Teilerfolge beim 3-D-Druck in der Serienproduktion
Seit Jahren verspricht der 3-D-Druck eine Revolution: niedrigere Kosten, schnellere Produktionszyklen, geringerer Materialeinsatz. Nach einer langen Phase des Nischendaseins im Prototypenbau zeigen Jahr für Jahr steigende Umsatzzahlen, dass das additive Verfahren vor dem Durchbruch stehen könnte. Der Knackpunkt: 3-D-Druck lässt sich bislang kaum wirtschaftlich für die Serienproduktion einsetzen – ein großes Manko, denn gerade für ein Industrieland wie Deutschland ist die Serienproduktion essenziell. Viele Teile werden hundert- oder tausendfach benötigt.
3-D-Druck in der Industrie
Bereits in den 1980er-Jahren kamen die ersten industriellen 3-D-Druckmaschinen auf den Markt, die werkzeuglos Objekte herstellten, wenn auch zunächst grobe Formen, die nachbearbeitet werden mussten. Damals wurden sie zum Prototypenbau eingesetzt und als Rapid Prototyping bezeichnet.
1984 kam zunächst die Stenolithografie (auf Basis flüssiger Photopolymere) und 1987 das Selektive Laser Sintering (Pulvermaterial) auf den Markt. 3-D-CAD-Modelle liefern dabei die Daten für den schichtweisen Aufbau.
Von Anfang an wurden die Maschinen vorrangig zur Produktion von Prototypen für Luftverkehr, Automobilbranche und Militär eingesetzt. Lange Zeit war das Thema jedoch kaum in der Öffentlichkeit vertreten.
Erst ab 2009 erlangte 3-D-Druck durch verbrauchernahe Druckdienstleistungen öffentliches Interesse. 3-D-Drucker waren jedoch nach wie vor sehr teuer, sodass die Nutzergruppe noch klein blieb.
In den Folgejahren konnte die Qualität und Granularität der Ausdrucke deutlich verbessert werden, weshalb neben dem Prototypenbau auch erste Kleinstserien mit 3-D-Druck angefertigt wurden.
Inzwischen werden 3-D-Druckmaschinen entwickelt, die etwa mehrere Materialien kombinieren. Auch das simultane Drucken in verschiedenen Härtegraden und mit mehreren Farben ist seit Kurzem möglich.
Die Hauptgründe, warum additive Verfahren bisher nicht Eingang in die Serienproduktion gefunden haben, sind dabei vielfältig: So weichen die Materialeigenschaften gleicher Bauteile oft ein wenig voneinander ab, was dazu führt, dass ein Teil nicht mehr mit dem anderen austauschbar ist. Abgesehen davon müssen Bauteile, wenn sie etwa hohen Belastungen ausgesetzt sind, eine gleichbleibende Qualität aufweisen.
Und doch scheint der 3-D-Druck nun endlich mit großen Schritten dem Serieneinsatz näher zu kommen. Das zeigte kürzlich die Messe „Rapid Tech“ in Erfurt mit einem vielfältigen Programm. „Viele Produkte sind als Kleinserie ohne Weiteres umsetzbar“, betonte in Erfurt etwa Hagen Tschorn, Geschäftsführer der Canto Ingenieur GmbH aus Lüdenscheid. Sein Unternehmen beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Modell- und Werkzeugbau und greift dabei auf das Laser-sintern zurück. „Mehrere 100 bis mehrere 1000 Teile sind bereits üblich im Tagesgeschäft“, sagt Tschorn und betont die Vorzüge des Verfahrens: „Fast alles an Geometrien und Strukturen ist realisierbar. Zudem können neue Möglichkeiten und Anwendungen umgesetzt werden, die vorher nicht so einfach waren.“
Entscheidende Vorteile seien eine einfache Bedienung der Maschinen durch minimalen Programmieraufwand, extrem kurze Lieferzeiten sowie geringere Teilekosten im Vergleich zum herkömmlichen Modellbau. Denn: Mittels 3-D-Druck werden zur selben Zeit mehrere gleiche Bauteile in einem Arbeitsraum hergestellt.
Canto hat sich darauf spezialisiert, mit additiver Fertigung in Kleinserie zu gehen. Für die Serienfertigung eignet sich laut Tschorn von den unterschiedlichen Verfahren des 3-D-Drucks vor allem das Lasersintern mit anschließendem Vakuumgießen. Beim Selektiven Lasersintern (SLS) wird ein Kunststoffpulver schichtweise aufgetragen und durch einen Laser mit der darunter liegenden Schicht verschmolzen. Beim Vakuumguss wird so erzeugtes Urmodell in Silikon eingegossen. Dabei entsteht ein Werkzeug, mit dem Zweikomponenten-Gießharze vergossen werden, die Serienmaterialien ähnlich sind.
Beim Metalllasersintern wird dagegen ein Metallpulver – zum Beispiel Stahl, Aluminium oder Titan – schichtweise aufgetragen und durch einen Laser mit der darunter liegenden Schicht verschmolzen. „Das Verfahren ist fast vergleichbar mit klassischen Gießverfahren, weil die Metallpulverpartikel inzwischen zu nahezu 100 % miteinander verschmolzen werden“, so Tschorn. Es gebe kaum noch Unterschiede im Gefüge. Das Ergebnis sei durchaus einem Werkstück vergleichbar, das aus einem Block gefräst wurde. Daher finde das Verfahren auch schon Anwendung in Serienwerkzeugen.
Andere Verfahren eigneten sich nur sehr bedingt für die Serienfertigung. Tschorn räumt zudem ein: „Die heutigen Materialien für 3-D-Druck sind kaum mit denen klassisch gefertigter Gegenstände vergleichbar. Eine Kluft zwischen den verschiedenen Techniken wird immer vorhanden sein.“ Gründe dafür seien, dass vor allem die Visionen und Entwicklungen der Maschinenhersteller im Rapid-Prototyping-Markt dominierten und eine noch vorherrschende Materialbindung an den Hersteller zu hohen Kosten führe. Darüber hinaus gebe es bislang keine Konstruktionsrichtlinien und nur wenige Materialvergleichbarkeitstabellen.
Die Definition von Qualitätsstandards in der additiven Fertigung hält auch Stephan Kegelmann für essenziell. Der Geschäftsführer von Kegelmann Technik ist ein Urgestein der 3-D-Druck-Branche. Seit über 25 Jahren ist sein Unternehmen führend bei der additiven Fertigung von Modellen, Prototypen, Werkzeugen und Endprodukten. Kegelmann produziert auch Kleinserien mit einer Auflage von mehreren Tausend Stück mittels 3-D-Druck, letzteres schon seit sieben Jahren. „Bereits heute nutzen wir 70 % unserer Kapazität ausschließlich für das Additive Manufacturing“, sagt er.
Allerdings erfordere der Einsatz von 3-D-Druck in der Serienfertigung ein Umdenken. „Es geht immer um die Anwendung und nie um die Technologie an sich“, so Kegelmann. Man müsse sich stets fragen, was erreicht werden solle. Wie müsse also etwas entworfen sein, damit es sich für den Seriendruck eigne? Erst im zweiten Schritt komme das passende 3-D-Verfahren ins Spiel. „Die traditionellen Regeln und Vorgaben für die Konstruktion müssen neu definiert, überarbeitet und dürfen teilweise ignoriert werden“, sagt der Unternehmer. Darüber hinaus gebe es diverse Voraussetzungen, damit Serienfertigung möglich wird: Materialverfügbarkeit, hohe Pulverqualität, Qualitätssicherung und vor allem eine Reproduzierbarkeit des Prozesses.
Das ideale Verfahren für die Serienproduktion ist aus Kegelmanns Sicht das Selektive Lasersintern (SLS). Hiermit hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits von 2008 bis 2012 erfolgreich für einen schwäbischen Autokonzern SLS-Teile in Serie produziert. Kegelmann stellte technische Bauteile und Bauteile für den Interieurbereich mit dem additiven Verfahren her. Außerdem fertigt das Unternehmen auf diese Weise monatlich mehrere 1000 Brillengestelle für die Marke Mykita Mylon. „Heute sind die Produktionszyklen viel kürzer. Da rentiert sich die schnelle Produktion mittels 3-D-Druck“, so Kegelmann. „Bei 100 verschiedenen Brillen-Designs benötigt man eigentlich 100 verschiedene Werkzeuge. Mit 3-D-Druck fällt das alles weg, es sind nur noch Daten nötig“, sagt Kegelmann.
Die Schattenseite der Additiven Fertigung seien aber die Kosten. Zwei Pulver für den 3-D-Druck kommen für Kegelmann momentan in Frage. „Und die Preise dafür sind mit 70 €/kg viel zu hoch“, sagt er. Mehr noch: Die Anlagen, auf denen produziert werde, seien ebenfalls zu teuer und für die hohen Belastungen einer Serienfertigung nicht ausgelegt.
Hagen Tschorn ergänzt: „Die aktuelle Welt der 3-D-Billigdrucker wird nicht ansatzweise den Qualitätsansprüchen der Automobilindustrie gerecht. Das erstreckt sich im Übrigen ebenso auf nahezu alle anderen Industriezweige. Somit spielen diese Geräte in der Serienfertigung praktisch keine Rolle.“ Was bleibe sei das Lasersinterverfahren. Aber: „So lange SLS-Anlagen ab dem Gegenwert eines recht hübschen Einfamilienhauses bis hin zu einer stattlichen Villa zu beziehen sind, werden die Teilepreise eine ernsthafte Konkurrenz in der Serienfertigung blockieren. Sinterpulver in der Preisklasse von Edelmetallen ist da leider ebenfalls nicht besonders hilfreich“, betont Tschorn.
Reproduzierbare Bauteilqualität bleibt Herausforderung für das Additive Fertigungsverfahren
Ein weiteres Problem für die Serienfertigung ist, dass die Temperaturverteilung im Bauraum nicht an jeder Stelle exakt gleich ist, was die Produktqualität beeinflusst. Identische Bauteile gibt es laut Stephan Kegelmann somit nicht, da die Dichte der Teile unterschiedlich ist. „Die größte Herausforderung ist immer die Reproduzierbarkeit der Produktqualität“, betont Kegelmann daher. „Diese erreicht man nur, wenn man den Produktionsprozess im Detail absolut beherrscht und auch die Grenzen kennt. Dazu gehört neben der Kreativität, auch mal neue Wege zu gehen, sowie eine Menge Erfahrung mit Maschinen und den Materialeigenschaften“, so Kegelmann. Von Seiten der Maschinenhersteller erwartet er daher mehr Industrietauglichkeit, z. B. mehr Materialien und eine vollständige Integration der nachgelagerten Prozesse.
„Die größten Potenziale bietet additive Fertigung, wenn gleichzeitig Komplexität, Individualität und Funktionsintegration gefragt sind“, fasst Kegelmann zusammen. „Design und Konstruktion müssen gegenüber dem konventionellen Verfahren des Nacheinander mehr zusammenwachsen, um durch Individualität und bionische Akzente für Leichtbau die enormen Chancen zu nutzen.“ Der Experte kann sich durchaus vorstellen, dass 3-D-Druck künftig auch zur Produktion von Großserien eingesetzt wird, etwa im Designbereich der Automobilindustrie oder in der Luftfahrt auch für Metallteile.
Hagen Tschorn stimmt dem zu: „Wenn die Anlagenhersteller es schaffen, die Kosten zu senken und die Entwickler lernen, die Vorteile der Technologien in die Produkte einfließen zu lassen, wird die wirtschaftliche Fertigung der Zukunft von der Kleinserie auf die Großserie ausgeweitet werden können.“ Das Resümee von Kegelmann fällt deutlich aus: „Der 3-D-Druck ist in der Serienfertigung angekommen.“