Der richtige Platz für die Steuerung
Je komplexer die Anforderungen an Maschinen und Anlagen werden, desto mehr verwischen sich zentrale und dezentrale Automatisierungskonzepte. Daher kommen sowohl typische Kleinsteuerungen und Kompakt-SPS- als auch Busklemmen-SPS-Systeme und programmierbare Feldbuscontroller weiterhin zum Einsatz. Die Messe SPS/IPC/Drives, vom 25. bis 27. November in Nürnberg, will hier Orientierung bieten.
„Dezentralisierung hängt in hohem Maße von der Kommunikationsfähigkeit der einzelnen Steuerungen im Gesamtsystem ab. Je kommunikativer die Steuerungen der verschiedenen Anlagenmodule sind, desto dezentraler kann die Anlage aufgebaut werden“, erläutert Holger Meyer, vom Geschäftsbereich Control Systems bei Phoenix Contact Electronics in Bad Pyrmont. Einfache Feldbuskoppler könnten lediglich eingeschränkt eingesetzt werden, da sie kaum über ausreichende Leistungskapazitäten verfügen, um ein Konzept der Dezentralisierung mit verteilter Intelligenz umzusetzen.
Vorteil von dezentralen Steuerungssystemen ist die schnelle Bearbeitung von sicherheitstechnischen Funktionen, bei denen Sensoren und Aktoren selbstständig Regelkreise bilden. „Wie in jedem organisierten System sollte jedoch eine übergeordnete Instanz die intelligenten Feldteilnehmer koordinieren und Entscheidungen treffen können“, berichtete Meyer im Vorfeld der Messe SPS/IPC/Drives.
„Die Diskussion um zentrale oder dezentrale Steuerungen gibt es, seit es Bussysteme in der Automation gibt“, sagt Stefan Ditting, Product Manager Communication bei Hima Paul Hildebrandt in Brühl. Er verdeutlicht: „Und doch gibt es kein Richtig oder Falsch für die Entscheidung. Es kommt immer auf die individuellen Anforderungen an und ob dies für die Anwendung passt oder nicht. Allerdings hilft eine Trennung von funktionalen Einheiten mit definierten Schnittstellen, die Komplexität zu reduzieren.“ Denn mit steigender dezentraler Automatisierung wüchsen auch die Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit der zentralen Steuerung im Schaltschrank, wenn intelligente Feldteilnehmer über das Kommunikationsnetzwerk kommunizieren und koordiniert werden müssen.
„Zentrale Steuerungen haben – wenn sie performant genug für die Applikation sind – enorme Vorteile gegenüber dezentralen Steuerungsarchitekturen“, berichtet Josef Papenfort, Produktmanager TwinCAT bei Beckhoff in Verl. Seiner Meinung nach sind neben der einfacheren Programmierung und dem Wegfall der Kommunikation zwischen mehreren Einzelsteuerungen bessere Debug- und Diagnosefähigkeiten die großen Pluspunkte. „Die skalierbare Palette unserer PC-basierten Steuerungen bietet allerdings passende Geräte sowohl für zentrale wie auch für verteilte Architekturen.“
Die Kommunikationsfähigkeit von Steuerungen als integraler Bestandteil dezentraler Automatisierungslösungen setzt ein Übertragungsmedium voraus, das sich flexibel an unterschiedliche Applikationen anpassen lässt und dabei sowohl zeitunkritischen Datenverkehr als auch eine Datenübertragung mit hochgenauen Zykluszeiten und geringem Jitter (Taktzittern) zulässt. Allerdings sollte der Begriff „zeitkritisch“ genauer auf die Anwendungen in der Automation abgestimmt sein, meint Stefan Ditting, denn „aktuell sind Lösungen verfügbar, die selbst die Regelung von Servoantrieben über Ethernet erlauben.“
Steht jedoch für die Übertragung von zeitkritischen Daten keine ausreichende Bandbreite zur Verfügung, gehe dies zulasten der Verfügbarkeit. Dies gelte speziell für die Worst-Case-Betrachtungen. „Allerdings bestehen keine Sicherheitsprobleme bei normgerecht implementierten Sicherheitsprotokollen wie beispielsweise dem Safeethernet, das Hima bereits 1997 entwickelte“, versichert Ditting. Mit einer Datenübertragung von 100 Mbit/s könnten kürzeste Reaktionszeiten innerhalb der geforderten Sicherheitszeit erfüllt werden.
Die Übertragung von sicherheitsgerichteten Daten über Standard-Ethernet stellt naturgemäß eine große Herausforderung dar, da Ethernet selbst über keine ausreichenden Mechanismen verfügt, um die Unverfälschtheit der Daten in der Übermittlung zu gewährleisten. „Sicherheitsprofile wie Profisafe nutzen das sogenannte Black-Channel-Prinzip, um Daten in einem sicheren Datencontainer über eine eigentlich unsichere Datenleitung zu übertragen und dadurch die Sicherheit zu gewährleisten“, erläutert Heinz Eisenbeiss von der Siemens-Division Digital Factory in Nürnberg.
Siemens setze für eine fehlersichere Kommunikation auf die Kombination von Profinet und Profisafe, welche integraler Bestandteil der gesamten Automatisierungstechnik des Herstellers ist. Für diese fehlersichere Kommunikation seien keine speziellen Netzkomponenten notwendig, Standard-Switches und Standard-Netzübergänge könnten uneingeschränkt eingesetzt werden. Darüber hinaus sei mit Profinet auch eine fehlersichere Kommunikation über Industrial Wireless LAN möglich.
EtherCAT von Beckhoff bietet – neben dem Safety-Protokoll FSoE für die sicherheitsgerichtete Datenkommunikation – mit dem EtherCAT Automation Protokoll gleichfalls eine entsprechende Basis für die notwendige deterministische Kommunikation. TwinCAT 3 unterstützt dabei mit einfacher Konfiguration von Netzwerkvariablen nach dem Publisher-Subscriber-Prinzip.
Eine andere Herausforderung, die allgemein betrachtet werden muss, ist die Widerstandsfähigkeit gegen gezielte Angriffe auf das Ethernet – wie Cyber-Attacken jüngst auch in der Industrie gezeigt haben. „Allerdings ist das Thema Datensicherheit dann nicht relevant, wenn die Ethernet-Technologie zur Kommunikation zwischen Master und Slave im Sinne einer Feldbuskommunikation verwendet wird“, setzt Papenfort entgegen. „Erst wenn die Kommunikation die Maschine verlässt, müssen Datensicherungsmechanismen verwendet werden.“ Deshalb setze Beckhoff für die vertikale Kommunikation zur MES- und ERP-Ebene auf OPC UA. In diesem, auf Ethernet basierenden Protokoll, sind Authentifizierung und Datensicherheit nach internationalen Standards bereits integriert.