Hey Roboter! Prozesse in der Industrie per Sprache und Gesten steuern
Hersteller sprechen gerne von kollaborierenden Robotern. Doch zu einer intuitiven Interaktion, wie sie zwischen Menschen üblich ist, sind die Maschinen bisher nicht fähig. Das soll sich mit dem EU-Projekt „Fluently“ nun ändern.
Wenn Menschen zusammenarbeiten, nutzen sie meist Gesten und Worte. „Gib mir mal den Schraubendreher“, heißt es da beispielsweise, gefolgt von dem Ausstrecken der Hand. Industrieroboter, selbst sogenannte kollaborierende Roboter, können damit bisher wenig anfangen. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) könnte das ändern. Im EU-Forschungsprojekt Fluently wollen 22 Partner aus Ländern wie Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz nun gemeinsam eine Roboterplattform schaffen, die die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Mensch und Maschine deutlich erweitert. Parallel dazu soll ein Trainingszentrum aufgebaut werden, in dem Fabrikarbeiter und Roboter eine reibungslose Interaktion im Industrieprozess trainieren können. In Anlehnung an Fitnesscenter wird dieses als „RoboGym“ bezeichnet.
Tragbares Gerät dient als Schnittstelle zum Roboter
Um intuitiv mit den Robotern kommunizieren zu können, soll das Bedienpersonal mit mobilen Geräten ausgestattet werden, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten. Als intelligente Schnittstelle soll die Technik es den Maschinen ermöglichen, Sprachinhalte und Tonfall genauer zu interpretieren und Gesten in konkrete Anweisungen umzuwandeln.
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Geleitet wird das auf drei Jahre angelegte Projekt von Roboverse Reply, einem auf Integrationsszenarien in Robotik und Mixed Reality spezialisierten Beratungsunternehmen mit Sitz in Gütersloh. Größter Zuwendungsempfänger der Projektförderung ist das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Forschungsseitig sind beispielsweise das Labor für Automation, Roboter und Maschinen der Fachhochschule Südschweiz (SUPSI) sowie die Politecnico di Torino in Italien und die Waseda-Universität in Japan an dem Projekt beteiligt. Unterstützt wird die Entwicklung des sozial agierenden Roboters für den Einsatz in der Industrie zudem vom Roboterhersteller Fanuc.
„Wenn ein Mensch eng mit einem Roboter zusammenarbeitet, ist es wichtig, dass der Roboter die Gefühle des Menschen erkennt und entsprechend reagiert, indem er zum Beispiel seine Dynamik anpasst“, erklärt Anna Valente. Die Professorin leitet das SUPSI-Labor für Automation, Robotik und Maschinen und ist Mitglied im Schweizerischen Wissenschaftsrat. Zum Tragen kommt das vor allem in flexiblen Fabriken, in denen sich Produktionsvolumen und Produkte ständig ändern und in denen mobile Transportsysteme sowie Roboter neben statischen Arbeitsplätzen agieren.
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Aus Herstellersicht sagt Ralf Völlinger, General Manager des Geschäftsbereichs Roboter bei Fanuc Europe, dazu: „Unsere Industrieroboter sind bereits mit Sensoren zum Sehen und Fühlen ausgestattet, können aber bislang keine menschlichen Emotionen erkennen.“ Zum Engagement seines Unternehmens macht er deutlich: „Wir wollen erreichen, dass künftig noch mehr Menschen unsere Industrieroboter einfach und effizient nutzen können.“
Fokus auf Robotereinsatz bei Recycling, Laserbearbeitung sowie Prüf- und Montageprozessen
Die „Fluently“-Forscher konzentrieren ihre Entwicklungsarbeit auf drei für die europäische Wirtschaft wichtige Wertschöpfungsketten: die Demontage und das Recycling von Batterien für E-Bikes und Elektrofahrzeuge, Prüf- und Montageprozesse in der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie die Aufarbeitung hochkomplexer Industrieteile mittels Laserbearbeitung.
„Diese Prozesse werden derzeit fast ausschließlich manuell durchgeführt, was bei den Arbeitnehmern zu psychischen und physischen Belastungen führt“, sagt Valente. Sie ergänzt: „Arbeitskräfte in der Produktion geraten zum Beispiel unter Stress, wenn sie Batterien demontieren, weil das Risiko einer Explosion besteht. Auch physische Belastungen etwa durch die Arbeit mit schweren Teilen in der Luft- und Raumfahrtindustrie können Stress verursachen.“ Roboter könnten daher in Zukunft die Arbeitnehmer zumindest teilweise von der mit diesen Prozessen verbundenen Belastung befreien sowie einige der zeitaufwendigeren Aufgaben in solchen Arbeitsumgebungen übernehmen.
Das Forschungsprojekt Fluently wird finanziell unterstützt von Horizon Europe, dem wichtigsten Finanzierungsprogramm der EU für Forschung und Innovation. Details zum bis Mai 2025 laufenden Projekt gibt es auf der Cordis-Homepage der EU, wo die Europäische Kommission ihre Forschungsvorhaben und deren Ergebnisse auflistet: