scan der Augenhöhle und des gesunden Auges zu erstellen. Eine zusätzliche Kamera liefert ein farbkalibriertes Bild. Der zuvor übliche Alginat-Abdruck der Augenhöhle ist nicht mehr notwendig. Die Software „Cuttlefish:Eye“ nutzt dann ein statistisches Formmodell, um trotz unvollständiger Oberflächeninformationen der Augenhöhle die am besten passende Prothesenform vorherzusagen. So wird aus den OCT-Daten in wenigen Minuten ein passgenaues 3D-Modell der Augenprothese berechnet, das visuell mit dem gesunden Auge übereinstimmt.
Die Produktion erfolgt schließlich auf einem Multimaterial-3D-Drucker, der über den 3D-Druckertreiber „Cuttlefish“ angesteuert wird.
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Hergestellt und vertrieben werden die Prothesen bisher vom Unternehmen Ocupeye Ltd. Die Kosten sind angeblich deutlich niedriger als bei dem konventionell erzeugten Pendant. Das gilt aber wohl nur, wenn eine individualisierte Massenproduktion erreicht werden kann. Hintergrund: Geeignete Drucker kosten schnell mittlere sechsstellige Beträge.
Die Software ist bislang in Großbritannien als Medizinprodukt zugelassen und soll künftig auch auf dem europäischen Festland zum Einsatz kommen.
Auch Zahnrestaurationen sind geplant
Ihre Expertise aus dem Bereich 3D-Druck in Farbe sowie die Erfahrungen mit Cuttlefish:Eye wollen die Forschenden künftig auch auf andere Themenfelder übertragen – etwa großflächigere Epithesen. Auch an Zahnrestaurationen wird bereits gearbeitet. Herausfordernd dabei dürfte die Materialfrage sein: Welcher druckfähige, farblich anpassbare Kunststoff ist ausreichend hart, um dauerhaft mechanischen Belastungen standzuhalten? Mehr demnächst auf diesem Kanal …