Ernste Konkurrenz für Spritzgießer
Auf der jüngsten Fachmesse Formnext wurden zwei Technologien vorgestellt, die die additive Fertigung mit Kunststoffen revolutionieren könnten.
Das nennt man wohl eine Kampfansage: „Wir drucken zehnmal schneller als der bisherige Technologieführer. Gleichzeitig erreichen wir Festigkeiten, von denen alle Wettbewerber nur träumen können. Wir setzen neue Maßstäbe im Schmelzschichtverfahren.“ Das behauptet – gänzlich unbescheiden – Lars Uffhausen, COO & CFO des US-Unternehmens Essentium. Das Verblüffende: Er könnte recht haben.
Die hohe Druckgeschwindigkeit wird möglich durch einen modifizierten Antrieb: Der Extruder wird nicht, wie sonst üblich, von einem Steppermotor mit Riemen bewegt, sondern von einem leistungsstarken Linearmotor. „Er ermöglicht Beschleunigungen von bis zu 3 g und Geschwindigkeiten von mehr als 1 m/s“, so Uffhausen.
Diese Werte alleine genügen aber noch nicht, um Bauteile in Highspeed zu formen. Auch das Tempo, mit dem der geschmolzene Kunststoff ausgebracht wird, muss hoch sein. „Das gewährleisten wir mit einem Extrudermotor, der eine Kraft von bis zu 40 N entfaltet.“
Um den Kunststoff entsprechend schnell aufschmelzen zu können, haben die Amerikaner die thermische Masse des Druckkopfs reduziert. Sie begnügen sich damit, die extrakurze Düse elektromagnetisch aufzuheizen. Das Maschinenteil erreicht binnen Sekunden eine Temperatur von bis zu 600 °C. Seine Spitze besteht aus Saphir, was die Nutzung gefüllter Materialien erlaubt. Die Aufbaurate liegt bei rund 450 g pro Stunde – bei einer Schichtstärke von etwa 200 µm. Die Software wurde in Kooperation mit Branchenprimus Materialise entwickelt.
Das Versprechen der einzigartig hohen Festigkeit versuchen die Texaner mit einer echten Innovation einzulösen: Ihre Filamente sind mit einer Schicht voller Carbon-Nano-Röhrchen überzogen. Diese winzigen Partikel nehmen die Energie auf, die während des Druckprozesses mittels einer Plasmawärmequelle in das entstehende Bauteil induziert wird. Sie schmelzen den umgebenden Kunststoff erneut auf und verankern auf diese Weise die einzelnen Schichten miteinander. „Die Energie dringt etwa 100 Schichten tief in das Bauteil ein. Das Problem der reduzierten Festigkeit in der Z-Achse ist damit gelöst“, behauptet Uffhausen. „Wir erreichen Eigenschaften, die bisher nur im Spritzgussverfahren realisierbar waren.“
Die beschichteten Filamente kosten laut Uffhausen nicht mehr als Standardkunststoffe. Im Angebot sind u. a. PLA, PA, Nylon mit Carbonfasern, TPU sowie eine Edelstahllegierung. Der Drucker schlägt mit etwa 75 000 $ zu Buche. Sein beheizter Bauraum misst 74 cm x 51 cm x 65 cm.
Auch Branchenriese Eos will Spritzgießern und Formenbauern Konkurrenz machen. Die Wunderwaffe der Bayern heißt „LaserProFusion“. CTO Tobias Abeln verheißt: „Mit dieser Technologie erreichen wir beim industriellen 3-D-Druck mit Polymeren ein neues Maß an Produktivität für die Serienfertigung.“ Die additive Fertigung werde sich damit gänzlich neue Märkte erschließen.
Das Geheimnis liegt in der Belichtungseinheit. „Wir benutzen nicht lediglich einen Laser. Auch nicht zwei oder vier“, so Abeln. Tatsächlich würden pro Drucker rund 1 Mio. Strahlquellen verbaut. Dabei handele es sich um vertikal emittierende Diodenlaser, sogenannte VCSEL. Sie strahlen mit einer Wellenlänge von rund 800 nm. Ihre maximale Gesamtleistung liegt bei über 5 kW.
Die VCSEL sind auf einer etwa 40 cm tiefen, horizontal verfahrbaren Belichtungseinheit angeordnet. Jeweils rund 300 der einzelnen Strahlen werden in einem optischen Kanal gebündelt. Zum Verschmelzen der Kunststoffpartikel stehen also knapp 3500 Pixel zur Verfügung. Alle sind einzeln schaltbar.
Die Kopplung der Einzelstrahlen ist nötig, um genügend Wärmeenergie in das Pulverbett einbringen zu können. Zusätzlich ist der Kunststoff mit Energieabsorbern angereichert.
Beim Druckprozess wird die Belichtungseinheit mit hoher Geschwindigkeit über das Pulverbett geführt. Bestrahlt wird dort, wo ein Bauteil entstehen soll. „Dabei sind wir sowohl unabhängig von der Größe des einzelnen Bauteils als auch von der Packungsdichte im gesamten Bauraum“, so Abeln. „So ist es uns möglich, auch komplexe Teile in Sekundenschnelle herzustellen.“
Noch ist das neue Verfahren im Prototypenstadium. Die offizielle Markteinführung ist für das Jahr 2021 geplant. Ausgewählte Kunden kommen laut Abeln aber schon vorher in den Genuss des Highspeeddruckers.
Anfangs wird lediglich PA 12 als Material angeboten. Bevor Hochleistungskunststoffe wie PEEK oder PEKK einsetzbar seien, müssten noch einige Forschungsaufgaben gelöst werden, räumt der CTO ein. Auch das Problem der reduzierten Festigkeit in der Z-Achse sei noch nicht abschließend geklärt. Doch auch daran arbeiten die Experten. Das Ziel seien isotrope Produkteigenschaften.