Automatisierung in der Produktion 15. Mai 2020 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 3 Minuten

Corona: Roboter sorgen für die nötige Distanz

Roboter und Automatisierung gewinnen in Zeiten von Lockdown und Kontaktvermeidung in Produktionsbetrieben verstärkt an Bedeutung – sowohl da, wo sie bereits installiert sind, als auch dort, wo noch viel per Hand erledigt wird.


Foto: KUKA Aktiengesellschaft

In Automobilfabriken, wo Teile der Produktion bereits hoch automatisiert sind, ist es in diesen Bereichen kein Problem, die Sicherheitsabstände zwischen den Mitarbeitern einzuhalten. Da galt es eher, die Systeme bei den Corona-bedingten Werksschließungen sicher runterzufahren und sie nun wieder hochzufahren. Bei Betrieben mit hohem manuellen Arbeitsanteil wie in der Montage ist das oft anders. Hier versuchen Unternehmen nun durch einfache Automatisierung Distanz zwischen die Mitarbeiter zu bringen, indem beispielsweise einfache Prozesse und Produktübergaben automatisiert werden. Es lohnt sich, beide Extreme genauer zu betrachten.

Roboterstraßen hochfahren

Laut Philipp Klaiber, Head of Engineering bei dem Augsburger Roboterhersteller Kuka, sind die Lösungen des Unternehmens sehr wartungsarm und brauchen auch bei längerem Stillstand keine besondere Pflege. „Selbst Ölwechsel stehen auch bei Vollbetrieb nur selten an. Ein Stillstand von wenigen Wochen ist hier unkritisch“, sagt er. Sofern die Anlage ordnungsgemäß heruntergefahren werde, funktioniere der Neuanlauf wie das Einschalten einer Maschine. „Der Roboter verfügt über automatisierte Kontrollfunktionen. Damit ist er in der Lage, sich selbst zu überprüfen – zum Beispiel durch Bremstests oder auch Referenzfahrten, um Positionen zu überprüfen“, verdeutlicht Klaiber. Seinen „Gesundheitszustand“ meldet der Roboter dann automatisch an die zentrale Liniensteuerung.

Aber wie sieht es mit der Genauigkeit in der Hochlaufphase aus? „Bei sehr taktintensiven Aufgaben ist ein Aufwärmen der Motoren im Steuerungsmechanismus automatisch enthalten, daher ist auch hier nichts zu beachten, es erfolgt alles automatisiert“, berichtet der Fachmann von Kuka. Durch die Roboterprogrammierung und die Genauigkeit des Roboters sei die Qualität sofort gegeben. Er fügt hinzu: „Es besteht kein Bedarf eines ,Einfahrens‘ oder Ähnlichem. Die Anlagen können direkt gestartet werden.“

Automobilbranche hat Stillstand genutzt

Laut Klaiber haben Kunden von Kuka den ungeplanten Stillstand genutzt, um Anlagen zu verbessern. Als Beispiel nennt er den bayerischen Automobilzulieferer Webasto. Richtig: Das ist das Unternehmen, bei dem die ersten Fälle mit SARS-CoV-2 in Deutschland registriert wurden. Der Hersteller von Standheizungen, Fahrzeugdächern und Lösungen für die Elektromobilität habe den Stillstand im Werk in Hengersberg für spezielle Wartungsarbeiten genutzt – und zwar in Form einer technischen Aufbereitung (Retrofit) einer automatisierten Anlage mit mehreren Robotern. „Dieser Retrofit wäre durch das Kuka-Engineering-Team erst in einer späteren produktionsfreien Phase möglich gewesen“, berichtet Klaiber. Dass das so kurzfristig ging, ist auch der guten Vernetzung und Digitalisierung zu verdanken. „Da wir seitens des Engineering von der Simulation über die Inbetriebnahme bis zum gesamten Prozess-Know-how alles abdecken können, war dieser Retrofit zeitlich und fachlich während des ungeplanten Stillstands möglich“, berichtet er.

Einstieg mit einfachen Robotersystemen

Automatisierung ist aber längst nicht nicht nur in der Automobilindustrie ein Thema. Sie kann auch kleineren Betrieben helfen, Produktionen trotz der aktuell notwendigen Abstandsregelungen (Social Distancing) in Betrieb zu nehmen – so weit zumindest die Theorie. Ein Indiz dafür liefert Igus aus Köln. Der Spezialist für Produkte aus Hochleistungspolymeren verzeichnet nach eigenen Angaben derzeit besonders viele Nachfragen im Bereich der Robotiksysteme. Alexander Mühlens, Leiter des Bereichs Low-Cost-Automation bei Igus, berichtet: „Uns erreichen gerade sehr viele Anfragen, wo es um Lösungen für Kontaktverbote geht.“ Als Beispiel nennt er die Laborautomatisierung, wo nicht mehr so viele Menschen zusammen im Raum sein dürfen. „Da wird gerade auf Low-Cost-Automation gesetzt, weil man kostengünstige Systeme bekommt, die einfach in der Umsetzung und Programmierung sind.“ Die Kölner haben dazu verschiedene Roboterkonzepte auf Basis ihrer Hochleistungspolymere und ihres Getriebebaukastens aufgebaut. Das sind Knickarm- und Deltaroboter sowie Portalsysteme, die durch eine einfach zu bedienende Steuerung ergänzt werden, oder auch einzelne Module für Eigenentwicklungen.

Zwischen dem High-End-Bereich in der Automobilindustrie und den Low-Cost-Lösungen gibt es freilich noch ein weites Feld anderer Lösungen. Immer mehr Anbieter achten dabei auf einfache Bedienbarkeit und intuitives Einrichten der Lösungen. Große Unterschiede gibt es dagegen bei der Langlebigkeit, Präzision und der funktionalen Sicherheit. Gerade der letzte Punkt sollte beim Schutz vor dem Coronavirus keinesfalls vergessen werden. Denn was nutzt es, wenn der Mensch zwar vor dem Virus geschützt wird, aber dann vom Roboter verletzt wird.

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