Hannover Messe 2021 05. Mrz 2021 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 4 Minuten

Indonesien: Ein Urlaubsland macht sich fit für Industrie 4.0

Viele Menschen in Deutschland denken bei Indonesien hauptsächlich an die wunderschönen Urlaubsregionen. Doch das Partnerland der Hannover Messe treibt auch die Digitalisierung im Land massiv voran – unter anderem mithilfe von Unternehmen und Investoren aus Europa.

Forschung und Entwiclkung bei ABB in Jakarta.
Foto: M. Ciupek

Eigentlich war Indonesien bereits 2020 Partnerland der Hannover Messe. Nachdem die Messe aber nur digital stattfinden konnte, wurde der Auftritt indonesischer Unternehmen in Hannover auf dieses Jahr vertragt, wo Anfang April jetzt wieder nur eine digitale Messe möglich ist. Arif Havas Oegroseno, Botschafter der Republik Indonesien für die Bundesrepublik Deutschland, nimmt es mit Humor. Er sagte im Vorfeld der Veranstaltung: „Indonesien wird möglicherweise das am längsten aktive Partnerland in der Geschichte der Hannover Messe sein.“ Man habe sich mit der Deutschen Messe darauf einigen können, dass Indonesien nach zweifacher Partnerschaft für die digitale Veranstaltung im Jahr 2023 Partner der physischen Messe wird. Für 2022 wurde bereits Portugal als Partnerland bestätigt.

Irgendwie scheint das auch zu Indonesien zu passen, dem Staat mit seinen rund 17 500 Inseln. Seine Ausdehnung vom östlichsten Teil zum westlichsten Teil beträgt über 5100 km. Zum Vergleich: von Berlin bis nach Indonesiens Hauptstadt Jakarta sind es Luftlinie etwa 10 700 km. Die Hauptinseln sind neben Java mit der Hauptstadt Jakarta Sumatra, Borneo, Sulawesi und Neuguinea. Auch die touristisch beliebte Insel Bali gehört zu dem Land.

Foto: PantherMedia / Tomas Griger

Digitale Wirtschaft trotzt der Pandemie

„Indonesien ist wie viele Länder aktuell in einer schwierigen Situation“, stellte Oegroseno kürzlich auf der online abgehaltenen Hannover Messe Preview fest. Indonesien befinde sich aktuell in einer Rezension. Aber es gebe positive Signale. „Unsere digitale Wirtschaft ist 2020 um 11 % gewachsen“, sagte er. Am stärksten habe davon der Gesundheitssektor profitiert. Trotz der Rezession stiegen zuletzt auch die Exporte des Landes. „Zudem wuchs das Investment aus dem Ausland in Indonesien deutlich. 16 Unternehmen haben sich in Indonesien neu angesiedelt. Wir sprechen hier von einem Wert von 7 Mrd. US-$“, berichtete er.

Im Rahmen der Partnerschaft mit der Hannover Messe möchte Indonesien seine Unternehmen im Inland mit den globalen Investoren zusammenbringen und dabei seine jungen, digitalen Start-ups mit anderen Start-ups vernetzten. Oegroseno wirbt auch für Investitionen in seinem Land: „Wir bieten unseren deutschen Partnern in Indonesien sogenannte German Industrial Quarters an. Das sind Flächen von 100 ha, wo Unternehmen in unterschiedliche Branchen investieren können – vorzugsweise in der Automatisierung und der Digitalisierung.“ Dafür gebe es steuerliche Vorteile, insbesondere dann, wenn Unternehmen auch eine deutsche Ausbildung anböten.

Industrie-4.0-Strategie

Um im globalen Wettbewerb wirtschaftlich attraktiv zu sein, soll auch die Produktion in Indonesien zunehmend digitalisiert werden. Die indonesische Regierung hat dazu ihren Industrie-4.0-Fahrplan „Making Indonesia 4.0“ aufgestellt. Sie priorisiert dabei fünf Branchen: Getränke und Nahrungsmittelindustrie, Automobilindustrie, Elektronik, Chemie und Textilindustrie. Darüber hinaus ergeben sich durch die Covid-19-Pandemie Chancen für die Digitalisierung der Gesundheitsbranche. Industrie 4.0 ist somit ein wesentlicher Teil der Strategie des Landes, mit dem die Wirtschaft nach der Pandemie wieder gestärkt werden soll.

Einige Aussteller der Hannover Messe sind hier längst aktiv. Siemens hat beispielsweise bereits 1909 ein erstes Büro in Surabaya auf Ostjava eingerichtet. Heute unterstützt der Konzern insbesondere die Bestrebungen des Landes ihren Industrie-4.0-Fahrplan umzusetzen. Beispielsweise kommen Lösungen des Unternehmens in der Milchwarenindustrie des Landes zum Einsatz. Aber auch in den Bereichen Infrastruktur und Energie ist der Siemens-Konzern in Indonesien aktiv.

Ähnlich sieht es bei ABB aus. Der Konzern hat in den 1980er-Jahren sein erstes Büro in Jakarta eröffnet und besitzt in Indonesien inzwischen mehrere Produktionsstätten sowie ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Jakarta. Unter anderem produziert der Konzern in Indonesien Hoch- und Mittelspannungsschaltanlagen. Im Entwicklungszentrum dreht sich vieles um Technologien für Industrie 4.0, aber auch die Energieversorgung, die Elektromobilität sowie Smart Citys.

Der Mannheimer Sensorspezialist Pepperl+Fuchs nutzt dagegen die Nähe zwischen dem asiatischen Technologietreiber Singapur und dem Flächenstaat Indonesien. Singapur ist dabei der Hauptsitz für den Raum Asien-Pazifik. Hier sind die Bereiche Produktion, Vertrieb und Marketing angesiedelt. Von dort aus ist das Produktionswerk in Bintan per Fähre gut zu erreichen. Mit dem im Jahr 2000 gegründeten Werk hat Pepperl+Fuchs seine Produktionskapazitäten für die Region ausgeweitet.

Clevere Lösungen für die Fischerei

Nicht immer geht es bei den Projekten um große Industrieanwendungen in Ballungsräumen. Denn eine andere deutsch-indonesische Erfolgsgeschichte könnte schon bald die wirtschaftliche Situation im Fischfang verbessern, der er wichtiger Wirtschaftsfaktor in dem Land ist und viele Familien ernährt. Denn Indonesiens Kleinfischer aus benachteiligten Regionen sollen ihre Produkte mittels lückenloser Kühlketten künftig landesweit verkaufen können. Möglich ist dies durch eine solarbetriebene Maschine zur Herstellung von Eisblöcken. Entwickelt wurde dieser neuartige Anlagentyp in einem mehrjährigen deutsch-indonesischen Projekt. Frank Stegmüller von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) freut sich über das Ergebnis: „Die Fische verderben nicht, die Eisproduktion funktioniert völlig klimaneutral. Das sichert das Einkommen von Fischern, die nachhaltig wirtschaften, gerade in abgelegenen und einkommensschwachen Regionen Indonesiens.“

Solar betriebene Eismaschine für indonesische Fischer. Foto: Ziehl-Abegg

Begonnen wurde die Entwicklung 2016. Die Pilotanlage lief 2018 erfolgreich an. Noch in diesem Jahr soll in Indonesien die erste kommerzielle Anlage in Betrieb gehen. Die Eisproduktion von bis zu 1,2 t Blockeis pro Tag erfolgt dabei automatisch und ist dynamisch an die zur Verfügung stehende Sonnenenergie angepasst. Eisblöcke können somit in Orten abseits von Stromnetzen hergestellt und für die Kühlung von lokal gefangenem Fisch genutzt werden.

Im Inneren der Anlage arbeitet unter anderem Technik vom deutschen Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg. Steffen Sinn, Area Sales Manager des Unternehmens für Asien, erklärt die Technik: „Die Solarmodule sind keine starke Stromquelle, daher mussten extrem energiesparende Ventilatoren eingebaut werden.“ Das passiert nun mit Ventilatoren, deren Profil nach dem Vorbild von Eulenflügeln bionisch optimiert wurde. „Eulen können besonders leise und auch energiesparend fliegen“, erklärt Sinn.

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