Bosch will Einsatz neuer KI-Lösungen in der Produktion deutlich beschleunigen
Noch steht der Einsatz generativer KI im Produktionsumfeld am Anfang. Jetzt will Bosch damit die Entwicklung von KI-Lösungen für den weltweiten Fertigungsverbund vorantreiben. Zwei Top-Führungskräfte geben einen ersten Einblick.
Jetzt beginnt es sich auszuzahlen, dass Bosch zu den Vorreitern von Industrie 4.0 gehört und seine Werke konsequent digital vernetzt hat. Künftig soll das die Grundlage bilden für den verstärkten Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) und Effizienzsteigerungen durch die Nutzung generativer KI – also von Modellen, die aus Text- und Bildinformationen generiert werden. Heute (7. Dezember) gab die Robert Bosch GmbH den Start erster Projekte in zwei deutschen Werken bekannt, bei denen generative KI synthetische Bilder erzeugt, um damit wiederum KI-Lösungen für die optische Inspektion zu entwickeln und auf weitere Anwendungen zu übertragen. Alternativ sollen damit auch bereits vorhandene KI-Modelle optimiert werden.
Jedes zweite Bosch-Werk nutzt bereits künstliche Intelligenz in der Produktion
Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, ordnet das strategisch ein: „Schon heute nutzt nahezu jedes zweite Bosch-Werk KI in der Produktion. Mithilfe von generativer KI verbessern wir nicht nur bestehende KI-Lösungen, wir schaffen so auch Grundlagen für eine optimale Durchdringung dieser Zukunftstechnologie in unserem weltweiten Fertigungsverbund.“ Bosch-Geschäftsführerin und Digitalchefin Tanja Rückert liefert dazu Details: „Bosch digitalisiert und vernetzt seit über zehn Jahren die eigenen Werke und die seiner Kunden. Jetzt kombinieren wir Industrie 4.0 mit künstlicher Intelligenz.“ Die vernetzte Produktion liefere die Daten, die KI werte sie aus, erklärt Rückert. So würden bereits heute frühzeitig Fehler erkannt, Ausfallzeiten von Maschinen auf ein Minimum reduziert, Ausschuss verringert sowie Energie zielgerichtet genutzt.
Die Bosch-Forschung habe z. B. ein KI-basiertes System entwickelt, das Anomalien und Störungen im Fertigungsprozess identifiziere und die Produktqualität erhöhe. Die Software sei mittlerweile in rund 50 Bosch-Werken im Einsatz und über 2000 Fertigungslinien daran angebunden. Auch bei der optischen Inspektion von Komponenten sei künstliche Intelligenz in Bosch-Werken weit verbreitet. Beispielsweise helfe eine vom Bosch-Sondermaschinenbau entwickelte Lösung dabei, schwer zu identifizierende Merkmale wie Kratzer und Ausbrüche in Oberflächen oder Defekte in Schweißnähten nachzuweisen.
Bosch-Pilotwerke für den KI-Einsatz sind Hildesheim und Feuerbach
Bosch-Pilotwerke setzen laut Rückert bereits KI in der Produktionsplanung, -überwachung und -kontrolle ein. Im Werk in Hildesheim wurden beispielsweise beim Produktionshochlauf neuer Linien die Taktzeiten dank KI-basierter Datenanalyse um 15 % verringert. Im Werk in Stuttgart-Feuerbach habe das Unternehmen durch neue Algorithmen Prüfvorgänge von Komponenten von dreieinhalb Minuten auf drei Minuten reduziert.
Welche Unternehmen sich noch mit generativer KI für die Fertigung beschäftigen, erfahren Sie hier
„Mit generativer KI gehen wir jetzt den nächsten Schritt in der Evolution von künstlicher Intelligenz und hieven Fertigungen auf ein neues Level“, zeigt sich Rückert überzeugt. Dabei vertraut Bosch auf eigenes Know-how: Entwickelt wurden die Softwaremodelle für generative KI in der Bosch-Forschung. In den Pilotanwendungen werden sie nun unterschiedlich eingesetzt. Während das eine Werk synthetisch generierte Bilder nutzt, um damit Schweißungen von Kupferdrähten in der Elektromotorenfertigung zuverlässig KI-basiert zu prüfen, legt die andere Fabrik ihren Schwerpunkt auf die Qualitätssicherung von Hochdruckpumpen. Komponenten zur Kraftstoffeinspritzung wurden beispielsweise im Feuerbacher Werk bisher manuell kontrolliert. Aufgrund von Beschaffenheit und Komplexität der Produkte sowie Unterschieden im Aufbau der Fertigungslinien schien weder eine regelbasierte noch eine KI-gestützte optische Inspektion möglich.
Generative KI erzeugt synthetische Bilder für das Training von Modellen
Nun will Bosch dafür eine skalierbare generative KI einsetzen, die unterschiedliche Varianten eines Produkts und Fehlerbilder erkennt und verschiedene Anordnungen und Abfolgen im Produktionsprozess berücksichtigt. Die Bosch-Forschung hat dazu ein Basismodell (Foundation Model) entwickelt, das aus großen Datensätzen des Bosch-Fertigungsnetzwerks gespeist wird. Verfeinert und spezifiziert wird das Foundation Model für Anwendungen vor Ort mit synthetisch generierten Daten. Mit dem menschlichen Auge sind die künstlich generierten Bilder nicht von realen Bildern zu unterscheiden. Damit soll es gelingen, dass die KI selbstständig die Komponenten prüft und nur noch im Zweifelsfall Sichtprüfern vorlegt.
Erfolgreich zum KI-Training eingesetzt wurden synthetisch generierte Bilder laut Bosch bereits bei ersten Anlagen in der Serienfertigung von Elektromotoren im Werk in Hildesheim. Das Werk geht davon aus, dass sich durch den neuen Ansatz die Projektlaufzeit gegenüber konventionellen Verfahren um sechs Monate verkürzt und sich Produktivitätssteigerungen in Höhe von sechsstelligen Eurobeträgen pro Jahr ergeben. Eine Ausweitung des KI-Ansatzes auf weitere Bosch-Standorte sei nun geplant.
Fertigungsverbund liefert der generativen KI bei Bosch die notwendigen Daten
Für Rückert ist es ein Vorteil, bei der Entwicklung von KI-Lösungen aus dem Potenzial schöpfen zu können, das der Bosch-Fertigungsverbund mit rund 230 Werken bietet. „Wir nutzen neue Technologien. Generative KI hilft, vermeintliche Gegensätze in Einklang zu bringen: Individualisierung und Skalierung – beides zugleich wird mit dieser Technologie möglich“, hebt sie hervor.
Für Bosch rechnet sich der Einsatz von KI nach eigenen Angaben. Je nach Werksgröße und Produktion ließen sich damit Produktivitätszuwächse und Kosteneinsparungen von mehreren Hunderttausend Euro bis hin zu niedrigen einstelligen Millionenbeträgen pro Jahr und Werk erzielen. Generell sieht Bosch-Chef Hartung in künstlicher Intelligenz ein hohes Innovationspotenzial. Zudem könne es die menschliche Arbeit noch produktiver machen. „Als produzierendes Unternehmen, etablierter Fabrikausrüster und Taktgeber bei Industrie 4.0 will Bosch eine führende Rolle bei Entwicklung und Anwendung industrieller KI spielen“, unterstreicht er den Anspruch des Unternehmens.